Protokoll der Sitzung vom 24.10.2012

Zum Thema: Die Demokratie auf kommunaler Ebene findet in der Tat in Mecklenburg-Vorpommern unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das Interesse an der Arbeit der Kommunalvertretung ist gleich null. Bei der vorletzten Sitzung der Anklamer Stadtvertretung gab es keinen einzigen Zuschauer, bei der letzten ganze drei. Man könnte die Stühle, die dort stehen, eigentlich verkaufen und zur Haushaltssanierung einsetzen, weil das Volk sich dafür nicht mehr interessiert.

Die Einwohnerfragestunde wird praktisch nicht mehr genutzt. Verschlimmert hat sich das noch durch die sogenannte Kreisgebietsreform. Bei den Entfernungen, die zu überwinden sind, haben immer weniger Bürger Lust, Zeit und auch die Möglichkeit,

(Udo Pastörs, NPD: Und Geld!)

sich die Kreistagssitzungen anzusehen, auch nicht die finanziellen Mittel.

Während der letzten Sitzung des Kreistages Vorpommern-Greifswald gab es gerade mal eine einzige Ein

wohneranfrage in einem Kreis von 250.000 Einwohnern – geschätzt. Das ist auch verständlich. Wenn schon die Kommunalvertreter Schwierigkeiten haben, diese Riesenentfernungen zurückzulegen, und einige schon ihre Mandate zurückgeben, weil das einfach nicht geht, was will man dann von den Bürgern erwarten? Wer fährt schon von Pasewalk nach Greifswald oder umgekehrt, um eine Einwohnerfrage zu stellen? Dann kann man dieses Institut eigentlich auch einsparen. Das ist auch nur noch eine Farce.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Natürlich kann man sich die Sitzungen im Internet ansehen, aber das kann sich nicht jeder leisten – dazu kommen wir ja noch morgen oder übermorgen – und man kann übers Internet auch keine Einwohnerfragen stellen.

Das Parteienwesen, das klassische, ödet die Leute offenbar an. Immer weniger Bürger wollen sich dort engagieren. Aber im nicht politischen Raum, bei Vereinen und Bürgerinitiativen ist noch eine Menge Leben übrig. Es liegt also nahe, den demokratischen Prozess oder die Reste, die davon noch übrig sind, durch eine Erleichterung der Bedingungen für Bürgerentscheide und Bürgerbegehren dorthin zu verlagern. Dabei sollte man sich im besonderen Maße davor hüten, Bürgerbegehren an Zulässigkeitsvoraussetzungen scheitern zu lassen. Das wird als Behördenarroganz und Besserwisserei wahrgenommen.

Mit jedem Bescheid, der in unverständlichem Bürokraten- und Paragrafenkauderwelsch abgefasst ist, wächst die Überzeugung, dass der Bürger nur als entmündigter Untertan gefragt ist. Es drängt sich sowieso der Eindruck auf, dass die Obrigkeit den Bürger vor allen Dingen in sedierter Form sehr gut findet. Die Wahlkämpfe sind die reinsten Schlaftablettenveranstaltungen.

(Udo Pastörs, NPD: Stimmvieh!)

Es wird so langweilig gestaltet, wie es nur geht, damit möglichst keiner zur Wahl geht, damit die Obrigkeit schalten und walten kann wie seinerzeit im 19. Jahrhundert. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Saalfeld von der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN.

Ja, sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Herr Minister Glawe, Sie hatten eben gerade ausgeführt, dass das Gesetz nicht geändert werden soll, weil man das Gesetz nicht so häufig ändern solle. Ich halte das für schwierig, denn wenn man ein Defizit erkannt hat, dann sollte man sich möglichst schnell auf den Weg begeben, es zu ändern.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde aber, Ihre Kritik wäre in der Hinsicht berechtigt, wenn es sich immer wieder um die gleiche Stelle im Gesetz handeln würde, die wir ändern würden, und so

täglich neue Rechtssituationen entstehen würden. Aber gerade bei den Regelungen zu den Bürgerbegehren haben wir einen Stillstand von fast 20 Jahren und ich finde es gerechtfertigt, dass wir Gesetze nicht täglich ändern an der gleichen Stelle,

(Udo Pastörs, NPD: Die Zeitachse ist kein Kriterium, etwas zu ändern.)

aber ich finde es gerechtfertigt, dass wir die Stellen ändern, wo es notwendig ist, und dort ist es notwendig.

Herr Müller, Ihr Redebeitrag hat mir wirklich am besten gefallen von allen. Das fand ich toll.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Er gibt sich ja auch große Mühe.)

Allerdings habe ich dabei auch feststellen müssen, dass Sie scheinbar noch nie selbst ein Bürgerbegehren initiiert haben beziehungsweise noch nie das Verfahren in der Praxis selbst ausgetestet haben.

Sie erklärten, dass ich nicht analysiert habe, warum zwei Drittel aller Bürgerbegehren für unzulässig erklärt werden. Darüber würde ich schweigen.

Ich kenne das aus Erfahrung, weil ich an vielen Bürgerbegehren teilgenommen habe, und mich dafür eingesetzt habe. Es sind meist – das kann ich Ihnen hier von dieser Stelle aus sagen –, es sind meist Kleinigkeiten, es sind meist Kommatafehler, es sind meist Formulierungsfehler. Und es ist so frustrierend für die Bürger, wenn sie nach all dem Engagement, nach all dem demokratischen Herzblut erfahren, dass ihre Initiative an einer Kleinigkeit scheitert. Und diese Kleinigkeiten, die wollen wir durch eine vorgezogene Zulässigkeitsprüfung von einem Teil der formalen und materiellen Bedingungen vorher klären. Und das wird in Niedersachsen – ich weise Sie noch mal darauf hin –, das wird in Niedersachsen sehr erfolgreich praktiziert. Es wäre kein Novum in Deutschland.

Sie hatten auch etwas zur Änderung des Kostendeckungsvorschlages gesagt, dass ich darüber nicht sprechen wolle. Ganz im Gegenteil, ich hatte bloß keine Zeit, will es aber deswegen hier,

(Heinz Müller, SPD: Da bin ich jetzt aber sehr gespannt.)

will es auch sozusagen hier noch anbringen.

Ja, wir wollen diese Formulierung ändern von einer Mussbestimmung in eine Sollbestimmung. Entscheidend ist aber, wer denn das Ermessen hat, darüber zu entscheiden. Und das Ermessen bleibt in der Hand der Gemeinde, ob ein Kostendeckungsvorschlag vorgelegt werden muss oder soll, das heißt, auch darauf verzichtet werden kann.

(Heinz Müller, SPD: Steht das auch in Ihrem Gesetzentwurf? Nee.)

Es ist so. Wer soll denn das entscheiden? Das ist einfach Rechtspraxis. Die Gemeindevertretung entscheidet zum Schluss über die Gesamtzulässigkeit und in diesem Rahmen kann sie dann den eröffneten Spielraum ausschöpfen. Das heißt, das Ermessen bleibt in der Hand der Gemeindevertretung. Ich habe damit überhaupt kein

Problem, denn nicht die Antragsteller entscheiden darüber, sondern die Gemeindevertretung entscheidet.

Herr Müller, Sie hatten auch erklärt, ich wolle mich darum drücken, warum wir das Wörtchen „wichtig“ streichen. Auch hierzu fehlte mir in der Einbringung einfach die Zeit. Noch mal zur Erklärung: Man hat in der Einbringung nur zehn Minuten Zeit. Das ist manchmal sehr schwierig, einen Gesetzentwurf …

(Heinz Müller, SPD: Danke für die Belehrung.)

Na, wir haben ja auch sehr viele Zuhörer.

Es ist sehr schwierig, komplexe Gesetzentwürfe in zehn Minuten einzubringen,

(Marc Reinhardt, CDU: Da muss man sich auf das Wesentliche konzentrieren.)

deswegen liefere ich das gerne hier nach.

Und bei allem Respekt, Sie haben sehr viele Gründe in Ihrem Vortrag genannt, warum wir gerade dieses Wort „wichtig“ streichen sollten. Ich werde das ausführen.

Wir wollen das Wort „wichtig“ in Paragraf 20 Absatz 1 der Kommunalverfassung streichen lassen, weil es in der Vergangenheit immer wieder zu Verwirrungen geführt hat. Das habe ich hier auch eben gerade im Landtag feststellen müssen. Bürgerbegehren sind nach aktueller Rechtslage nur dann zulässig, wenn es um, ich zitiere: „wichtige Entscheidungen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Kommune geht“.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Das führte, wie gesagt, wiederholt zu Missverständnissen. Es handelt sich nämlich nicht um die Einschränkung auf wichtige Angelegenheiten, Herr Müller, sondern um wichtige Entscheidungen in jedweder denkbaren kommunalen Angelegenheit. Das heißt, Bürgerbegehren sind bereits nach aktueller Rechtslage zu allen Angelegenheiten der Gemeinde in ihrem Wirkungskreis zulässig.

(Heinz Müller, SPD: Wenn die Entscheidung wichtig ist.)

Die Entscheidung muss wichtig sein. Das liegt aber doch, Herr Müller, im absoluten Interesse der Antragsteller. Ich stelle doch nicht ein Bürgerbegehren zur Abstimmung, wo die Entscheidung darüber überhaupt nicht zum Ziel führt, zu der Angelegenheit.

(Heinz Müller, SPD: Und deswegen wollen Sie das Wort „wichtig“ streichen?)

Nein. Es führt zu Missverständnissen. Ich werde das ganz kurz darlegen. Verwaltungen …

(Heinz Müller, SPD: Da sind wir uns ja einig, Herr Saalfeld.)

Ja, ich …

(Heinz Müller, SPD: Aber wir wollen, dass das Wort „wichtig“ drinbleibt.)

Es kommt doch! Ja, ich erkenne an Ihrer Erregung, dass Sie nicht ganz zufrieden mit Ihrer Argumentation sind.