Sie bringen ja immer so Ihren Mindestlohn von 10 Euro ins Gespräch. Herr Holter, ich weiß, wir beide waren vor einiger Zeit zusammen auf einer Veranstaltung zum Thema Gesundheitswirtschaft hier in den Räumen der IHK. Da tagte das Kuratorium Gesundheitswirtschaft und da gab es einen Vortrag eines Herrn vom IAB, also Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit. Der hat eine Untersuchung vorgestellt, die heißt: „Gesundheitswirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern“ – ich muss jetzt aus der Erinnerung zitieren –, und da ging es auch um das Thema Einkommen, Einkommen in den Gesundheitsberufen in MecklenburgVorpommern. Und wenn ich das richtig erinnere, lag das Durchschnittseinkommen in Mecklenburg-Vorpommern in der Altenpflege, also ambulant, teilstationär und stationär, zwischen 1.700 und 1.800 Euro. Das ist die Zahl, die Herr Kokert schon genannt hat. Und wenn man das mal ausrechnet, dann ist das ein Stück weit mehr, als die von Ihnen geforderten 10 Euro.
Das ist immer noch nicht genug, ist noch viel zu wenig, weil, wenn wir auf der anderen Seite weiter vergleichen, nämlich die Leute, die beruflich in der Altenpflege arbeiten mit denen, die in der Krankenpflege in den Krankenhäusern arbeiten, dann gibt es da einen sehr, sehr großen Einkommensunterschied. Wenn ich das recht erinnere, sind das 700 Euro brutto im Monat, die die Beschäftigten in der Krankenpflege in den Krankenhäusern mehr verdienen. Jetzt kann man sich hinstellen und sagen: Na ja, schuld sind die Arbeitgeber in der Altenpflege, das sind alles so gierige Hunde, die kön- nen nichts anderes als ihre Leute durch den Rost quetschen. – Wer das glaubt, wird selig.
Der Punkt ist ein ganz anderer. Der Punkt ist der, dass die Refinanzierung von Arbeitskräften gewährleistet werden muss, und die ist in den Krankenhäusern ungleich besser als in der Altenpflege, was im Ergebnis dazu führt, dass natürlich Krankenpflegekräfte, wenn sie die Wahl haben zwischen Krankenhaus auf der einen Seite und Altenpflege auf der anderen Seite, immer ins Krankenhaus gehen werden, weil sie sagen: Habe zwar Dreischichtsystem, aber das ist alles geregelt und ich kriege hier deutlich mehr Geld als in der Altenpflege. Und deswegen haben wir immer gesagt, es kann nicht sein, dass wir in bestimmten Leistungen der Altenpflege und der ambulanten Krankenpflege durch den Rost gequetscht werden, dass sich da die Verhältnisse noch verschlechtern, wie bei den Verhandlungen zur häuslichen Krankenpflege, und damit die Entlohnungsbedingungen in dem Bereich sich nicht verbessern, sondern verschlechtern.
Wir haben als Koalition klare Kante gezeigt an der Stelle. Sie waren nicht an unserer Seite. Sie haben das für Unfug erklärt und für Dinge, die man sein lassen sollte. Und insofern kann ich nur meinem Kollegen Barlen folgen und sagen: Es ist gut, dass Sie doch versuchen, da wieder an unsere Seite zu kommen. Und vielleicht kriegen wir das dann gemeinsam weiterbewegt, in dem Sinne, dass wir einfach akzeptieren, dass das Thema Pflege eine ganz, ganz wichtige Geschichte ist.
Denn es ist nicht so, da teile ich nicht die Auffassung von Herrn Kokert, dass der Pflegeberuf wirklich akzeptiert ist. Für 11, 12 Euro, wer soll die Arbeit machen? Das ist keine wirkliche berufliche Perspektive. Leute mit einem mittleren Bildungsabschluss, die sich heute aussuchen können, in welchen Beruf sie hineinwollen, werden mit Sicherheit zum überwiegenden Teil nicht sagen, also ich gehe in die Pflege – anstrengender Beruf, Schichtarbeit, Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit und so weiter und so fort. Und wir müssen deutlich daran arbeiten, dass dieser Beruf attraktiver wird. Und Attraktivität in dem Bereich heißt auch, berufliches Fortkommen zu organisieren.
Also die Fragen sind beispielsweise zu diskutieren auf der Bundesebene: In welchem Verhältnis steht Pflege eigentlich zu den Ärzten? Ist es so richtig, wie wir das in Deutschland machen, dass Pflege hier nach wie vor immer noch unter Kuratel der Ärzte stattfindet? Oder müssen wir uns nicht vielmehr orientieren an dem, was im europäischen Ausland üblich ist, wo Pflege gleichberechtigt neben der Medizin steht und von daher auch eine ganz andere Attraktivität hat, was im Ergebnis dazu führt, dass auch viel mehr Leute in den Beruf hineingehen als bei uns?
Das sind Dinge, da können Sie sicher sein, Herr Holter, das haben wir auf der Agenda und das werden wir Schritt für Schritt abarbeiten. Das werden wir anpacken, weil wir sehen, genau wie Sie, dass es hier große Herausforderungen gibt. Aber im Gegensatz zu Ihnen sind wir auf dem Weg, wir sind konsequent da dran und werden das auch weiter betreiben als Koalition. Da gibt es ja an dieser Stelle gar keine Frage. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der kurzen verbleibenden Zeit kann ich das jetzt nur stichpunktartig sagen:
Also erstens, Herr Barlen, wir waren bei Demonstrationen dabei. Wir waren in 35 Einrichtungen, Herr Schubert, innerhalb von 4 Tagen. Da kann ich nicht in allen 35 gewesen sein, ich war konkret in 7 Einrichtungen.
Zweitens. Wir setzen uns genau wie alle anderen demokratischen Fraktionen für Kostensätze ein, die eine qualitativ gute Pflege ermöglichen, egal ob es sich um häusliche Krankenpflege, um ambulante Pflege, stationäre Pflege oder Intensivpflege handelt.
Drittens. Der Streit um die Kostensätze in der häuslichen Krankenpflege muss zügig beendet werden. Das ist auch unsere Position. Und das Mediationsverfahren, auf das wir gemeinsam setzen, das haben wir ja beide am Freitag kurz mal besprochen, muss meines Erachtens so gestaltet werden, dass es zügig zu Resultaten kommt. Und ich setze auch dabei auf Ulla Schmidt, ganz klar.
Ja, da gibt es gar kein Vertun. Wir wollen wie Sie, dass es zu keinen Absenkungen in den Kostensätzen kommt. Die lehnen wir glattweg ab. Auch das ist unsere Position. Aber da will ich Frau Schwesig mit Erlaubnis der Präsidentin aus der Debatte zitieren, als wir damals am 15. März Ihren Antrag diskutiert haben. Zitat: „Und dieser Antrag, der wird auch an dem Verfahren konkret gar nichts ändern.“ Zitatende.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aus dem Zusammenhang gerissen! Das ist doch völlig aus dem Zusammenhang gerissen!)
Ja, und andere Redner, auch Herr Barlen, haben gesagt, dass der Antrag ein Appell ist, wie so viele, wie so viele, …
Und, Herr Schubert, ich würde Sie bitten, mir das zu sagen, wer denn ganz konkret einen Keil zwischen die Unternehmerinnen und Unternehmer und die Beschäftigten treiben will. Das kann ich einfach nicht hinnehmen. Zumindest bei dem, was ich erlebt habe während der Pflegetour, hat das nicht stattgefunden.
Fünftens. Wo wir nicht dabei sind, wo wir nicht dabei sind, meine Damen und Herren, ist, wenn es 22 Jahre nach der Einheit immer noch unterschiedliche Mindestlöhne in Ost und West gibt.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nee, das ist ‘ne Lüge, die Sie da verbreiten! Wir haben das nicht beschlossen.)
Sechstens. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff muss nicht nur neu gefasst werden, wie Frau Schwesig das hier ausgeführt hat – darüber, glaub ich, gibt es auch einen Konsens –,
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich kann Ihnen mal die Pressemittteilung zeigen, wie das geschrieben wurde.)
er muss auch endlich umgesetzt werden und finanziell untersetzt werden. Und das muss sich auch in den Kostenverhandlungen widerspiegeln.