Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

Drittens. Wir wollen auch das Zustimmungsquorum bei Bürgerentscheiden von bisher 25 Prozent moderat auf 20 Prozent senken. In Schleswig-Holstein und in Rheinland-Pfalz liegt das Zustimmungsquorum ebenfalls bei 20 Prozent.

(Heinz Müller, SPD: Und in den anderen 13 Ländern?)

Es ist also nichts Neues, nichts Revolutionäres.

Da liegt es manchmal sogar noch tiefer, Herr Müller.

(Heinz Müller, SPD: Und auch noch höher.)

Ja, aber man muss sich ja nicht immer mit den Schlechtesten messen, Herr Müller.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, wir wollen immer spitze sein.)

Viertens. Wir schlagen vor, die aufschiebende Wirkung eines erfolgreichen Bürgerbegehrens klar und deutlich zu regeln. Dieser Rechtsschutz musste in der Vergangenheit immer umständlich, aber meistens erfolgreich über eine einstweilige Verfügung per Gericht erwirkt werden. Wie gesagt, meine Damen und Herren, daher brauchen Sie keine Angst zu haben, dass durch diese aufschiebende Regelung nun alles lahmgelegt wird. Die aufschiebende Wirkung beginnt nämlich nicht nach der erfolgreichen Vorprüfung der Zulässigkeit, sondern die aufschiebende Wirkung beginnt erst nach Vorliegen und Erfüllung aller Zulässigkeitsbedingungen, also erst nach Einreichung der Unterschriften in ausreichender Anzahl. Erst dann gilt die aufschiebende Wirkung. Haben Sie keine Angst, dass jetzt alles lahmgelegt wird, bloß weil jemand einen Antrag stellt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Haben wir auch nicht.)

Fünftens. Wir wollen das Wort „wichtig“ in Paragraf 20 Absatz 1 der Kommunalverfassung streichen lassen, weil es absolut unwichtig ist und wiederholt – selbst hier im Parlament – in der Ersten Lesung zu Verwirrungen und Missverständnissen geführt hat. Bürgerbegehren sind nach aktueller Rechtslage nur dann zulässig, wenn es um wichtige Entscheidungen in Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Kommune geht. Es handelt sich also nicht um die Einschränkung auf wichtige Angelegenheiten,

(Heinz Müller, SPD: Entscheidungen.)

sondern um wichtige Entscheidungen in jedweder denkbaren unwichtigen oder wichtigen kommunalen Angelegenheit.

Verwaltungen und Gemeindevertretungen waren jedoch wiederholt der falschen Auffassung, dass Bürgerbegehren auf wichtige Angelegenheiten beschränkt seien. Nein, nein und nochmals nein! Nur die Entscheidung muss bedeutenden Einfluss auf die Angelegenheit haben. Das halten wir ganz ehrlich gesagt für redundant. Das ist nämlich eine Selbstverständlichkeit.

Leider wurde bei der Ersten Lesung eine – meiner Meinung nach – recht schräge Argumentation gegen den Gesetzentwurf angeführt. Demnach seien die vorgelegten Änderungen zu wenig für eine Gesetzesnovelle der Kommunalverfassung. Na ja, meine Damen und Herren, das halte ich für ausgemachten Quark.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Die Gesetzesstelle, auf die es schließlich hier ankommt, ist seit knapp 20 Jahren nicht mehr angefasst wor- den, seit fast 20 Jahren nicht mehr. Bei jeder Novelle der Kommunalverfassung wurde sie einfach bewusst oder unbewusst, das will ich hier offenlassen, vergessen. Die entsprechenden Seiten in der Loseblattsammlung der Kommentation von Schröder hätten es nach fast 20 Jahren auch mal verdient, ausgewechselt

zu werden. Die müssen meines Erachtens eigentlich schon ganz ranzig und zerfleddert sein. Lassen Sie sie uns einfach mal, geben wir uns den Freiraum, austauschen!

Aber haben Sie keine Angst, wir GRÜNEN liefern Ihnen demnächst noch eine lange Liste an weiteren Änderungen zur Reform der Kommunalverfassung. Wir hängen Ihnen dann einfach die bisher beantragten Änderungen jeweils an den neuen Antrag zur Erinnerung an.

(Torsten Renz, CDU: Ach, da sind wir ja beruhigt.)

Schön, Herr Renz, dass Sie beruhigt sind. Da freue ich mich immer wieder.

Meine Damen und Herren, da SPD und CDU den vorliegenden Gesetzentwurf nach der Ersten Lesung nicht in die Ausschüsse überwiesen haben, hat sich folglich seit der Ersten Lesung auch kein neuer Sachstand ergeben, den ich hier referieren müsste.

(Marc Reinhardt, CDU: Und warum reden Sie dann?)

Noch immer liegt Ihnen der Entwurf zur Änderung der Kommunalverfassung vor. Noch immer ist dieser Gesetzentwurf nicht revolutionär, sondern setzt sich nur aus moderaten Regelungen zusammen, die bereits in anderen Bundesländern tagtäglich praktiziert werden. Noch immer sind wir GRÜNEN davon überzeugt, dass die Regelungen zu den Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auf kommunaler Ebene dringend ein Update brauchen, oder, wenn man es etwas umständlicher formulieren möchte, die Regelungen brauchen eine Überarbeitung und eine Anpassung an die Erfordernisse der Zeit, denn sie sind seit dem Jahr 1994 nicht mehr wesentlich geändert worden.

Noch immer, meine Damen und Herren, sind wir GRÜNEN auch davon überzeugt, dass die vorliegenden Änderungsvorschläge geeignet sind, um zu einer substanziellen Verbesserung der Bürgerbeteiligung im Land beizutragen.

Meine Damen und Herren, bei der Ersten Lesung rief ich Ihnen die Worte Willy Brandts in Erinnerung,

(Manfred Dachner, SPD, und Tilo Gundlack, SPD: Oooh!)

der einst forderte, mehr Demokratie zu wagen. Ich glaube, diese Worte führt auch Heiner Geißler in letzter Zeit im Munde. Damit möchte ich die CDU-Fraktion insbesondere ansprechen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Wenn Sie vielleicht doch noch unserem Land in Bezug auf Bürgerfreundlichkeit einen Dienst erweisen wollen, überweisen Sie bitte den vorliegenden Gesetzentwurf in den Innenausschuss. Eine Dritte Lesung ist ja möglich. Entsprechend beantrage ich die Überweisung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Saalfeld.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller für die Fraktion der SPD.

(Marc Reinhardt, CDU: Dann habe ich ja gar nichts zu sagen. – Peter Ritter, DIE LINKE: Nee, das hätten Sie auch so nicht gehabt. – Heiterkeit bei Marc Reinhardt, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Saalfeld hat ja bereits – und die Präsidentin hat es einleitend auch getan – darauf hingewiesen, wir haben die Zweite Lesung eines Gesetzentwurfes, bei dem in der Ersten Lesung von der Mehrheit des Hauses die Überweisung in den zuständigen Ausschuss, das ist der Innenausschuss, abgelehnt worden ist.

In der Tat, wir könnten es kurz machen und sagen, es sind keine neuen Tatbestände aufgetaucht, die zu einer anderen Bewertung führen. Ja, meine Damen und Herren, so ist es in der Tat. Es gibt keine neue Bewertung und wir werden auch heute, lieber Kollege Saalfeld, die Überweisung in den Innenausschuss ablehnen.

Sie haben berechtigt und legitim kurz noch einmal Ihre Änderungswünsche vorgetragen und genauso würde ich gerne auf zwei, drei für uns wesentliche Aspekte der Ablehnung Ihres Antrages hinweisen.

Zunächst einmal die Ausführungen zum Begriff „wichtig“. Dass es sich um eine „wichtige Entscheidung“ handeln muss, diese Formulierung, sagten Sie, sei redundant. Nun, wenn sie redundant ist und niemanden stört, dann können wir sie ja auch drin lassen. Ich glaube vielmehr, dass mit dieser Streichung des Wortes „wichtig“ ein Signal gesetzt werden soll, dass wir jetzt auch Entscheidungen, bei denen zweifelsfrei Wichtigkeit nicht gegeben ist, plebiszitären Elementen zugänglich machen wollen. Ich halte dies für einen Weg, den ich so nicht gerne mitgehen möchte. Ich halte es schon für richtig, dass wir plebiszitäre Elemente, die ich eben nicht entwerten will, auf wichtige Entscheidungen begrenzen.

Einen zweiten Aspekt haben Sie in Ihren heutigen Ausführungen leider überhaupt nicht erwähnt. Das ist die Frage der Finanzierung. Die derzeitige Gesetzeslage enthält eine Vorschrift, wonach der Antragsteller genau – und „genau“ heißt „haushaltsstellenscharf“ – sagen muss, wie denn die nötigen Kosten gedeckt werden sollen, die bei Annahme eines solchen Plebiszites entstehen. Hier würden Sie, schauen Sie in Ihren Gesetzentwurf, von einer Mussregelung zu einer Sollregelung kommen.

Ja, meine Damen und Herren, das halten wir nicht für eine gute Variante. Wir möchten vielmehr, dass die Bürgerinnen und Bürger, die über etwas abstimmen, auch tatsächlich wissen, über was sie abstimmen. Und dazu gehört natürlich, dass sie wissen, welche finanziellen Folgen entstehen, wenn denn dem hier vorliegenden Begehren Rechnung getragen wird.

Sie haben zum Thema gesagt, „Update“ und „Geist der Zeit“ und ähnliche Formulierungen. „Geist der Zeit“, da kann man natürlich streiten, was das ist. Jeder wird das für sich reklamieren und sagen, „Geist der Zeit“ ist das,

was ich denke. Ich glaube aber, wenn wir in die allgemeine Diskussion schauen, dann heißt „Geist der Zeit“ unter anderem Transparenz. Das ist doch ein Begriff, der in der momentanen politischen Diskussion eine erhebliche Rolle spielt.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da kommen wir noch drauf zurück.)

Ja, und genau das wollen wir an diesem Punkt erhalten, dass nämlich transparent ist für denjenigen, der seine Unterschrift gibt oder der dann beim Bürgerentscheid sein Kreuz macht, was denn das für finanzielle Folgen hat. Hier an der Transparenz etwas wegzunehmen, die Erfordernisse zurückzuschrauben und zu sagen, soll, also kann auch unter Umständen mal eben unklar sein, worüber man abstimmt beziehungsweise welche finanziellen Folgen es hat, nein, Herr Kollege, das machen wir so nicht.

Bei der Frage der aufschiebenden Wirkung sind wir uns, glaube ich, in der Sache gar nicht so fern, zumal das, was Sie wollen, dass, wenn nämlich die Unterschriften tatsächlich vorliegen und eingereicht worden sind, nicht dann die Vertretung noch schnell irgendetwas macht, das kann man ja heute durch Gerichtsentscheid bereits erzwingen. Und insofern wäre das, was Sie in Ihrem Entwurf vorschlagen, nur etwas, dass man dann aus der Gerichtssphäre in die Gesetzessphäre herüberzieht. Insofern sind wir vielleicht von der Sache her gar nicht so weit auseinander. Aber ich glaube, Sie haben selbst gemerkt, dass Ihre Formulierung, die Sie hier gewählt haben, eben so ist, dass sie Missverständnisse erzeugt. Und Formulierungen, die Missverständnisse erzeugen, die sollten wir nicht in unsere Gesetze hineinschreiben.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zum Beispiel das Wort „wichtig“.)

Also hier sind wir für eine klare Formulierung und nicht für die Formulierung, die Sie uns hier vorschlagen.

Beim Absenken des Quorums haben Sie uns zwei Länder nennen können, die niedriger liegen. Es gibt auch Länder, die höher liegen, und wir sollten das nicht einfach so nonchalant – wenn Sie in Ihren Gesetzentwurf gucken, gibt es dazu noch nicht mal eine Begründung –, so nonchalant nebenbei machen, sondern wir sollten das dann vielleicht auch mal im Zusammenhang mit anderen Quoren, die wir in den verschiedenen gesetzlichen Regelungen, auch auf der Landesebene, haben, diskutieren. So nebenbei ist das nicht der richtige Weg.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das habe ich in der Ersten Lesung begründet.)

Und dann noch ein Weiteres: Viele Fragen, die auf der kommunalen Ebene im Zusammenhang mit plebiszitären Elementen angesprochen werden – ich darf hier an den sogenannten Negativkatalog erinnern –, werden von Ihrem Gesetzentwurf überhaupt nicht angesprochen. Ich glaube, es wäre des Schweißes der Edlen wert, wenn wir über diesen Negativkatalog, also den festgeschriebenen Katalog,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das hätte man im Ausschuss alles machen können.)

welche Themen einem plebiszitären Element eben nicht zugänglich sind,