Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1495 zur federführenden Beratung an den Energieausschuss sowie zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuss, an den Agrarausschuss sowie den Sozialausschuss zu überweisen. – Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungs- vorschlag mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD abgelehnt.

Ich lasse nun über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1495 abstimmen. Es ist beantragt worden, die Ziffern 1 bis 4 des Antrages einzeln abzustimmen.

Wer der Ziffer 1 des Antrages der Fraktion DIE LINKE zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzei- chen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer 1 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1495 mit den Stimmen von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und NPD abgelehnt.

Wer der Ziffer 2 des Antrages der Fraktion DIE LINKE zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzei- chen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer 2 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1495 bei gleichem Stimmverhalten abgelehnt.

Wer der Ziffer 3 des Antrages der Fraktion DIE LINKE zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzei- chen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer 3 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1495 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD abgelehnt.

Wer der Ziffer 4 des Antrages der Fraktion DIE LINKE zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzei- chen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Ziffer 4 des Antrages der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/1495 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und NPD abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Betreuungsgeld stoppen!, Drucksache 6/1500.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Betreuungsgeld stoppen! – Drucksache 6/1500 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Bernhardt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Ende des Jahres 2008 haben CDU/CSU und SPD gemeinsam im Deutschen Bundestag auf Vorschlag der damaligen Bundesregierung das Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege verabschiedet. Mit diesem Gesetz wurde unter anderem das Achte Sozialgesetzbuch geändert, was ja die Kinder- und Jugendhilfe in dieser Bundesrepublik regelt. Unter anderem wurde im Paragrafen 16 ein neuer Absatz 4 hinzugefügt, ich zitiere: „Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können, eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreuungsgeld) eingeführt werden.“ Zitatende.

(Torsten Renz, CDU: Bis jetzt war alles richtig.)

Aufgrund dieser gesetzlichen Vorgabe, die unter Mitwirkung der SPD beschlossen wurde, hat der Bundestag am Ende des vergangenen Jahres die Einführung des Betreuungsgeldes zum 1. August 2013 beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich will hier gar nicht diskutieren, ob es sich um ein Betreuungsgeld, eine Fernhalteprämie oder um eine Herdprämie handelt.

(Torsten Renz, CDU: Geht die Diskriminierung schon wieder los!)

Die Frage lautet doch: Was steckt hinter dem sogenannten Betreuungsgeld?

Da kann ich dem Gesetzentwurf entnehmen, dass es angeblich eine Anerkennungslücke für Eltern gibt, die ihre Kinder im Kleinkindalter zu Hause betreuen. Diese Anerkennung ist dem Gesetzgeber ab dem 1. August dieses Jahres 100 Euro wert und ab dem 1. Januar 2014 150. Und ein zweiter Grund, den ich dem Gesetzentwurf entnehmen kann, wird angeführt, dass die Eltern erst dann tatsächlich eine Wahlfreiheit hätten, wenn sie dieses Geld bekämen.

Meine Damen und Herren von der CDU, abstruser geht es aber nimmer.

(Torsten Renz, CDU: Jetzt sind wir wieder dran.)

Der Gesetzgeber hat die Aufwendungen für Kindererziehung bisher durch das Kindergeld und durch steuerrechtliche Regelungen anerkannt, und das seit Jahrzehnten. Wenn Sie also meinen, dass die heimische Erziehungsarbeit zu wenig anerkannt wird, warum ändern Sie dann nicht diese Regelungen? Meinen Sie wirklich, dass die Eltern, die ihre Kinder durch Dritte betreuen lassen, vom Staat privilegiert und die anderen Eltern benachteiligt werden?

Sie wissen aber schon, dass die Eltern, die sich für Betreuung entscheiden, dafür Beiträge entrichten, die weit über der häuslichen Ersparnis liegen? Wenn Sie das nun für eine Privilegierung halten, dann schaffen Sie doch diese ab! Was meinen Sie, was dann passiert?

Und wenn wir gerade bei „Anerkennung“ sind: Wenn es Ihnen wirklich um Anerkennung der Elternarbeit geht, warum erhalten dann nicht auch SGB-II-Empfängerinnen und -Empfänger diese Leistung? Gerade eben diesen Familien, die von Hartz IV leben müssen, wird diese Anerkennung vom selben Gesetzgeber entzogen, der eine Anerkennungslücke ausgemacht haben will. Widersprüchlicher geht es aus unserer Sicht überhaupt nicht mehr. Oder haben die Eltern dieser Kinder diese Anerkennung nicht verdient? Sind sie vielleicht, weil sie Transferleistungen beziehen, weniger wert?

Und nicht nur den Tausenden Kindern von langzeitarbeitslosen Frauen und Männern im Land, sondern auch den Kindern von den sogenannten Aufstockerfamilien wird diese Leistung vorenthalten, wie übrigens das Kindergeld seit Jahrzehnten auch.

Das, meine Damen und Herren, ist nicht nur ungerecht, das ist eine erneute Benachteiligung per Gesetz, das ist kinder- und familienfeindlich. Da muss man sich dann auch wirklich fragen, wie das Herr Kollege Heydorn in der Aktuellen Stunde am 25. April 2012 gemacht hat zum selben Thema: Welches Menschenbild verbirgt sich hinter solch einer Politik?

Meine Damen und Herren von der CDU, Ihre Argumentation zur Einführung des Betreuungsgeldes stimmt hinten und vorne nicht. Vielmehr zeigt diese nur, welche krude Vorstellung Sie haben. Und womit begründen Sie eigentlich, dass in diesem Jahr 100 Euro und ab nächstem Jahr 150 Euro gezahlt werden?

(Torsten Renz, CDU: Kassenlage!)

Nein, meine Damen und Herren, das ist echt traurig, Herr Renz.

(Torsten Renz, CDU: 20 Mark, wissen Sie noch, zu DDR-Zeiten?)

Das geplante Betreuungsgeld ist nicht nur völlig ungerechtfertigt, es ist auch sozial-, bildungs-, integrations- und gleichstellungspolitisch völlig verfehlt und obendrein verfassungsrechtlich bedenklich.

(allgemeine Unruhe – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Dafür hat auch der Kindergarten nichts gekostet, Herr Renz.)

Und das ist nicht nur die Aufgabe, die Meinung meiner Fraktion. Inzwischen hat offensichtlich auch die SPD diese Position eingenommen.

(allgemeine Unruhe –

Das ist schon peinlich. –

Die Abgeordnete Jacqueline Bernhardt

wendet sich vom Rednerpult ab und

spricht die Vizepräsidentin an. – Zurufe von Torsten Renz, CDU,

Peter Ritter, DIE LINKE, und

Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Darf ich jetzt weiterreden, Herr Renz, oder wollen Sie sich noch …

(Torsten Renz, CDU: Ihre Kollegen sollten Sie fragen, nicht mich!)

Nö, Sie haben doch hier Zwiegespräche gehalten.

(Torsten Renz, CDU: Selbst- gespräche führe ich noch nicht.)

Aber nicht nur die Politik sieht das in weiten Teilen so. Bestärkt werden wir in unserer ablehnenden Position seit geraumer Zeit durch verschiedene Expertisen, so zum Beispiel die von Frau Professor Dr. Margarete SchulerHarms unter dem Titel „Verfassungsrechtlich prekär“. Darin wird festgestellt, dass das in Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz enthaltene Gleichstellungsgebot eine erneute Festschreibung traditioneller Rollenverteilung nicht erlaube. Da aber gerade heute noch Kinder überwiegend von Frauen betreut werden, beförderten die Länder, in denen Erziehungsbeihilfen gezahlt werden, diese traditionellen Rollenbilder und liefen somit dem Gleichstellungsgebot zuwider.

Und auch zum zweiten Argument des Betreuungsgeldes, dem der Wahlfreiheit, zeigt diese Expertise, dass dieses Argument nicht überzeugt. Vielmehr ist es so, dass die Wahlfreiheit von Eltern, die ihr Kind selbst betreuen, durch die Bereitstellung eines umfangreichen öffentlich geförderten Angebots an Kindertagesplätzen und einen individuellen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz nicht verringert, sondern noch erhöht wird.

Bitte überlegen Sie doch einmal selbst, wodurch diese Wahlfreiheit tatsächlich eingeschränkt wird! Wird die Wahlfreiheit dadurch eingeschränkt, weil mir angeblich die geldliche Anerkennung für die Erziehungsarbeit fehlt, die ich ohnehin leisten muss und die ich schon durch das Kindergeld erhalte? Oder wird die Freiheit nicht überall da eingeschränkt, wo es gar kein Betreuungsangebot gibt oder dieses – wie in unserem Bundesland – in der Altersgruppe landesdurchschnittlich 160 Euro im Monat kostet?

Meine Damen und Herren, dort, wo es kein Betreuungsangebot gibt oder wo ich das Geld nicht habe, habe ich gar keine Wahl, dann werde ich daran gehindert, mich zum Beispiel beruflich zu verwirklichen. Das, Herr Renz, ist die Diskriminierung von Lebensentwürfen und nicht, …

(Torsten Renz, CDU: Ja, was haben Sie andauernd mit mir?)

Das war Ihre Argumentation in der Aktuellen Stunde letztes Jahr.

(Torsten Renz, CDU: Ach, hatten wir das Thema schon, ja?)

Ja, hatten wir schon, werden Sie sich nachher dran erinnern.

… und nicht die Ablehnung einer Leistung, die unbegründet ist.

Die Zweifel an der rechtlichen Vereinbarkeit des Betreuungsgeldes mit dem Grundgesetz werden auch