Protokoll der Sitzung vom 30.08.2012

(Zuruf aus dem Plenum: Stimmt doch auch.)

Stimmt auch. Dann frage ich mich, warum wir gestern eine lange Debatte geführt haben unter der Überschrift „Antrag der Fraktionen der SPD und CDU – Erhalt der Qualität in Unterricht, Forschung und Lehre“ et cetera pp. Und da steht: „Die Landesregierung wird aufgefordert, sich im Bundesrat und allen Gremien auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die … Gültigkeitsdauer“ et cetera pp. Das ist die Zuständigkeit des Bundes, damit hat doch der Landtag gar nichts zu tun. Also das verwundert mich dann schon sehr, dass man versucht, über solche Auswege eine inhaltliche Begründung zu finden, die mit dem Ursprungsanliegen überhaupt nichts zu tun hat.

Aber lange Rede, kurzer Sinn – lassen Sie uns das Thema im Europa- und Rechtsausschuss gemeinsam diskutieren. Mein Wunsch wäre nur, lieber Vorsitzender vom

Rechtsausschuss, dass wir es vielleicht schaffen, eine erste Debatte noch vor der Veranstaltung „Jugend im Landtag“, die im November stattfindet, durchzuführen, damit wir den Jugendlichen, die dann wieder hier sind, um genau mit uns über diese Frage der politischen Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen zu diskutieren, schon Ergebnisse mit auf den Weg geben können, wie die einzelnen Fraktionen zur Einbeziehung von Jugendlichen auch bei Wahlentscheidungen sind. Wenn wir das erst nach Weihnachten machen, dann hat es auch keinen Sinn mehr. Also meine Bitte wäre, dafür Sorge zu tragen, dass wir noch vor „Jugend im Landtag“ eine erste Runde hinkriegen. Dann haben wir nämlich auch eine spannende Debatte bei „Jugend im Landtag“ und keiner braucht sich mehr rauszureden oder sich in Versprechungen zu flüchten, denn da haben wir konkrete Ergebnisse vorliegen. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Aussprache.

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1031 zur Beratung an den Europa- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Schrittweise Einführung der Lkw-Maut auf Bundes-, Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen, Drucksache 6/1026.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schrittweise Einführung der Lkw-Maut auf Bundes-, Landes-, Kreis- und Gemeindestraßen – Drucksache 6/1026 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Jaeger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bündnisgrüne-Fraktion beantragt, dass die Landesregierung sich für eine Ausweitung der Lkw-Maut auf praktisch alle Straßen einsetzt.

Was ist der Hintergrund? Seit dem 1. August 2012 wurde die Mautpflicht auf Autobahnen ausgeweitet auf über 1.100 Kilometer Bundesstraßen. Der Hintergrund ist, dass viele Lkw-Fahrer, weil sie halt Maut bezahlen müssen, Möglichkeiten nutzen, dieser Maut auszuweichen und dann über Bundesstraßen zu fahren. Dem hat der Verkehrsminister einen Riegel vorgeschoben, indem er vierspurige Bundesstraßen mautpflichtig gemacht hat.

Wie ist es zur Maut gekommen? Grundsätzlich ist es so, dass der wichtige und für uns volkswirtschaftlich notwendige Lkw-Verkehr natürlich durch das Gewicht der Lkws sehr große Schäden an den Straßen anrichtet. Ein Beispiel: Wenn Sie mit einem vollbeladenen 40-Tonner über eine Brücke fahren, dann haben Sie etwa die gleiche Belastung, als wenn Sie mit weit über 20.000 Pkws über die Brücke fahren. Das ist einfach eine physikalische Rechnung, so groß. Es gibt sogar Zahlen, die gehen von

bis zu 160.000 Pkws aus, vergleichbar mit dem Schadenspotenzial, wenn ein 40-Tonner über eine Brücke fährt.

Die Bundesregierung hat also zu Recht gesagt, wir müssen den Lkw stärker mit zur Finanzierung der Straßen heranziehen. Es hätte natürlich die Möglichkeit bestanden, das Ganze über eine erhöhte Mineralölsteuer auf Dieseltreibstoff zu machen. Da besteht aber das große Problem, dass Lkws durch sehr, sehr große Tanks und auch Zusatztanks in der Lage sind, gigantische Strecken durch ganz Europa mit einer einzigen Tankfüllung zurückzulegen, das heißt, man hätte vor allem die deutschen Spediteure getroffen, die ausländischen Spediteure wären damit außen vor geblieben. Deswegen also, aus meiner Sicht auch zu Recht, hat man sich überlegt: Wir brauchen eine Mautpflicht für Lkws, wir können das nicht über die Mineralölsteuer lösen.

Jetzt haben wir aber das Problem, dass durch das Ausweichen des Lkw-Verkehrs weg von der Autobahn besonders Gemeinde-, Kreis- und Landesstraßen belastet werden, und diese Belastung ist natürlich nie im Sinne des Erfinders der Maut gewesen. Von daher ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, zu überlegen, ob wir, um das Problem grundsätzlich zu lösen, sagen, der Lkw-Verkehr muss für jeden Kilometer, den er fährt, eine Maut entrichten. Das würde auf der einen Seite bedeuten, wir schützen damit unsere Gemeinde-, Kreis- und Landesstraßen, weil es keinen Grund mehr gibt, die durchaus attraktive und schnellere Autobahn zu verlassen. Zum anderen werden wir natürlich dadurch auch mehr Mittel erhalten, um diese Straßen zu erhalten, was, wenn Sie in die Kommunen gucken, durchaus eine große Notwendigkeit darstellt.

(Egbert Liskow, CDU: Für den ländlichen Wegebau.)

Deswegen glauben wir, dass das der richtige Ansatz ist, und wir sehen, dass es sehr viele Befürworter gibt für diesen Vorschlag. Nicht nur vom VCD oder dem Städte- und Gemeindebund, auch aus der Bundestagsfraktion der SPD gibt es diese Anregung. Wir hoffen auf Ihre Zustimmung. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Herr Schlotmann.

(Minister Volker Schlotmann stellt das Rednerpult ein.)

Das ist mein Nachteil, dass ich immer nach Herrn Jaeger komme, da muss ich das Ding immer wieder runterfahren.

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme da gleich noch mal im Detail drauf, Herr Jaeger, weil das Grundproblem Ihres Antrages ist eine grund

sätzlich falsche Annahme, die auch dokumentiert werden kann, und da will ich dann im Einzelnen auch noch darauf eingehen.

Ich will noch mal für die, die sich mit dem Antrag noch nicht so beschäftigt haben, kurz darstellen, worauf Sie hinauswollen. Sie wollen also die Ausweitung der Maut für schwere Lkws auf alle Straßen, auf alle Straßen bis hin zu Gemeindestraßen, und begründet wird die Forderung im Kern ja damit, dass der Schwerlastverkehr sich bewusst vor der Benutzung von Autobahnen und der dort erhobenen Maut drücke. Mit der Einführung einer generellen Maut soll der Schwerlastverkehr auf die Autobahnen zurückgedrängt werden, damit diese besser ausgelastet und ihrer Netzfunktion entsprechend genutzt würden. Zusätzliche Einnahmen sollten in den Ausbau der Schieneninfrastruktur fließen – da bin ich sehr dicht bei Ihnen. Aber aufgrund der mautbasierten Kostensteigerung wird dann von Ihnen auch erwartet, dass künftig mehr Waren über die Schiene und über Binnenwasserstraßen transportiert werden. Gut, das ist bei uns relativ wenig relevant in Mecklenburg-Vorpommern, aber vom Grundsatz her auch gar nicht so verkehrt. Und letztendlich würde eine generelle Lkw-Maut auf allen Straßen alle Spediteure gleichstellen. Das ist die Intention dessen, was Sie als Antrag formuliert haben.

Wie sieht aber die Realität aus? Die Realität ist folgende und ich weiß, wenn ich das sage, wird das einen Aufschrei verursachen bei Betroffenen. Mautausweichverkehr konnte in Mecklenburg-Vorpommern bis heute an nicht einer einzigen Stelle nachgewiesen werden. Das ist wie gefühlte Temperatur und gemessene Temperatur. Und damit wir uns da nicht auf Gefühle oder subjektive Wahrnehmungen, die ich ja an manchen Stellen auch habe, verlassen müssen, gibt es Verfahren, ich sage jetzt mal, objektive Verfahren, um genau das festzustellen, was man hier unterstellt. Das mag einem gefallen oder auch nicht, das kommt immer auch auf den Grad der Betroffenheit an. Ich will das mal erläutern:

Seit 2005 haben wir in Deutschland eine streckenbezogene Gebühr, die sogenannte Lkw-Maut, für den schweren Lkw-Verkehr auf Autobahnen erhoben. Schwere Lkws sind dabei definiert als Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht, das zwölf Tonnen und mehr beträgt. Im Jahr 2006 wurde dann mit der sogenannten „Verordnung zur Ausdehnung der Mautpflicht auf bestimmte Abschnitte von Bundesstraßen“ die Mauterhebung auf spezielle Teilabschnitte von Bundesstraßen ausgedehnt und im Jahr 2011 hat der Bundesrat die Möglichkeit geschaffen, die Mauterhebung auch auf andere Abschnitte von Bundesstraßen zu erweitern.

Ich will das im Detail auch noch mal darstellen, damit man wirklich weiß, worüber man redet. Die Voraussetzungen für eine solche Bemautung sind folgende:

1. dass die Bundesstraßen in der Baulast des Bundes

liegen,

2. dass keine Ortsdurchfahrt betroffen ist,

3. dass die betroffenen Straßen mit zwei oder mehr

Fahrstreifen je Fahrtrichtung ausgebaut sind,

4. dass es durchgehend getrennte Fahrbahnen für den

Richtungsverkehr gibt, die mit Mittelstreifen oder Ähnlichem getrennt sind,

5. dass die in Rede stehenden Abschnitte eine Mindest

länge von vier Kilometern aufweisen und, als letztes Kriterium,

6. dass die Abschnitte jeweils unmittelbar an eine Bun

desautobahn angebunden sind.

Die Lkw-Maut wurde gezielt auf Bundesstraßen ausgeweitet, um unerwünschten Verkehrsverlagerungen – der ja hier angesprochenen Mautflucht – entgegenzuwirken. Daher ist die Voraussetzung für eine Bemautung von Bundesstraßen der Nachweis, der Nachweis darüber, dass der Schwerlastverkehrsanteil erkennbar durch die Mautflucht steigt.

Meine Damen und Herren, es ist so, die Verkehrsentwicklung ist bundesweit durch eine Zunahme von LkwVerkehr geprägt. Die entsprechende Rahmenprognose des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung geht davon aus, dass die Transportleistungen des Straßengüterverkehrs zwischen 2004 und 2025 um gut 75 Prozent steigen werden. Eine repräsentative Auswertung von Dauerzählstellen und der Straßenverkehrszählungen der Jahre 2005 und 2010 für Norddeutschland bestätigt dementsprechend auch eine Zunahme des Schwerverkehrs.

Zwischen 2005 und 2010 stieg auf den Bundesstraßen der Schwerlastanteil um wenigstens 5, in Teilen um bis zu 10 Prozent. Dieser belegte Anstieg entspricht somit dem in etwa erwarteten Anstieg für den Zeitraum.

In meinem Auftrag haben wir ein Gutachten der IVV Aachen aus dem Mai des Jahres veranlasst, die die Möglichkeit der Bemautung des schweren Lkw-Verkehrs auf dem Straßenzug B 104, B 198 zwischen der A 19 und der A 20 und der Bundesgrenze zu Polen untersuchte. In diesem Untersuchungszeitraum, meine Damen und Herren – sprich: auf den beschriebenen Straßenabschnitten –, war entgegen der von mir beschriebenen repräsentativen Auswertung der Verkehrsentwicklung in Norddeutschland eine absolut unterdurchschnittliche Entwicklung des Lkw-Verkehrs zu verzeichnen.

Mit anderen Worten, auf der B 104 und der B 198 ist seit Einführung der Lkw-Maut der Schwerverkehrsanteil weniger stark angestiegen, als das im gesamten Schnitt in Norddeutschland der Fall ist. Somit besteht nach Definition des Bundesverkehrsministeriums keine auffällige Zunahme, die mit der Einführung der Maut im Jahr 2005 in Verbindung gebracht werden könnte. Auch die Öffnung der deutsch-polnischen Grenze hat zu keiner sprunghaften Zunahme des Lkw-Verkehrs auf beiden Bundesstraßen geführt. Damit gilt, die Lkw-Belastung auf der B 198 hat ihre Ursache nicht in der Mautflucht. Und das, was für die B 104 und für die B 198 gilt, lässt sich auf weitere Regionen im Land übertragen.

Wir haben eine Befragung durchgeführt von Logistikunternehmen, und zwar im Jahre 2008, um mal eine Rangfolge der Einflussfaktoren festzustellen, anhand derer die Routenwahl im Schwerlastverkehr tatsächlich erfolgt. Warum entscheiden sich Lkw-Fahrer, ihre Spediteure, für die Wege, die sie dann eben nehmen? Für die Routenwahl im Lkw-Verkehr ist die Terminbindung der Transporte, das neudeutsche „Just-in-time“, das entscheidende, alles entscheidende Kriterium. Danach folgt das Kriterium „Lenk- und Ruhezeiten“. Die Einsatzplanung von Personal und Fahrzeugen hat maßgeblich Einfluss auf die

Transportkosten. Die Mautgebühr wird in dieser Befragung erst an vorletzter Stelle genannt und ist aus Sicht der Logistikunternehmen von nachrangiger Bedeutung für die Routenwahl, für die Routenwahl.

Bei dem Ausweichen eines Lkws auf eine Bundesstraße kann der Mautanteil an den Transportkosten nicht komplett eingespart werden, da das niedrigere Geschwindigkeitsniveau auf der Bundesstraße die Fahrzeit verlängert, teilweise deutlich verlängert, und infolgedessen den Personalkostenanteil erhöht.

Bei einer Fahrt über eine Bundesstraße mit 60 km/h – das sind jetzt so die gesetzlichen Regelungen, ob einer mehr fährt, das können wir hier nicht berücksichtigen –, also bei einer Fahrt auf einer Bundesstraße mit 60 km/h ergeben sich dieselben Transportkosten wie bei einer Fahrt über die Autobahn mit 80 km/h mit Mautgebühr. Dies führt dazu, dass die Nutzung von Bundesstraßen, die parallel zu Autobahnen verlaufen und mit der gleichen Transportweite verbunden sind, dem Lkw-Verkehr keine relevanten Kostenvorteile bringt. Die eingesparte Maut wird durch einen größeren Zeitbedarf für die Fahrt über die Bundesstraße ersetzt.