Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 26: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sicherung der Versorgung durch Hebammen – Umsetzung der Ergebnisse des IGES-Gutachtens, Drucksa- che 6/1028. Hierzu liegen Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 6/1080 sowie ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1084 vor.
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sicherung der Versorgung durch Hebammen – Umsetzung der Ergebnisse des IGES-Gutachtens – Drucksache 6/1028 –
Frau Gajek, was hier gemacht wird im Plenarsaal, das entscheide im Moment ich, solange ich hier oben sitze.
Also jedes menschliche Leben beginnt mit der Geburt. Die Geburt eines Kindes zählt zu den bedeutendsten Ereignissen im Leben von Müttern und Vätern. Hebammen leisten einen erheblichen Beitrag dazu. Dass Kinder unsere Zukunft sind, da sind wir uns alle einig. Und eine Gesellschaft muss sich auch daran messen lassen,
wie verantwortungsvoll sie sich für zukünftige Generationen einsetzt. Schauen wir aber auf die Situation der Hebammen, dann sieht die Zukunft finster aus. Hebammen leisten vor, während und nach einer Geburt einen unerlässlichen Beitrag bei der Betreuung werdender Mütter und Väter und es gibt keine andere Berufsgruppe, die die Arbeit der Hebammen ersetzen könnte. Aber insbesondere der Beitrag der Hebammen bei der Geburtshilfe ist in akuter Gefahr, denn immer mehr Hebammen ziehen sich aus dem Kerngeschäft der Geburtshilfe zurück. Dafür gibt es Gründe.
Sehr verehrte Damen und Herren, es kann nicht sein, dass eine Hebamme, die Geburtshilfe anbietet, 2010 mit einer Prämienerhöhung für ihre Berufshaftpflicht von 56 Prozent zu kämpfen hat und im Folgejahr gleich noch mal mit 15 Prozent mehr belastet wird.
Bei einer freiberuflichen Hebamme mit durchschnittlichem Bruttoverdienst von rund 24.000 Euro sind das bei einer Haftpflichtsumme von 4.240 Euro mal eben zwei Monatsgehälter. Laut IGES-Gutachten dachte jede fünfte der befragten Hebammen häufig über eine Berufsaufgabe nach, unter den ausschließlich freiberuflich tätigen Hebammen sogar nahezu jede vierte.
Sehr verehrte Damen und Herren, der Beruf der Hebamme ist gekennzeichnet durch soziales Engagement, medizinische Fürsorge für werdende Mütter und Väter und nicht selten auch durch Idealismus. Aber bei allem Idealismus, auch eine Hebamme möchte von ihrem Beruf leben und ihre Familie ernähren können.
Es ist an der Zeit, den Hebammen endlich die ihnen gebührende gesellschaftliche und wirtschaftliche Wertschätzung zuteilwerden zu lassen.
Mit der teilweisen Übernahme der Prämienerhöhung durch die Krankenkassen an den Prämien der Haftpflichtversicherung ist zwar ein erster Schritt gelungen, der aber längst nicht genügt. Es ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn erreicht wurde damit lediglich die Wiederherstellung des Status quo vor der zweiten Prämienerhöhung. Auch durch die Beteiligung der Krankenkassen hat sich an der schlechten Versorgungssituation der Hebammen nichts Grundsätzliches geändert. Die hohe finanzielle Belastung bleibt bestehen. Eine angemessene Entlohnung lässt auf sich warten.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Erhöhung der Haftpflichtprämien ist einer der zentralen Gründe, warum vor allem freiberuflich tätige Hebammen das Handtuch werfen. Gleichzeitig zeigt die Steigerung der Versicherungsabgaben, mit wie viel Verantwortung der Beruf der Hebamme verbunden ist. ln der Bezahlung der Hebammen bildet sich dies jedoch nicht ab. Vielmehr entsteht die paradoxe Situation, dass parallel zum Anstieg der Verantwortung nicht etwa die Vergütung steigt, sondern vielmehr nur die Unkosten wachsen. So werden wir auf Dauer den Berufsstand der Hebammen nicht sichern können. Eine angemessene Bezahlung ist für die Existenzsicherung der Hebammen dringend notwendig.
Das Gutachten des IGES-Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung zur Versorgungs- und Vergütungssituation in der außerklinischen Geburtshilfe zeigt, dass sich die Lage in Mecklenburg-Vorpommern in mehrfacher Hinsicht besonders ungünstig dargestellt.
So wird in einigen Kreisen die stationäre Geburtshilfe nur noch von einem einzigen Krankenhaus erbracht. Sinkt die Zahl der Fachabteilungen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe weiter, dann bedeutet das gravierende Verschlechterungen der wohnortnahen Geburtshilfeversorgung. So legen Hebammen in unserem Flächenland deutlich längere Wege zurück als im Bundesdurchschnitt. Bei einer Gesamtbetrachtung der klinischen und außerklinischen Hebammenhilfe anhand des Hebammenangebotes, der Bettendichte und der Erreichbarkeit fallen die Regionen Rostock und Stralsund im Vergleich zum Bundesdurchschnitt durch eine unterdurchschnittliche Versorgungslage auf. Auch in den Regionen Neubrandenburg und Schwerin ist die Situation laut IGES-Gutachten
unterdurchschnittlich, was das Angebot im klinischen und außerklinischen Bereich, die Erreichbarkeit der Krankenhausabteilungen und die Reichweite der Hebammen betrifft.
Was bedeutet das für werdende Mütter und Väter in Mecklenburg-Vorpommern, meine Damen und Herren? Es bedeutet, dass werdende Eltern in unserem Bundesland suboptimal begleitet und versorgt werden. Alle wollen mehr Kinder, aber wenn dort gespart wird, wo das Leben beginnen soll, dann ist das ein ganz schlechter Start ins Leben.
Das IGES-Gutachten bemängelt außerdem die regional wie überregional unzureichende Datenlage über Hebammen und Hebammenleistungen. Es existiert in Deutschland keine einheitliche und umfassende Statistik zur Anzahl und zum fachlichen Einsatzgebiet der Hebammen, insbesondere fehlen Daten über freiberuflich tätige Hebammen. Um jedoch zu nachhaltigen Verbesserungen in der Versorgungslage zu kommen, ist eine Istanalyse zwingend notwendig. Nur auf dieser Grundlage ist es möglich, strategische, fachlich fundierte Maßnahmen zu ergreifen, die werdenden Eltern Sicherheit und ihren Kindern einen guten Start ins Leben ermöglichen. Wir fordern die Landesregierung deshalb auf, aktiv zu werden und sich für eine entsprechende Statistik einzusetzen.
Sehr verehrte Damen und Herren, die aus dem Gutachten hervorgehenden Erkenntnisse müssen wir ernst nehmen und als dringlichen Handlungsanstoß verstehen. Wir, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wollen die Versorgung durch Hebammen und die Versorgung der Hebammen sichern. Es ist höchste Zeit. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben das Thema „Bessere Vergütung der Hebammen“ schon seit dem Landtag Oktober 2010 auf der Tagesordnung. Es ist also kein neues Thema. Und bereits in meiner Rede hier im Landtag im Oktober 2010 habe ich betont, dass ich die Arbeit der Hebammen als sehr wichtig ansehe. Die Probleme der Hebammen werden von mir sehr ernst genommen wie von all meinen Kollegen aus den anderen Bundesländern und ich denke, wir sind uns alle darüber einig, die Hebammen bei ihren Bemühungen um eine wohnortnahe Versorgung der Schwangeren und Wöchnerinnen zu unterstützen.
Seitdem gab es viele Aktivitäten, die zur leichten Verbesserung der Situation der Hebammen beigetragen haben. Eine Aufforderung, dass die Landesregierung sich für deren Anliegen einsetzt, ist nicht notwendig, denn wenn Sie auch mit dem Hebammenverband sprechen, wissen Sie, dass wir an diesem Thema seit vielen Jahren dran
sind. Das Problem ist nur, bei diesem Thema ist es wie mittlerweile bei sehr vielen anderen Themen auch so, dass das eigentlich Aufgabe der sogenannten Selbstverwaltung ist und dass auch hier wieder die Selbstverwaltung an ihre Grenzen stößt und es nicht hinbekommt, eigentlich eine Sache zu lösen, die, ich glaube, für alle auf der Hand liegt, dass Hebammen so vergütet werden müssen, dass sie am Ende davon auch leben können.
Wie ist die Situation in Mecklenburg-Vorpommern? Seit 2010 ist sowohl die Zahl der freiberuflich tätigen Hebammen als auch die Zahl der Hebammen, die Hausgeburten durchführen, gestiegen. Es bieten in Mecklenburg-Vor- pommern inzwischen 30 Hebammen Hausgeburten an. Die im IGES-Gutachten für die Region Rostock/Stralsund im Vergleich zum Bundesdurchschnitt bezifferte unterdurchschnittliche Versorgungslage ist missverständlich. Eine geringe Bettendichte ist meines Erachtens kein Indikator für eine Unterversorgung und deshalb wird hier zu Recht angesprochen, dass man dieses IGES-Gutachten noch mal mit differenzierten Daten unterlegen muss.
Damit eine gute Qualität in der Geburtshilfe sichergestellt werden kann, fordert mein Haus ganz gezielt die Einrichtung von Mutter-Kind-Zentren zum Beispiel in den Krankenhäusern Schwerin, Hagenow und Neubrandenburg mit Einzelfördermitteln der Krankenhausfinanzierung. Von deren Qualität konnte ich mich persönlich überzeugen.
Auf Landesebene wurde durch die Etablierung von Familienhebammen ein zweites Standbein für die Hebammen geschaffen. Das Land hat die Fortbildung von 63 Hebammen zu Familienhebammen gefördert. Inzwischen sind in Mecklenburg-Vorpommern in allen Landkreisen und kreisfreien Städten Familienhebammen tätig, die mit einer Summe von 350.000 Euro durch mein Haus gefördert werden. Zusätzlich sind für die Ausbildung der Familienhebammen Mittel in Höhe von 76.000 Euro eingesetzt worden.
Unabhängig von diesem Engagement sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass aber das Grundproblem – die Grundvergütung, die nicht ausreichend ist – insbesondere mit Hinblick auf die steigenden Haftpflichtkosten nicht gelöst ist, weil darauf die Landespolitik keinen direkten Einfluss hat, auch nicht die Bundespolitik, weil es gelöst werden muss durch die Vertragsbezie- hungen zwischen Leistungsanbietern und Krankenkassen. Der Staat und insbesondere die Länder haben keinen direkten Einfluss auf deren Ausgestaltung, speziell eben nicht auf die Höhe einzelner Leistungsvergütungen. Ich sage das noch mal, denn sonst wäre es relativ einfach. Bei der großen Einigkeit könnten wir ansonsten an dieser Stelle etwas machen. Das heißt aber für mich nicht, so wie bei allen anderen Themen übrigens auch, zum Beispiel der ambulanten häuslichen Krankenpflege, dass man sagt, das ist Selbstverwaltung, das wäre eine Sünde, wenn wir da eingreifen. Das ist natürlich Quatsch. Sondern wir haben die Pflicht, uns auch zu positionieren.
Und ich bin ganz froh, dass ich mir da auch mit meinen Kollegen der anderen Länder einig bin. Es ist ständiges Thema auf den Gesundheitsministerkonferenzen. Es wurden schon mehrere Beschlüsse gefasst, die den
Zum ersten Problem, der Haftpflicht: Um die Vergütungssituation für Hebammen speziell wegen stark gestiegener Berufshaftpflichtversicherungen zu verbessern, wurde Paragraf 134a SGB V, der die Versorgung von Hebammenhilfe regelt, zum 1. Januar 2012 wie folgt ergänzt: „Bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der freiberuflich tätigen Hebammen … sind insbesondere Kostensteigerungen zu beachten, die die Berufsausübung betreffen.“ Das ist ein erster kleiner Teilerfolg, der sich auch daraus ergibt, diese Gesetzesänderung durch die Bundesregierung im SGB V, dass eben in den letzten Jahren es immer wieder Thema war. Ich erinnere auch an die umfangreiche Beratung im Sozialausschuss. Damit ist sozusagen wenigstens die gesetzliche Grundlage da, dass auch die Kostensteigerungen dabei zu berücksichtigen sind.
Auf der Gesundheitsministerkonferenz am 27. Juni dieses Jahres war das natürlich auch wieder Thema und hier gibt es einen einstimmigen Beschluss, dass die Steigerungen der Haftpflichtprämien zeitnah an einer Erhöhung der Entgelte für Hebammenleistungen abgebildet werden sollen. Durch Vergütungsverhandlungen sind aber zwischenzeitlich keine wesentlichen Verbesserungen an der Situation der Hebammen eingetreten und deshalb habe ich mich im Juni erneut an den Bundesgesundheitsminister Herrn Bahr gewandt und ihn gebeten, auch außerhalb der Verhandlungen zwischen den Hebammenverbänden und den Krankenkassen nach Wegen zu suchen, durch die die finanzielle Situation der Hebammen im Bereich der außerklinischen Tätigkeit verbessert wird und es den Frauen auch in Zukunft ermöglicht wird, frei über den Ort ihrer Entbindung zu entscheiden. Da es ein bundeweites Problem ist, hat vor allem der Bundesgesundheitsminister hier Einfluss, auf die Verhandlungspartner einzuwirken, insbesondere den Verhandlungspartner Krankenkassen.
Und wir haben ihn bei diesen Gesprächen unterstützt durch ständige Beschlüsse, wie gesagt, zuletzt durch einen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz vom 27. Juni.
Am 9. Juni 2012 haben sich die gesetzlichen Krankenkassen und die Hebammenverbände auf einen finanziellen Ausgleich für die Geburtshelferinnen geeinigt. Nach Angaben der Verhandlungsparteien erhält eine Hebamme nun zusätzlich für jede von ihr betreute Geburt im Geburtshaus 25,60 Euro und bei jeder Hausgeburt 78,00 Euro. Die Kassen werden damit jährliche Mehrausgaben von 1,7 Millionen Euro beisteuern. Die nun getroffene Vereinbarung gilt rückwirkend zum 1. Juni 2012. Auch die Vergütungssätze sind angehoben worden, um die stark gestiegenen Prämien zur Berufshaftpflicht zu kompensieren. Diese werden nun vollständig von den Krankenkassen übernommen.
Zum zweiten Problem – und dieses Problem bleibt, es ist ja Kernproblem und das mit der Haftpflichtversicherung verschärft es dann –, die Honorare allgemein: Bisher gab es keine Einigung von Kassen und Hebammen bei der Erhöhung der Honorare insgesamt. Ein Angebot des GKV-Spitzenverbandes von mehr als 10 Prozent