Protokoll der Sitzung vom 24.10.2012

Also Ihnen fehlt in der Analyse ein entscheidender Teil und nun bieten Sie uns aufgrund einer mangelhaften, weil mit Mängeln behafteten Analyse Lösungsvorschläge an. Der erste Lösungsvorschlag ist: Diejenigen, die da ein Bürgerbegehren initiieren, die sollen von der Gemeinde beraten werden. Aha!

Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren: Wenn die Gemeinde denen, die dort eine Unterschriftensammlung initiieren wollen, sagt, Freunde, das ist unzulässig, ändert das eigentlich den rechtlichen Gehalt? Ob ich vorher, vor der Unterschriftensammlung oder nach der Unterschriftensammlung gesagt bekomme, das ist rechtlich gar nicht zulässig, das ist in der Frage der Frustration sicherlich ein Unterschied. Das gebe ich gerne zu.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist der entscheidende Punkt! Das ist der entscheidende Punkt!)

Aber die Antwort, dieses Bürgerbegehren ist rechtlich nicht zulässig,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Reicht Ihnen Frustration nicht aus als Argument?)

ist genau die gleiche, ob ich nun vor der Unterschriftensammlung oder nach der Unterschriftensammlung diese Auskunft bekomme. Das heißt, das Vorziehen der Beratung durch die Gemeinde über Zulässigkeit oder Unzu

lässigkeit wird nicht dazu führen können, dass wir mehr zulässige Bürgerbegehren haben, denn am materiellen Gehalt ändert sich ja nichts.

Das Zweite, was Sie uns vorschlagen, ist, und das haben Sie erstaunlicherweise in Ihrer Einbringungsrede gar nicht gesagt – man kann ja gerne auch mal Dinge verstecken –, dass im Gesetz steht, dass ein Bürgerbegehren und ein Bürgerentscheid nur zulässig sind, wenn es sich um eine wichtige Entscheidung handelt. Dieses Wort „wichtig“ wollen Sie streichen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Weil es zur Verwirrung führt.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin ganz entschieden dagegen, dass wir dieses Wort „wichtig“ streichen. Denn wenn wir in die Kommunalverfassung gucken, dann haben wir eine klare Aufgabenverteilung zwischen der Vertretung und der Verwaltung und die Vertretung ist für alle wichtigen Angelegenheiten zu- ständig.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wichtige Entscheidungen, nicht wichtige Angelegenheiten.)

Und deshalb bin ich sehr dafür, dass wir einen Bürgerentscheid in der Tat nur zu wichtigen Entscheidungen durchführen, weil wir damit eine Entscheidung der Vertretung ersetzen. Eine Entscheidung der Verwaltung – ich sage das jetzt mal sehr polemisch –, ob wir blaue oder grüne Bleistifte anschaffen, sollte nicht Gegenstand eines Bürgerentscheides sein,

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und wenn ich diejenigen, die so etwas initiieren, richtig verstehe, wollen sie dies auch gar nicht. Das heißt, ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie das Wort „wichtig“ streichen wollen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich erkläre es nachher noch mal.)

Als Nächstes, Herr Saalfeld – und auch das haben Sie in Ihrer Einbringung nicht gesagt, es ist ja interessant, welche Teile des eigenen Gesetzentwurfes man vorstellt und welche nicht –, Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf die Notwendigkeit, etwas über die Finanzierung der vorgesehenen Maßnahme auszusagen, aufgeweicht. Der momentane Text der Kommunalverfassung sagt, dass, wenn finanzielle Folgen beim Bürgerentscheid entstehen werden oder mit hoher Wahrscheinlichkeit entstehen werden, eine Aussage über die Finanzierung getroffen werden muss.

Wenn ich Ihren Gesetzestext angucke, dann wollen Sie von dieser Vorschrift abweichen und wollen sagen: Eine Aussage zur Finanzierung soll getroffen werden. Das heißt, Sie eröffnen die Möglichkeit, dass die Bürgerinnen und Bürger über etwas abstimmen, das finanzielle Folgen hat, und dass die Bürgerinnen und Bürger über diese finanziellen Folgen im Unklaren gelassen werden, denn sonst müssten Sie ja nicht von „muss“ auf „soll“ runter. Diese Möglichkeit wollen Sie schaffen. Sie wollen also, dass die Möglichkeit besteht, dass man ohne Kenntnis

der Folgen über etwas abstimmt. Dieses lehnen wir ganz entschieden ab.

(Marc Reinhardt, CDU: Sehr richtig.)

Wir möchten bewusste Bürgerinnen und Bürger, die sehr bewusst auch in Kenntnis der Folgen ihres Handelns eine Abstimmung treffen, und nicht im Unklaren gelassen werden: ja möglicherweise und vielleicht. Nein, das wollen wir nicht, sondern wir wollen den mündigen Bürger, der auch mündig entscheidet, und auch die mündige Bürgerin.

Der nächste Punkt,

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

der nächste Punkt ist das Thema „aufschiebende Wirkung“. Natürlich können Sie auch jetzt schon vor dem Gericht eine aufschiebende Wirkung beantragen, aber das Gericht wird Ihnen selbstverständlich nicht in allen Fällen zustimmen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wie meistens.)

So, wie Sie die Formulierung gewählt haben, entsteht eine aufschiebende Wirkung dann, wenn festgestellt ist, dass ein solches Bürgerbegehren zulässig wäre. Zulässig wäre! Damit haben Sie noch keine einzige Unterschrift gesammelt und damit haben Sie noch keinen Bürgerentscheid durchgeführt und trotzdem entfaltet …

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Zulässig ist es erst, wenn die Unterschriften da sind.)

Nein. Dann schauen Sie bitte in Ihren eigenen Text! Wenn Sie …

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist doch eine Bedingung! Das ist doch eine Bedingung!)

Herr Saalfeld, jetzt bleiben wir mal bei der Sache!

Ihr entscheidender Punkt ist doch, dass die Zulässigkeit erklärt wird, bevor die Unterschriften gesammelt werden. Und wenn das bereits aufschiebende Wirkung entfaltet, na dann, Gute Nacht, meine Damen und Herren, denn dann lasse ich feststellen, dass zu bestimmten Vorhaben, die mir nicht passen, ein Bürgerentscheid zulässig wäre, ohne dass ich bereits die entsprechenden Mehrheiten habe, und kann die Sache damit stoppen. Das kann und das darf nicht sein! Denn dann würde ich zu allem, was mir nicht passt, eine solche Frage stellen, und zu allem würde ich dann als Antwort bekommen: Na ja, theoretisch zulässig wäre ein solcher Bürgerentscheid. – Und damit stoppe ich die Sache. Völlig ausgeschlossen!

Und dann ein Weiteres: Wenn ich in der Kommunalpolitik diskutiere, dann habe ich oft ganz andere Probleme, die mir interessierte und engagierte Bürger vortragen, die Sie aber gar nicht aufgreifen. Und da frage ich mich: Warum tun Sie das eigentlich nicht?

Wir haben zum Beispiel in der Kommunalverfassung einen sogenannten – Jargonsprache – Negativkatalog

von Angelegenheiten, die einem Bürgerbegehren, einem Bürgerentscheid entzogen sind, und das sind oft gerade die spannenden Dinge.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Über die Hürde würden Sie doch auch nicht springen.)

Ich will hier nicht diesen Negativkatalog in toto für schlecht halten, aber ich halte es für sehr spannend, darüber zu diskutieren, ob denn gerade diese Kernfragen dem Bürgervotum entzogen werden. Aber dazu sagen Sie nichts aus.

Sie sagen auch nichts aus zum Thema „Notwendigkeit von zehn Prozent“.

Übrigens, Herr Saalfeld, der Bürger – Bürgerinnen und Bürger –, nicht Einwohner, wie Sie eben gesagt haben. Es ist ein gravierender Unterschied, Unterschriften von zehn Prozent der Bürgerinnen und Bürger zu sammeln. Auch dazu kommt es …

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist auch so ein Fakt, den man ändern müsste.)

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist auch so ein Fakt, den man ändern müsste.)

Zwischen Bürgern und Einwohnern zu differenzieren?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Nein, dass auch Einwohner mitbestimmen dürfen.)

Ja, Herr Ritter, das wäre eine spannende Geschichte, wenn wir so was sagen würden. Aber diese Notwendigkeit, von zehn Prozent der Bürgerinnen und Bürger eine Unterschrift einzuholen, wird hier in diesem Gesetzentwurf ja überhaupt nicht aufgegriffen.

Wenn ich das alles zusammenfasse, meine sehr verehrten Damen und Herren, und das Zustimmungsquorum von 25 auf 20 – dass Sie es in Ihrem Gesetzentwurf nicht begründen, spricht eigentlich auch Bände –, wenn ich das alles zusammenfasse, kann ich feststellen: Sie machen eine völlig unzureichende Analyse der derzeitigen Situation, weil Sie nicht analysieren, warum denn die eingereichten Bürgerbegehren als rechtlich unzulässig abgelehnt werden. Sie machen dann Scheinlösungen für dieses Problem und diese Scheinlösungen helfen uns zum Teil überhaupt nicht. Über die wahren, über die richtig spannenden Themen, da machen Sie keine Aussagen.

Ich kann Ihnen nur sagen, dieser Gesetzentwurf ist nicht wert, dass wir ihn in den Ausschüssen beraten, und wir werden ihn deshalb hier und heute ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Rösler von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird der Überwei

sung des vorliegenden Gesetzentwurfes selbstverständlich zustimmen.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Na!)

Zum einen sollte es gute demokratische Gepflogenheit sein, Gesetzentwürfe, solange sie nicht absoluten Nonsens enthalten, zur Beratung in die Fachausschüsse zu überweisen, auch solche der Opposition,