Protokoll der Sitzung vom 27.09.2012

Ein ehrlicher Kassensturz sieht anders aus. Ob an dieser gestörten Wahrnehmung die vom Ministerpräsidenten erneut in Auftrag gegebene Telefonumfrage mit 1.000 Be- fragten etwas ändert, ist offen. Die über 100.000 Stimmen der drei Volksinitiativen sprechen jedenfalls eine deutlich andere Sprache.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Marc Reinhardt, CDU: Die müssen für alles herhalten. – Peter Ritter, DIE LINKE: In Vorpommern.)

Meine Damen und Herren! Herr Innen- und Kommunalminister! Peinliches Eigenlob einer Landesregierung ist eigentlich nur noch zu überbieten durch lebensfremde Ministerschelte gegenüber einer kommunalen Ebene. Das ist Ihnen allerdings gelungen und gehört damit auch zu Ihrer Bilanz.

(Torsten Renz, CDU: Sie dürfen die Skala nicht zum Abschluss bringen. Da kann ja noch etwas kommen.)

Sie allein müssen aber letztlich wissen, was genau Sie gesagt und wen konkret Sie gemeint haben. Aber, Herr Minister, eine Reform, welche die Kommunen zunehmend handlungsunfähig macht, eine Reform, die nicht zu Fusionsrenditen, sondern zu Schuldenfallen führt,

(Harry Glawe, CDU: Wie bitte?)

eine Reform, die offenbar nicht richtig vorbereitet war, so, wie es auch Frau Landrätin Hesse sieht,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nicht nur die.)

eine Reform, nach deren Verabschiedung sich die Regierung in eine Zuschauerrolle begibt, die Verantwortung für eine derartige Reform den Kreisverwaltungen in die Schuhe zu schieben, ist unredlich.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Eine Entschuldigung, wie von mehreren Personalräten gefordert, könnte helfen, zerschlagenes Porzellan zu kitten.

Herr Innenminister, es ist die Frage aufgetaucht, wer Ihnen eigentlich ein derartiges Bild von den Kreisverwaltungen vermittelt hat. Sie planen, über die kommenden drei Jahre alle 440 Kreistagsmitglieder und 400 Stadtvertreter in den sechs großen Städten zu den Reformauswirkungen zu befragen. Ich empfehle Ihnen hier und heute: Befragen Sie auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen! Das bewahrt mitunter vor Fehleinschätzungen.

Meine Damen und Herren, wenn ich das Gros meiner Rede bisher nicht dem Thema Zukunftsvertrag widmen konnte,

(Heinz Müller, SPD: Und Ihrem Antrag.)

spricht auch dies für die Situation in unserem Lande.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die Kommunalschelte war schon richtig.)

Nicht die Kommunen und auch nicht die Landtagsopposition, sondern die Koalition hat einen solchen Vertrag angekündigt, allerdings bereits vor fast einem Jahr. Inzwischen ist offensichtlich, dass Ziffer 326 der Koalitionsvereinbarung, sprich Zukunftsvertrag, ziemlich hilflos, planlos und plakativ heruntergeschrieben wurde.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich meine Hinweise in drei Anmerkungen zusammenfassen: Der aktuelle Stand ist völlig unzureichend. Beide Kommunalverbände haben das Projekt Zukunftsvertrag prinzipiell begrüßt, beide Verbände bedauern aber, dass der Diskussionsprozess ins Stocken geraten sei beziehungsweise der Plan für einen solchen Vertrag inzwischen bereits Rost angesetzt hat.

(Harry Glawe, CDU: Was? – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Herr Innenminister, wenn inzwischen vereinbart wurde, analog zur IMA Verwaltungsmodernisierung eine Lenkungsgruppe für einen Zukunftsvertrag zu gründen, dann ist das gut. Es geschieht aber sehr spät. Und wenn hierbei die künftige Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen im Zentrum stehen soll, dann ist das richtig, darf aber nicht isoliert geschehen.

Meine Damen und Herren, eine weitere Anmerkung: Neben Aussagen zur zukünftigen Aufgabenstruktur muss ein Zukunftsvertrag notwendigerweise aber auch Zielstellungen zu Kommunalfinanzen und Kommunalstrukturen definieren. Das erwarten beide Kommunalverbände.

(Heinz Müller, SPD: Ich würde gern mal Ihre Vorstellungen zu den Kommunalstrukturen hören, Frau Rösler.)

Zu Recht, wie ich meine. In der Unterrichtung durch die Landesregierung „Stabilitätsbericht Mecklenburg-Vor-

pommern 2012“ findet sich auf Seite 12

(Marc Reinhardt, CDU: Da wird eher der Papst evangelisch, bevor du die hörst.)

unter anderem folgende Feststellung: „Der Stabilitäts- bericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern für 2012 weist in allen Kennziffern aus, dass sich das Land gegenwärtig … in einer gesicherten haushaltspolitischen Situation befindet.“

(Dietmar Eifler, CDU: Das ist doch gut so. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Meine Damen und Herren, von einer derartigen Situation ist die kommunale Ebene meilenweit entfernt. Und deshalb wird ein Zukunftsvertrag sich hierzu positionieren müssen, genauso wie zur Problematik zukunftsfähige Gemeinde- und Ämterstrukturen.

Herr Innenminister, wenn Sie bei Ihrer Ämterbereisung das bisherige Reisetempo beibehalten, also zwei Ämter pro Jahr, dann besuchen Sie bis 2016 rund zehn Ämter.

(Minister Lorenz Caffier: Wenn Blödheit quietschen würde, dann würde... – Zuruf aus dem Plenum: He, he, he!)

Entschuldigen Sie, aber das sind dann gerade mal zwölf Prozent. Etwas anderes ist mir aber noch wichtiger.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wenn Sie Bemerkungen haben, Herr Minister, kommen Sie runter, dann ist hier alles möglich, aber nicht von da oben.)

Wenn Ihnen etwa...

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist genau die Arroganz, die draußen ankommt.)

Etwas anderes ist mir aber noch wichtiger: Wenn Ihnen etwa in Altentreptow mit auf den Weg gegeben wird, dass die Kommunen für die Diskussionen vor Ort ein Papier als Grundlage vermissen, woran man arbeiten könne,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Frechheit!)

dann ist auch dies nach einem Jahr etwas beschämend. Und das Bild der sogenannten Reformbremser erscheint in einem ganz anderen Licht.

Meine Damen und Herren, die dritte und abschließende Bemerkung gilt dem weiteren Verfahren. Es dürfte unstrittig sein, dass ein Zukunftsvertrag, der diesen Namen verdient, Festlegungen enthält, die über die laufende Wahlperiode des Landtages hinausreichen. Und dafür dürfte es nicht ausreichen, den Landtag lediglich in Gestalt der beiden koalitionsparlamentarischen Geschäftsführer zu beteiligen, auch wenn deren Fachkompetenz außer Frage steht. Hier muss eine breite Legitimation angestrebt werden. Hier darf die gegenwärtige Landes

regierung nicht alleingelassen werden. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Holter, DIE LINKE: Skandalminister! Schämen sollte er sich!)

Also, Herr Minister, ich möchte Ihre Bemerkung von hier oben zurückweisen. Die Fraktion DIE LINKE hat eine Auszeit gefordert und damit den Ältestenrat einberufen,

(Michael Andrejewski, NPD: Ich fand die Bemerkung ganz lustig.)

mit sofortiger Wirkung.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Skandal erster Ordnung. Missachtung einer Abgeordneten!)

Wir werden in 15 Minuten die Beratungen fortsetzen, das heißt also, fünf vor vier treffen wir uns alle wieder.

Unterbrechung 15.41 Uhr

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Wiederbeginn: 15.58 Uhr

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wir setzen unsere unterbrochene Sitzung fort.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Inneres und Sport Herr Caffier.