Protokoll der Sitzung vom 31.08.2012

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen und ich eröffne die Aussprache.

Das Wort für die Regierung hat der Innenminister Herr Caffier.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich sehe für den Antrag der Fraktion DIE LINKE und die gestellten Forderungen keinen Bedarf, weil die Forderungen, die sie hier aufgemacht hat, zu großen Teilen schon geregelt sind und weil wir als Innenminister der Länder A- und B-seitig gemeinsam mit dem Bund auch ein gemeinsames Verfahren haben, wie wir weiter mit den Syrienflüchtlingen umgehen.

Natürlich wollen wir die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien in unserem Land, die sie vor den Gefahren des Bürgerkrieges in ihrem Land schützt. Dazu ist ein Antrag, glaube ich, nicht notwendig, weil er in den demokratischen Fraktionen unstrittig ist. Aufgrund des geltenden Abschiebestopps nach Paragraf 60a Absatz 1 Aufnahmegesetz sind die Flüchtlinge bereits geschützt.

Eine aktuelle Auswertung des Ausländerzentralregisters hat ergeben, dass sich am 31. Juli 2012 insgesamt 300 Staatsangehörige der Arabischen Republik Syrien in Mecklenburg-Vorpommern aufhielten. Lediglich 23 Syrier, denen aus den unterschiedlichen Gründen kein Aufenthaltstitel gewährt werden konnte, sind aktuell grundsätzlich ausreisepflichtig, aber auch für sie gilt der Abschiebestopp. Alle anderen verfügen über Aufenthaltsgestattungen oder sind Inhaber von befristeten Aufenthalts- oder unbefristeten Niederlassungserlaubnissen. Allein in MecklenburgVorpommern sind somit bereits über 90 Prozent der sich aktuell in unserem Land aufhaltenden Syrier im Besitz eines Aufenthaltstitels und verfügen bereits über eine Bleibeperspektive. Für die 23 vollziehbar Ausreisepflichtigen, von denen bereits 13 im Besitz einer Duldung sind, hat der in Mecklenburg-Vorpommern geltende Abschiebestopp unmittelbar zur Folge, dass die Abschiebung ausgesetzt ist. Somit ist eine Rückführung in das gegenwärtige Krisengebiet ausgeschlossen.

Hervorzuheben ist auch, dass im ersten Halbjahr 2012 in Mecklenburg-Vorpommern alle Asylanträge syrischer Staatsangehöriger positiv beschieden wurden und ihnen die Flüchtlingseigenschaft beziehungsweise subsidiärer Schutz zuerkannt wurden. Eine gruppenbezogene Bleiberechtsregelung ist deshalb auch unter diesem Aspekt nicht geboten.

Zur Frage der finanziellen Unterstützung der Studenten ist Ihr Antrag auch in der Form nicht notwendig, denn hier gibt es schon eine Lösung. Die Vorschriften des SGB XII bieten ausreichende Möglichkeiten für eine flexible Hilfeleistung. So hat das Sozialamt der Hansestadt Rostock das Ministerium für Inneres und Sport am 2. August darüber unterrichtet, dass es aufgrund des Bürgerkrieges in Syrien Probleme mit der Überweisung der Geldbeträge an syrische Studenten gibt. Daraufhin habe ich die Bereitschaft erklärt, unterstützend zur Seite zu stehen. Konkrete Bedarfe wurden aber bislang nicht angemeldet, da die Rostocker Behörden bereits selbst Hilfen organisiert haben.

Sofern Hilfen zum Lebensunterhalt notwendig sind, werden diese nach Auskunft des Sozialamtes der Hansestadt Rostock zunächst in Form eines Darlehens nach Paragraf 38 SGB XII gewährt. Diese Lösung ist am besten geeignet, um kurzfristig zu helfen. Sie sichert den Lebensunterhalt der Betroffenen und eröffnet zugleich die Möglichkeit zur Rückzahlung dieser Leistungen, wenn dies einmal aufgrund einer Änderung der Verhältnisse im Rahmen von Arbeitsleistungen entweder in MecklenburgVorpommern, in Deutschland oder in Syrien möglich sein wird. Also insofern ist hier eine Lösung getroffen.

Was den geforderten Abschiebestopp angeht, ist noch mal klar zu sagen: Es finden derzeit keine Abschiebungen statt. Ich habe bereits am 23. Februar 2012 aufgrund der verschärften Lage in Syrien aus völkerrechtlichen und humanitären Gründen die Aussetzung der Abschiebung von Ausländern aus Syrien auf der Grundlage von Paragraf 60a Absatz 1 Aufenthaltsgesetz für einen Zeitraum von sechs Monaten verfügt.

Darüber hinaus hat die Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder einen solchen Abschiebestopp mit Umlaufbeschluss vom 26. März 2012 einstimmig beschlossen. Alle Bundesländer haben diesen Beschluss umgesetzt. Aufgrund der äußerst dramatischen Lage in Syrien und der daraus folgenden völkerrechtlichen und

humanitären Situation syrischer Staatsangehöriger bereitet die Innenministerkonferenz zurzeit eine Verlängerung dieser Regelung um weitere sechs Monate vor. Gerade gestern habe ich den Bundesinnenminister um seine Zustimmung zu dieser Verlängerung für die Länder der Bundesrepublik Deutschland im Auftrag als IMK

Vorsitzender gebeten und ihn schriftlich aufgefordert, uns die Freigabe für die nächsten sechs Monate zu geben.

Somit sind wir in der Frage d’accord und die Regelungen sind, glaube ich, auch eindeutig, sodass wir uns sehr wohl der Sorgen und Nöte annehmen. Ansonsten gab es auf der Innenministerkonferenz diese Woche die Verständigung, dass die Koordinierung für die Länder in allen Fragen über das Bundesinnenministerium übernommen wird, aber die Bundesländer grundsätzlich auch die Bereitschaft signalisieren, wenn sich Situationen verschärfen, auf diese Situation geschlossen als Länder zu reagieren. Ich glaube, das ist das richtige Signal. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Tegtmeier von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zurzeit werden wir wieder einmal, muss man schon sagen, Zeugen einer humanitären Katastrophe, die bislang fast schon 25.000 Todesopfer gefordert hat. Über ein Zehntel des syrischen Volkes ist direkt vom Bürgerkrieg betroffen. 230.000 Menschen befinden sich bereits auf der Flucht außerhalb der Landesgrenzen. 2,5 Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das sind Zahlen, die nur erschüttern können.

Wir alle erleben jeden Tag das Gezerre, auch auf Bundesebene, über humanitäre Leistungen. Wir erfahren darüber, dass die Anrainerstaaten Syriens ihre Aufnahmekapazitäten an Flüchtlingen erschöpft haben, dass teilweise Grenzen geschlossen werden. Zuletzt, ich glaube, es war gestern, hat der türkische Ministerpräsident eine Schutzzone gefordert. Bundespolitiker, auch der SPD, haben das ihrerseits aus Deutschland heraus auch schon gefordert. Das ist von der Bundesregierung aber, ich meine, sogar aus relativ nachvollziehbaren Gründen, bis jetzt immer sehr kritisch beurteilt worden, weil eine Schutzzone muss man ja schützen, muss man auch mit Gewalt schützen, und da stoßen wir aus europäischer Sicht schon wieder an unsere Grenzen.

Zu Ihrem Antrag: Der Antrag spricht natürlich erst mal ein sehr großes Misstrauen über das aus, was Deutschland in humanitären Flüchtlingsfragen tut oder auch tut, und das mag sicherlich auch von persönlichen Erfahrungen geprägt sein. Der Innenminister hat eben erläutert, dass seiner Meinung nach alle drei Punkte Ihres Antrages überflüssig sind, weil sie erfüllt sind. Als Mitglied einer hervorragend funktionierenden Koalition

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

glaube ich ihm das.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir teilen seine Meinung nicht, Frau Tegtmeier. Wenn Sie so gutgläubig sind, ist das Ihre Sache. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Herr Ritter, was die Gläubigkeit angeht, das ist ja noch mal ein anderes Thema. Aber was die Arbeit in einer Fraktion angeht oder einer Koalition angeht vielmehr, damit kennen Sie sich ja noch aus

(Peter Ritter, DIE LINKE: Eben, deswegen.)

und ich denke mal, ohne Vertrauensbasis kommt man da kein Stück weiter.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Eben, deswegen. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Und ich kann für die regierungstragende Koalition sagen, dass jedenfalls der Teil, der die SPD ausmacht, ohne diese Aussagen des Innenministers hier sicherlich andere Überlegungen treffen müsste, als wir das getan haben, weil wir diese humanitären Maßnahmen und den Abschiebestopp natürlich voll unterstützen und es auch voll unterstützen, dass die Menschen hier in Sicherheit leben, bis sie wieder in ihre Heimat zurückkehren können. Das ist vollkommen selbstverständlich und das ist auch unser eigenes Verständnis von humanitärer Flüchtlingspolitik, die wir hier im Land verfolgen.

Ich möchte aber trotz alledem noch einmal auf Ihren zweiten Punkt des Antrages eingehen, die finanzielle Not der syrischen Studentinnen und Studenten. Wir haben ja jetzt schon einiges gehört, was Hilfsmaßnahmen für diesen betroffenen Personenkreis angeht. Da kommt aber noch ein Weiteres hinzu, und das betrifft nicht nur syrische Studentinnen und Studenten, das betrifft alle Studentinnen und Studenten fremder Herkunft oder ausländischer Herkunft, die unverschuldet in Not geraten. Das ist ja nicht erst seit heute oder seit gestern oder seit dieser Situation so, dass das passieren kann, sondern das ist eine Situation, die konnte auch früher schon eintreten.

Wir haben bereits seit 2008 eine Richtlinie im Land, die genau für diese Klientel praktisch ein Schutznetz darstellt. Das ist die Richtlinie zur Förderung von ausländischen Studierenden an den Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 7. November 2008, die genau für diese Fälle ein bestimmtes Budget vorsieht. Wir haben zum einen festgestellt, dass diese Richtlinie allgemein bekannt ist, auch an den Hochschulen natürlich bekannt ist, und dass diese Richtlinie in Anspruch genommen wird.

Wir müssen natürlich aufgrund dieser derzeitigen Situation sehen, dass wir mit den eingestellten Mitteln an unsere Grenzen stoßen, und ich weiß, das hat mir der Bildungsminister eben noch mal bestätigt, dass man schon zusieht, wie man diese Mittel aufstocken kann, damit wir auch hier den Anforderungen gerecht werden.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, die Sorge und das Mitgefühl für die Flüchtlinge dieser Welt finden auch bei uns die ständige Anteilnahme, da können Sie sicher sein. Jedoch denke ich mal, dass wir, gerade was die syrischen Flüchtlinge angeht, vor diesem schwierigen Hintergrund hier alle an einem Strang ziehen, dass das tatsächlich so ist. Und ich denke, dass wir innerhalb Deutschlands und innerhalb Europas da noch ein Stück weitermüssen, aber auch ein Stück weiterkommen, denn wir wissen ja alle ganz genau, dass jede Zeit der Überlegung und jede Zeit des

Verzögerns auch heißt, dass wir mehr Tote zu beklagen haben. In diesem Sinne hoffe ich wirklich, dass wir da noch ein Stück über Ihre Forderungen hinaus, die erfüllt werden, weiterkommen im Sinne der syrischen Menschen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Saalfeld von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst möchte ich der Fraktion DIE LINKE danken, dass sie diesen Antrag zu diesem aktuellen humanitären Problem vor unserer Haustür gestellt hat. Ich begrüße auch, dass das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern am 23. Februar 2012 zumindest einen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Syrien verfügte, zumal diese Anordnung nach Angaben des Innenministeriums nunmehr verlängert wurde. Der Abschiebestopp bewirkt aber nur, dass an sich ausreisepflichtige Ausländer über einen befristeten Zeitraum geduldet werden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Bei der Duldung handelt es nicht um einen gesicherten Aufenthaltstitel,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Und das ist das Problem. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

sondern lediglich um eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung. Sie wird meist sogar nur für drei bis sechs Monate erteilt.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau. Die Abschiebung droht weiterhin. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Angesichts der derzeitigen Sicherheitslage in Syrien halte ich es für notwendig, dass Flüchtlinge aus Syrien eine dauerhafte Perspektive über einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel erhalten.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, innerhalb eines halben Jahres wird sich die Situation in Syrien kaum verändert haben, sodass die Menschen, die hier heute nur geduldet werden, in einem halben Jahr immer noch hier sein werden und immer noch in einem unsicheren Aufenthaltsstatus leben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Diese Menschen können ihre Zukunft nur gestalten, wenn sie eine gesicherte Perspektive erhalten. Deshalb unterstützen wir die Forderung der LINKEN nach einem humanitären Bleiberecht für alle syrischen Flüchtlinge.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das zweite inhaltliche Anliegen des vorliegenden Antrages unterstützen wir GRÜNEN voll und ganz. An der Universität Rostock gibt es eine ganze Reihe syrische Studierende, die ursprünglich Stipendien aus Syrien erhielten. Dieses Geld fließt jedoch nicht mehr, wir hatten es heute schon gehört. Die Studierenden wissen nun schlicht nicht, wovon sie leben sollen. Selbst bei der Richtlinie weiß man nicht, ob das Geld ausreicht.

(Udo Pastörs, NPD: Geben Sie doch was dazu, dann reichts vielleicht.)

Einen Anspruch auf BAföG haben nur Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis, mit der sie voraussichtlich auf Dauer in Deutschland bleiben werden, die haben sie aber nicht.

(Stefan Köster, NPD: Brauchen die ja auch nicht.)

Ausländische Studierende haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Sozialhilfe nach Paragraf 2 Asylbewerberleistungsgesetz in Verbindung mit Paragraf 22 Sozialgesetzbuch XII. Studierende haben auch keinen Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende, also keinen Anspruch auf Hartz IV. Arbeiten dürfen die syrischen Studierenden auch nicht, weil sie sich ja zum Zweck des Studiums in Deutschland aufhalten.

Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Wie sollen sich diese Menschen eigentlich dann selbst finanzieren? Welche Chancen gibt ihnen unser Staat überhaupt noch?