Protokoll der Sitzung vom 24.10.2012

3,67 Euro in einigen Bereichen der Floristikbranche, 3,67 Euro wohlgemerkt, bis hin, also ich habe mir jetzt nur die unter 8,50 Euro angeguckt, bis hin für Menschen, die eine dreijährige Berufsausbildung im Gartenbau- verband oder im Gartenbaubetrieb hinter sich haben, 8,06 Euro. Aber das Schärfste daran ist, sogar erforderlich für eine Lohnuntergrenze ist es bei Berufen, die hohe Qualifikationen erfordern, zum Beispiel beim Augenoptikerhandwerk. In den unteren Berufsgruppen gibt es einen Mindestlohn von 6,77 Euro und bei den Architekten und Ingenieuren im Büro freiberuflicher Träger, bei Menschen, die noch nicht volljährig sind, also ganz frisch Ausgebildete müssen das ja sein, einen Mindestlohn von 5,12 Euro.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Also das ist, denke ich mal, doch eine ziemlich verheerende Aussage. Und so zieht sich das durch ganz viele Berufe durch.

(Udo Pastörs, NPD: Ist leider noch nicht bei den Abgeordneten angekommen.)

Und wie gesagt, besonders betroffen kann einen hierbei eigentlich die Aussage machen, dass teilweise Berufe dabei sind, die eine sehr hohe Qualifikation und eine lange Ausbildungszeit erfordern.

Die Volksinitiative nun verlangt, dass MecklenburgVorpommern sich beim Bund für die Einführung eines bundesweit einheitlichen Mindestlohnes von 10 Euro einsetzt und darüber hinausgehend natürlich, ich hatte es vorhin schon mal gesagt, für die vergaberechtlichen Regelungen hier im Land die Konsequenzen zieht.

Es wurde auch schon mehrmals angesprochen, dass die Bedeutung des Mindestlohnes nicht allein durch seinen absoluten Wert bestimmt wird, sondern durch seine Stellung im jeweils nationalen Lohngefüge. Und wenn ich an die Unterschiede in Frankreich und Malta immer noch mal erinnern darf, erklärt sich das eigentlich auch von selbst.

Letzteres kann durch den sogenannten Kaitz-Index, der auch immer wieder gern angeführt wird, bestimmt werden, der den relativen Wert des gesetzlichen Mindestlohnes zum Ausdruck bringt und statistisch als Prozentsatz des Mindestlohnes vom jeweils nationalen Durchschnitts- oder Medianlohn gemessen wird. Während der Durchschnittslohn durch das arithmetische Mittel aller Löhne bestimmt wird, ist der Medianlohn der mittlere Lohn, bei dem die Hälfte der Beschäftigten mehr und die andere Hälfte weniger verdient. Ich wollte das hier nur noch mal klar aussagen, weil viele Zuhörer sicherlich mit dem Wort Kaitz-Index erst mal so nichts anzufangen wissen.

Im Jahr 2009 zeigte der relative Wert des Mindestlohns bezogen auf den Medianlohn eine große Schwankungsbreite. Von den insgesamt 23 Ländern, für die entsprechende Daten vorlagen zu dem Zeitpunkt, bewegte sich der Mindestlohn in einer Mehrheit von 13 Staaten zwischen 40 und 50 Prozent des Medianlohns. Unterhalb dieses Niveaus befanden sich mit den USA, Japan und Tschechien 3 Staaten, deren relativer Mindestlohnwert zwischen 36 und 37 Prozent lag. 6 Staaten hingegen hatten ein deutlich höheres Mindestlohnniveau, das sich zwischen knapp 51 in Belgien und 60 Prozent in Frankreich als europäischer Spitzenreiter bewegte. Noch mal

einen Ausschlag nach oben machte die Türkei in diesem Zusammenhang, aber die Türkei hat eine Sonderstellung in ihrem nationalen Lohngefüge, sodass man sie hier schlecht als Vergleich mit einbeziehen kann.

Aber bleiben wir mal in Deutschland. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat uns in seiner Stellungnahme zur Volksinitiative eine Grafik vorgelegt, die das Verhältnis eines Mindestlohnes von 10 Euro zum Medianlohn im Jahr 2010 in den Regionen Deutschlands abbildet, und da zeigt sich ein Bild, das uns sehr zu denken geben sollte. In Gesamtdeutschland wird das einen Index von 60 ausmachen. In den östlichen Bundesländern ist der Wert natürlich steigend, das Lohngefüge ist niedriger, sodass der Index hier in die Höhe schnellt und liegt bei einem Spitzenwert für Mecklenburg-Vor- pommern bei 88, während er im Vergleich zum Beispiel in Hamburg bei 53 liegt. Und das hat eine besondere Bedeutung, vor allen Dingen vor dem Hintergrund der Ausführungen von Herrn Foerster, der hier nur positive Beschäftigungseffekte sah und abstritt, dass negative Beschäftigungseffekte aufgrund von der Einführung von Mindestlöhnen zu erwarten seien. Er stritt ab, dass es überhaupt eintreten könnte, weil Studien das angeblich nicht aussagen würden.

Ich habe mich nicht nur mit den Materialien, die wir im Sozialausschuss vorliegen hatten, beschäftigt, ich habe mir weitere Studien angeschaut und weitere Berichte, das ist ja heutzutage alles bequem abrufbar. Also ich bin da zu sehr unterschiedlichen Aussagen gekommen, aber zu so eindeutigen positiven Aussagen, wie Sie uns die hier verkauft haben, bin ich in der Regel nicht gekommen. Die Einführung von Mindestlöhnen hat komplexe Auswirkungen.

Zunächst einmal ist es natürlich für denjenigen, der davon partizipiert, positiv zu bewerten. Man hat mehr Geld in der Tasche, was natürlich die Kaufkraft erhöht. Für Beschäftigungen, die gut bezahlt werden, steigt natürlich auch die Nachfrage, und wenn wir immer von Fachkräftemangel und zukünftig offenen Stellen, die wir nicht besetzen können, sprechen, hat das natürlich erst einmal den Charme, die Attraktivität hier zu steigern.

Jedoch negativ können die Effekte durchaus sein, wenn bei der Höhe des Mindestlohnes überzogen wird. Auch das geht teilweise aus den Stellungnahmen hier hervor. Beim AWI war das eine klare Aussage eigentlich, obwohl man sich da auf eine Studie bezog, die schon etwas zurückliegend war, jedoch durch andere Forschungsergebnisse ist das teilweise auch wieder gestützt worden. Derzeit sind in elf Branchen Mindestlöhne über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz in Deutschland sowieso schon in Kraft, aber wir haben schon der Reihe nach hier und da Mindestlöhne eingezogen. Es handelt sich hierbei um das Baugewerbe, das Dachdeckerhandwerk, die Abfallwirtschaft, die Wäschereidienstleistungen, die Gebäudereinigung, die Pflegebranche, das Maler- und Lackiererhandwerk, das Elektrohandwerk, Bergbau, Spezialarbeiten, Sicherungsdienstleistungen und Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem SGB II und III. Die Mindestlöhne in diesen Bereichen sind nicht hoch angesiedelt, sie bewegen sich beginnend bei 7 Euro, jedoch kann man die schlecht vergleichen. Aber eins haben sie doch alle gemein: Sie sind im Westen und im Osten unterschiedlich hoch. Also in jedem bereits festgelegten Mindestlohn ist ein Unterschied nach Regionen gemacht worden.

Frau Tegtmeier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Foerster?

Nein, heute nicht.

(allgemeine Heiterkeit – Udo Pastörs, NPD: Morgen.)

Professor Dr. Claus Schnabel mit einem Lehrstuhl an der Uni Erlangen verwendet in seinen Vorlesungen Erkenntnisse aus einer Untersuchung, die angefertigt wurde, kurz bevor der DGB seine 2006 aufgestellte Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn von 7,50 Euro auf 8,50 Euro erhöht hatte, und so bezog sich diese Ausarbeitung noch auf einen geforderten Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro. Zunächst einmal wird jetzt festgestellt, dass die Einführung eines allgemein festgestellten Mindestlohnes im politischen Prozess bestimmt werden kann, was jedoch schnell zu einer Gefahr der überhöhten Festsetzung mit nach sich ziehenden Beschäftigungsverlusten führen könne.

Eine weitere Möglichkeit wäre die Übertragung der Bestimmung eines allgemeinen Mindestlohnes auf eine unabhängige Expertenkommission. Das gibt es ja zum Beispiel in Großbritannien. Diese gibt jährlich auf Grundlage detaillierter empirischer Studien Empfehlungen für Mindestlöhne. Man kann auf Mindestlöhne ganz verzichten, da bereits Alternativen bestehen, also sittenwidrige Löhne sind in Deutschland verboten.

(Udo Pastörs, NPD: Guck mal an!)

„Durch ALG II besteht Mindesteinkommenssicherung mit Aufstockung geringer …“

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Ich zitiere aus den Unterlagen,

(Torsten Renz, CDU: Nicht nachlassen jetzt.)

die Professor Dr. Claus Schnabel für seine Masterstudiengänge verwendet, sehr geehrte Damen und Herren, und der gute Professor hat seinen Lehrstuhl an der Uni Erlangen, also denke ich mal, dass es auch Hand und Fuß hat, was Professor Dr. Schnabel seinen Masterklassen hier lehrt.

Mit diesen Beispielen, die ich eben angeführt hatte, hat er die Möglichkeiten, die man hat, dargelegt, um dann zu dem Vorschlag des DGB Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde zu kommen. Er sagt, das entspricht circa 45 Prozent des Durchschnittslohnes in Westdeutschland und 60 Prozent des Durchschnittslohnes in Ostdeutschland und es betrifft insgesamt rund 3,7 Millionen Arbeitsplätze, die bislang geringer entlohnt sind, circa 11 Prozent der Arbeitsplätze in Westdeutschland und 21 Prozent der Arbeitsplätze in Ostdeutschland. Vor allem betroffen wären geringfügig Beschäftigte, erwerbstätige Rentner und Schüler, aber nur 7 Prozent der Vollzeitbeschäftigten.

Simulierte Effekte der Einführung eines Mindestlohnes von 7,50 Euro variieren deutlich. So geht der DEW davon aus, dass ein Beschäftigungsverlust für 70.000 bis 260.000 Personen entsteht, vor allem gering qualifizierte und geringfügig Beschäftigte betroffen sind. Das

RWI prognostiziert Beschäftigungsverluste für circa

860.000 Vollzeitäquivalente sowie den Anstieg der Staatsausgaben – also genau das Gegenteil von dem, was Sie sagen – um circa 12 Milliarden unter anderem oder vor allen Dingen für Arbeitslose. Und das ifo prognostiziert einen Beschäftigungsverlust von 1,1 Millionen Personen.

So kommt Professor Dr. Claus Schnabel letztendlich zu der Erkenntnis, dass die Einführung von Mindestlöhnen unter bestimmten Umständen effizienzsteigernd sei, in anderen jedoch Beschäftigung kosten, und letztendlich hält er das Ganze für problematisch und rät auch zu Augenmaß in dieser Angelegenheit. Und diese Untersuchung, dieses Material hat als Ausgangsbasis einen Mindestarbeitslohn von 7,50 Euro.

Und nun komme ich noch mal auf den Kaitz-Index für Mecklenburg-Vorpommern zurück. Ich erinnere: Spitzenreiter in Europa ist Frankreich und hat beim Mindestlohn einen Index von 60. Herr Renz hat vorhin Bezug genommen auf Herrn Klaus Bartsch, der ja Mitverfechter dieser 10 Euro ist. Sie haben schon viele Wahrheiten in dem Zusammenhang gesagt.

Eins habe ich auch ganz deutlich behalten, was er gesagt hat, und da brauche ich auch gar nicht in die Unterlagen zu gucken, er hat nämlich gesagt: An einem bestimmten Punkt angekommen kann das Ganze umkippen

(Henning Foerster, DIE LINKE: Aber nicht bei 10 Euro.)

und genau die gegenteiligen Effekte haben, und da sehe ich eben für Mecklenburg-Vorpommern ein ganz großes Problem, weil der Unterschied zwischen einem Mindestlohn von 10 Euro und den real gezahlten Löhnen in Mecklenburg-Vorpommern derart groß ist, dass man das Argument, dass negative Beschäftigungseffekte, nämlich Arbeitsplatzverluste eintreten, überhaupt nicht von der Hand weisen kann, dass sie sogar logisch sehr naheliegend sind. Und ich glaube nicht nur, dass es vor allen Dingen bei uns auch geringqualifizierte und jugendliche Einsteiger betrifft, das ist ja insgesamt die Generalaussage zu diesem Bereich, sondern ich bin sogar davon überzeugt, dass, wenn man allen Befragten bei dieser Volksinitiative, die unterschrieben haben, die Überlegung mitgegeben hätte, dass die Möglichkeit besteht, dass sie damit eventuell ihren eigenen Arbeitsplatz aufs Spiel setzen würden, dann hätten ganz, ganz viele an dieser Stelle nicht unterschrieben.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das sagt eine Sozialdemokratin über den Mindestlohn!)

Ich beende meine Ausführungen, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt. Ich weiß nicht, ob ich mich hier noch mal hinstelle mit dem Beginn meiner Ausführung. Ein flächendeckender Mindestlohn, ein gesetzlicher Mindestlohn bundesweit ist eigentlich ein Gebot der Stunde, aber bitte mit Augenmaß.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das gefährdet die Arbeitsplätze, das ist ja das Schlimme.)

Wir werden den Empfehlungen des Sozialausschusses folgen und die Volksinitiative ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Gerkan.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir Bündnisgrünen betonen erneut an dieser Stelle: Wir begrüßen die Einführung eines Mindestlohnes. Dabei priorisieren wir aber nach wie vor eine bundesweite Regelung, die Einführung eines Mindestlohngesetzes. Nur ist es mit einer schwarz-gelben Bundesregierung nicht zu machen,

(Torsten Renz, CDU: Warum haben Sie das damals nicht eingeführt? Warum haben Sie das nicht eingeführt damals?)

wie die bisherige Entwicklung verdeutlicht, Herr Renz. Insofern möchten wir auch heute …

(Torsten Renz, CDU: Warum zeigen Sie jetzt auf Schwarz-Gelb? Sie haben so viel Zeit gehabt. – Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Ach, Herr Renz, ich denke mal, Sie werden jetzt zuhören können.

Insofern möchten wir auch heute nochmals betonen, dass wir eine Volksinitiative zur Einführung eines Mindestlohnes ausdrücklich begrüßen,

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

da so das Thema des Mindestlohnes in der Öffentlichkeit, in der öffentlichen Debatte bleibt und durch eine breite Öffentlichkeit nachhaltiger Druck auf die Politik ausgeübt wird. Mit diesem Druck werden Entscheidungen folgen müssen.

Meine Damen und meine Herren, wir Bündnisgrünen setzen uns nach wie vor für die Einführung eines Mindestlohnes in Höhe von 8,50 Euro ein, weil wir überzeugt davon sind, die Höhe von 8,50 Euro ist in der Praxis von den Unternehmen, auch hier in MecklenburgVorpommern, umsetzbar, und die Unternehmen, die Handwerker, die Gewerbetreibenden, die Dienstleister in unterschiedlichen Branchen müssen wir bei einer gesetzlichen Regelung durchaus im Auge behalten.

Die Einführung einer Mindestlohnuntergrenze von 10,50 Euro hingegen ist ein viel zu großer Sprung, wenn man bedenkt,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Es geht um 10 Euro.)