Protokoll der Sitzung vom 31.08.2012

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 24. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 28: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Sicherung guter häuslicher Krankenpflege in Mecklenburg-Vor- pommern, Drucksache 6/1047.

Antrag der Fraktionen der SPD und CDU Sicherung guter häuslicher Krankenpflege in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 6/1047 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete der SPDFraktion Herr Barlen.

Guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fast könnte man sagen: „Täglich grüßt das – pflegebedürftige – Murmeltier.“ Nur um Missverständnisse zu vermeiden, ich meine damit weder Sie noch mich selber. Ich meine vielmehr die mittlerweile seit Langem andauernde Auseinandersetzung um die Vergütungssituation der häuslichen Krankenpflege, kurz HKP, hier in Mecklenburg-Vor- pommern.

Unser Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, die Pflegeanbieter und die Krankenkassen, allen voran die AOK Nordost, haben nach dem umstrittenen Schlichterspruch zur Vergütung von häuslichen Krankenpflegeleistungen einen wahrhaft heißen Sommer hinter sich.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

In über 30 Demonstrationen in allen Landkreisen und in allen kreisfreien Städten sind Tausende Beschäftigte der Pflege auf die Straße gegangen, vereint in einem gemeinsamen Ziel: die Absenkung der HKP-Vergütungen zu verhindern, mehr Anerkennung und Wertschätzung für die ambulante Pflege am Tage und in der Nacht anzumahnen. Und bei vielen Kundgebungen hatte ich auch glücklicherweise selber die Gelegenheit, dabei zu sein und die Solidarität zumindest weiter Teile des Landtages zu übermitteln.

Ich rufe in Erinnerung: Die seit 2009 laufenden, im Rahmen der Selbstverwaltung zu verhandelnden Gespräche zwischen den Krankenkassen, hier beteiligt AOK Nordost, IKK Nord, BKK Landesverband, Knappschaft, Landwirtschaftliche Krankenkasse auf der einen Seite und der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege sowie den Verbänden der privaten Pflegedienste in Mecklenburg-Vorpommern auf der anderen Seite zu einer Vergütungsvereinbarung im Bereich der häuslichen Krankenpflege wurden Mitte 2011 für gescheitert erklärt und daraufhin ein Schiedsverfahren eingeleitet.

Die Schiedsperson legte daraufhin im Oktober 2011 ein pauschales Vergütungssystem für Mecklenburg-Vorpom- mern fest. Weitere Verhandlungen zur konkreten Vergütungshöhe erwiesen sich ebenfalls als höchst problematisch. Der Schlichter wurde in der Folge erneut ange- rufen.

Im März dieses Jahres haben wir als rot-schwarze Koalition im Landtag dann den auf den ersten Blick so ungewöhnlichen wie dringend erforderlichen Schritt gemacht und per Antrag deutlich Position zu dieser Angelegenheit der Selbstverwaltung bezogen für eine gute und flächendeckende ambulante Versorgung und für gute Arbeitsbedingungen mit anständiger Entlohnung in der Pflege in unserem Bundesland. Und damals haben wir die beteiligten Kassen aufgefordert, die Verhandlungen zu den Vergütungssätzen mit den Landesverbänden der Pflegeanbieter wieder aufzunehmen, und wir haben sie damals vor allem aufgefordert, das Vorhaben aufzugeben, die bisherige Höhe der Vergütung für die häusliche Krankenpflege zu senken.

Der fahrende Zug einer quasi juristischen Klärung per Schiedsspruch dieser Frage ließ sich – sehr zu unserem Bedauern – trotzdem nicht stoppen. Im Juni 2012 legte der Schiedsmann den aktuell strittigen Inhalt der Vergütungsvereinbarung mit einer Laufzeit August 2012 bis Dezember 2013 fest. Zeitgleich übte er aber scharfe Kritik an dem mangelnden Datenmaterial beider Verhandlungspartner.

Bei den Pflegeanbietern stieß der Schiedsspruch auf massive Kritik. Eine deutliche Absenkung der Vergütung, die sich negativ auf die wirtschaftliche und personelle Situation der Dienste auswirkt, wurde befürchtet. Man konnte die flächendeckende Bereitstellung von HKPLeistungen als gefährdet ansehen.

Auf massiven Druck von Pflegenden und von der Politik fanden Ende Juli dann wieder erste Gespräche zwischen Kassen und Pflegeanbietern statt und weitere Anfang August brachten zwar eine erste, von uns sehr begrüßte Annäherung, aber noch keinen Durchbruch.

Auch von Manuela Schwesig, unserer Ministerin für Gesundheit, wurden gleichzeitig konsequent Anstrengungen unternommen, im Interesse der Pflegebedürftigen und der Beschäftigten eine kooperative Lösung zu befördern. Unter anderem, und dafür bin ich außerordentlich dankbar, hat Ministerin Schwesig Mitte dieses Monats in einem Gespräch mit der Brandenburgischen Gesundheitsministerin Tack von der Fraktion DIE LINKE klargestellt, dass man sich nicht darauf ausruhen darf, als Rechtsaufsicht nichts tun zu können, sondern dass es darum geht, eine klare politische Haltung zu dieser wichtigen gesundheits- und sozialpolitischen Frage zu beziehen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Die hat Frau Tack, Herr Barlen.)

Im Gespräch mit den Kassen und Anbietern wurde deutlich, dass der Bedarf nach einer Moderation der weiteren Verhandlungen besteht. Ich freue mich außerordentlich,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Er soll nicht falsches Zeugnis reden.)

ich freue mich außerordentlich, Herr Holter, dass Ministerin Schwesig inzwischen den beidseits akzeptierten Vorschlag gemacht hat, Bundesministerin a. D. Ulla Schmidt mit dieser wichtigen Mediationsaufgabe zu betrauen. Beide Seiten haben, wie gesagt, gleich zugesagt, dass sie mitmachen. Erste zielorientierte Gespräche haben bereits stattgefunden. Auch heute gehen diese weiter.

Meine Damen und Herren, so begrüßenswert diese Entwicklung insgesamt ist, so wichtig ist unseres Erachtens, dass wir uns als Landtag weiterhin solidarisch zeigen. Gerade nach dem Schiedsspruch und bei der aktuell laufenden Mediation müssen beide Seiten nun zügig und konstruktiv Vergütungssätze der häuslichen Krankenpflege anstreben, die in der Summe keine Leistungskürzungen für die Pflegedienste zur Folge haben. Beide Seiten müssen ihrer Verantwortung im Sinne einer funktionierenden Selbstverwaltung so gerecht werden, dass auch in Zukunft eine qualitativ hochwertige Pflege und vor allem auch gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in Mecklenburg-Vorpommern sichergestellt sind.

In diesem Zusammenhang dürfte es – und auch darauf gehen wir in unserem Ihnen vorliegenden Antrag ein –, in diesem Zusammenhang dürfte es sicher hilfreich sein, dass die auch von uns geforderte Behebung eines gravierenden Berechnungsfehlers im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich der Kassen nun Wirklichkeit wird. Das Bundesversicherungsamt hat dafür gesorgt, dass in Zukunft die Kosten für unterjährig Verstorbene in tatsächlicher Höhe Berücksichtigung finden. Und das ist ein Detail, aber dieses Detail hat aufgrund der Versichertenstruktur, insbesondere der AOK Nordost, zur Folge, dass zahlreiche zusätzliche Millionen Euro in MecklenburgVorpommern auch zur Verfügung stehen. Und, so ist unsere Erwartung, diese sollten in die Versorgungssicherheit und in die Versorgungsqualität investiert werden. Ich freue mich auf die Diskussion jetzt. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Stramm.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es ist mir ein Bedürfnis, hier zu sagen, dass mir und allen Abgeordneten meiner Fraktion eine gute häusliche Krankenpflege Herzenssache ist. Dazu gehört auch eine gute Vergütung. Das haben wir gegenüber den Pflegekräften auch auf unserer Pflegetour zum Ausdruck gebracht. Unsere Position wurde verstanden und von den allermeisten Pflegekräften und auch den Pflegedienstleitungen geteilt.

Zu dem vorliegenden Antrag: Er will eine gute häusliche Krankenpflege in Mecklenburg-Vorpommern sichern. Das müsste eigentlich in diesem Haus einen breiten Konsens finden.

(Torsten Renz, CDU: Aber?!)

Wahrscheinlich findet eine solche Forderung auch draußen in der Öffentlichkeit eine breite Zustimmung, denn jeder Mann und jede Frau kann schon morgen auf die Leistungen der häuslichen Krankenpflege angewiesen sein.

Das gilt übrigens auch für Privatversicherte. Von denen ist in diesem Antrag aber keine Rede. Keine Rede ist in diesem Antrag auch davon, ob und wie die Landesregie

rung tätig werden will. Es werden nur die Anbieter häuslicher Krankenpflege und die gesetzlichen Krankenkassen aufgefordert, ihrer Verantwortung im Sinne einer funktionierenden Selbstverwaltung gerecht zu werden. Es ist also ein Appell an die Selbstverwaltung.

Das war die Position, die ich für meine Fraktion auch im März vertreten habe. Das können Sie nachlesen. Und diese Position wird heute bundesweit geteilt.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Im Berliner „Dienst für Gesellschaftspolitik“ trägt beispielsweise ein Artikel in der aktuellen Nummer den Titel „Schwesig sägt an einem der Grundpfeiler der Gemeinsamen Selbstverwaltung“. Darin heißt es, ich zitiere: „Wenn … Politiker mit dem Rücken zur Wand stehen, passiert Ungewöhnliches. Der normale, traditionelle Weg der Gemeinsamen Selbstverwaltung wäre es nach dem 4. Juni 2012 gewesen, daß die Pflegeverbände den Schiedsspruch beklagt hätten. Bis zum Urteil hätten die beteiligten Kassen … die eingesparten Gelder getrennt ausweisen und gegebenenfalls nach einem für sie negativen Spruch der Greifswalder Sozialrichter an die Pflegedienste auszahlen müssen. … Wenn nicht die junge, unerfahrene, ehrgeizige, beratungsresistente“

(Julian Barlen, SPD: Frau Stramm!)

„wie hilflose … Gesundheitsministerin … gewesen wäre.“

(allgemeine Unruhe und Heiterkeit)

„Allein die Tatsache, daß sie sich unmißverständlich auf die Seite der Pflegeverbände schlug, dürfte der erste größere Fehler gewesen sein. Schwesig denaturierte zur ,Parteienvertreterinʻ.“

(allgemeine Unruhe und Heiterkeit)

„Damit griff die Frau aus der SPD-Bundesspitze in die gewachsenen Rechte der Gemeinsamen Selbstverwaltung ein. … Da sie sich selbst auf eine Seite geschlagen hatte, mußten alle Bemühungen scheitern, die Streithähne zum Einlenken zu bewegen.“ So weit das Zitat.

Das ist eine Einschätzung eines allgemein anerkannten,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, das gibts. Ja.)

ja, man kann sagen, des Fachinformationsdienstes für das deutsche Gesundheitswesen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ist das auch Ihre Meinung?)

Ich enthalte mich jeden Kommentares.

(allgemeine Unruhe – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber Sie zitieren es. Aber Sie zitieren es. Das ist aber heuchlerisch. – Heinz Müller, SPD: Wir bewundern Ihren Mut, Frau Stramm.)

Noch einige Bemerkungen zu den Äußerungen in der Aktuellen Stunde,

(Glocke der Vizepräsidentin)

in der Aktuellen Stunde.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

Sowohl die Frau Ministerin

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)