Für die maritimen Unternehmen geht es schon lange nicht mehr um die Frage, ob der Weg von der Massenproduktion, der Serienproduktion hin zu innovativen Produkten wie Spezialschiffbau oder Offshoremeerestechnik
gegangen wird. Sie, die Unternehmen, und wir stehen heute schon längst vor der Frage, wie sich die Branche mit innovativen Technologien und Produkten am Weltmarkt behaupten kann. Die maritime Industrie steht nicht vor einem Strukturwandel, sie befindet sich bereits mittendrin.
Nordic Yards in Wismar und Warnemünde machen es vor. Der Betriebsrat Harald Ruschel aus Warnemünde sagte damals zu Zeiten der Wadan-Krise, sie könnten Stahl zum Schwimmen bringen. Dieses Bild ist uns wohl allen präsent. Mit dem Know-how der Beschäftigten ist die Umstellung auf neue Projekte, die Umformstationen, eisbrechende Tanker und anderes mehr gelungen. Nordic Yards ist schon lange keine klassische Werft mehr. Nordic Yards hat sich zu einem führenden maritimen Anlagenbauer entwickelt.
Und diese Kernkompetenz, so wie in Wismar und Warnemünde, finden wir an allen Standorten in Mecklenburg-Vorpommern. Sie soll nicht brachliegen, sie soll schon gar nicht begraben werden. Im Gegenteil, mit den Menschen die Zukunft gestalten, das war und bleibt die spannende Aufgabe. Dazu brauchen sie aber das Engagement der Investoren, der Banken, des Bundes und natürlich des Landes.
Aber, meine Damen und Herren, welche neuen Strategien verfolgt die Landespolitik, um diesen Prozess zu unterstützen? Welche langfristigen Ziele verfolgt die Landespolitik? Was unternimmt die Regierung, nachdem der Bund und die Banken sich mehr und mehr aus ihrer Verantwortung zurückziehen? Was ist aus der Chefsache des Ministerpräsidenten geworden?
Meine Damen und Herren, Sie kennen die ernüchternde Antwort. Es liegt keine Strategie oder Zielstellung vor, die erkennen ließe, was die Landesregierung plant oder umsetzen will. Und doch, ein Ziel gibt es: Der Ministerpräsident möchte das unliebsame Thema schnell vom Tisch haben und es soll dort auch nicht wieder auftauchen.
Viele Fragen müssen beantwortet und, wie 2008 begonnen, die notwendigen Handlungsfelder bestimmt werden. Es geht um die zukünftigen Fachkräfte, um die Vernetzung der Unternehmen untereinander, um die Forschung und Entwicklung und damit um Innovationen von der Idee bis zur Produkteinführung. Und natürlich stellt sich auch die Frage nach der Schiffbaufinanzierung.
Dazu muss alles auf den Prüfstand gestellt werden, es müssen Erfahrungen ausgewertet und neue Methoden entwickelt werden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch für mich die Frage, wie unternehmerisch und wie innovativ die Politik selbst ist.
Eines der wichtigsten Themen – und auf das will ich mich jetzt hier beschränken – ist die Forschung und Entwicklung. Hier muss investiert werden. Gerade bei den kleinen und mittelständischen Zulieferern gibt es hier eine
Menge Luft nach oben. In den innovativen Technologien und Produkten wie der Meerestechnik, der Umwelttechnik, des Spezialschiffbaus oder der Offshorewindenergie liegt die Zukunft der maritimen Industrie MecklenburgVorpommerns.
Aber reichen die Instrumente für die Verbesserung von Forschung und Entwicklung in den Unternehmen aus? Ist ein unbürokratischer Zugang gewährleistet? Müssen die bestehenden Instrumente verändert oder beispielsweise durch einen maritimen Fonds erweitert werden? Ich schlage vor, ein maritimes Kompetenzzentrum in Mecklenburg-Vorpommern aufzubauen.
Sind Sie, meine Damen und Herren der Koalition, dabei? Gemeinsam mit den Unternehmen könnten in einem solchen Zentrum die gesammelten und die neuen maritimen Kompetenzen gebündelt werden, um sowohl den wissenschaftlich-technischen Vorlauf als auch die Ausbildung zu sichern. Hinzu kommt, dass innovative Produkte mit einem höheren Risiko behaftet sind als solche, die seit Jahren nach ein und demselben Schema gefertigt werden. Viele Unternehmen könnten mehr leisten, wenn sie über die entsprechende Liquidität verfügen würden. Es ist traurige Realität, dass manche Aufträge nicht angenommen werden können, weil die erforderlichen Finanzierungsmöglichkeiten fehlen. Viele der schiffbaufinanzierenden Banken haben sich zurückgezogen und scheuen das Risiko einer Finanzierung wie der Teufel das Weihwasser. Als Werft brauche ich bei den Banken nicht mehr vorstellig zu werden, wenn ich einen Kredit brauche.
Aus unserer Sicht ist dieses Gebaren der Banken aufs Schärfste zu kritisieren. Sie stehlen sich aus der Verantwortung, nachdem sie selbst mit Abermillionen gerettet wurden. Die Schiffbauaufträge weisen heute gegenüber 2008 im Durchschnitt einen mindestens doppelt so hohen Auftragswert auf. Die Bauzeit hat sich verlängert. Bauzeitkredite sind länger in einem Projekt gebunden. Das Absicherungsbedürfnis der Auftraggeber ist gestiegen.
Ich möchte hinzufügen, das gilt nicht nur für die Werften hier im Land, sondern natürlich auch für die Zulieferer, meist kleine und mittelständische Unternehmen. Die hohen Investitionskosten für innovative Produkte, wie im Offshorebereich, stellen die Zulieferer mit ihrer geringen Kapitaldecke vor unüberbrückbare Hürden.
Herr Schulte hatte in einer Pressemitteilung am 14. März 2013 erklärt, ich darf zitieren: Wir brauchen „eine zeit- nahe Entwicklung alternativer Modelle der Schiffsfinanzierung unter Einbeziehung der Schifffahrtsbranche und der Banken“. Das ist das Zitat von Herrn Schulte.
Herr Schulte, ich kann hier feststellen und Ihre Feststellungen teilen und freue mich ernsthaft, dass wir da auf einer Wellenlänge sind. Das ist offenbar doch allen bewusst, dass sich die Finanzierungssituation grundlegend geändert hat und dass die bestehenden Finanzierungs- und Fördermodelle des Landes nicht mehr ausreichen, eben die gleichen geblieben sind.
Praxis anderes vermuten lässt. Sowohl der Bund als auch die EU müssen bei der Frage nach der zukünftigen Schiffsfinanzierung im wahrsten Sinne des Wortes mit ins Boot. Doch auch das Land muss seine Hausaufgaben erledigen. Wir müssen den Kurs bestimmen und uns entscheiden, wohin die Reise gehen soll. Dafür sehe ich aber bisher keine Basis.
Alle paar Wochen erfolgen im Finanzausschuss Informationen darüber, wie sich das Land bei den Werften engagieren will. Der Ausschuss soll dann dieses Engagement absegnen. Dies ist keine politische Strategie und ich fordere die Landesregierung mit aller Deutlichkeit auf: Verlassen Sie Ihren Kurs, auf Sicht zu fahren!
Viele Vertreter der Branche, die Nordic Yards, die Industrie- und Handelskammern, der Zuliefererverbund MAZA oder die IG Metall, mit denen wir vorab gesprochen haben, bestätigen Bedarf einer solchen Strategie. Und ich fordere Sie auf: Machen Sie mit, meine Damen und Herren! – Herzlichen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seefahrt, Hafenwirtschaft und Schiffbau haben im Nordosten Deutschlands eine lange Tradition und sind für Mecklenburg-Vorpommern von außerordentlicher Bedeutung. Die maritime Wirtschaft hat wesentlich zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes beigetragen. Hier sind nahezu 33.000 Menschen beschäftigt.
Alle Landesregierungen waren sich der besonderen Bedeutung dieser Branche immer bewusst, übrigens auch zu Zeiten, in denen Teile der heutigen Opposition in Regierungsverantwortung standen. Ich bin Herrn Fraktionsvorsitzenden Holter auch äußerst dankbar, das Thema „Zukunftsperspektiven der maritimen Industrie in Mecklenburg-Vorpommern“ auf die Agenda dieser Tagesordnung gesetzt zu haben. Nach der schweren Krise dieser Branche, die im Jahr 2009 mit Wadan und im letzten Jahr mit den P+S Werften zu zwei Insolvenzen in unserem Land führte, ist es meiner Meinung nach reif für eine Zwischenbilanz.
Als Wirtschaftsminister kann ich sagen, das Wirtschaftsministerium ist dabei, die Dinge zum Standort weiter zu eruieren, zu begleiten, viele Kontakte mit dem Bund, mit der EU, mit den Banken, mit den Werften, mit den Zulieferern herzustellen und neue Denkansätze zu diskutieren. Eines ist aber klar: Die Schiffsindustrie mit ihren maritimen Zulieferern bleibt für uns eine strategische Industrie, meine Damen und Herren. Allerdings hat die Finanz- und Wirtschaftskrise den Strukturwandel im hiesigen Schiffbau beschleunigt. Sie hat zu einer erneuten Anpassung der vorhandenen Kapazitäten an die Markterfordernisse geführt, Herr Holter, und das wissen Sie auch ganz genau. Infolgedessen hat die maritime Industrie in
unserem Land allein zwischen 2008 und 2011 etwa ein Drittel ihres wirtschaftlichen Gewichtes eingebüßt.
Die Folge: Die Anzahl der Mitarbeiter auf unseren Werften hat sich nach der Insolvenz der ehemaligen WadanWerften in Wismar und Rostock-Warnemünde sowie bei den P+S Werften auf rund 44 Prozent der Mitarbeiter im Vergleich zu Zeiten vor der Krise verringert. Ungeachtet dieser bedauerlichen Entwicklung ist aber festzustellen, dass die Werften selbst Potenziale und gute Zukunftschancen im Schiffbau und im Spezialschiffbau und in anderen Bereichen der Meerestechnik sehen. Als Beispiel sei hier Nordic Yards genannt, der zum Weltmarktführer für den Bau von Offshorekonverterplattformen avanciert ist, und auch die Neptun Werft hat sich zur Flusskreuzfahrtschiffbau-Spezialwerft entwickelt, meine Damen und Herren.
Die Landesregierung leistet den Werften bei diesem Strukturwandel im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten alle vertretbare Unterstützung. Als Beispiele seien nur genannt: Überbrückungsdarlehen, Bürgschaften zur
Absicherung von Baufinanzierungen, Innovationsbeihilfen, finanzielle Unterstützung der Transfergesellschaften für die ehemaligen Mitarbeiter der Wadan-Werften und P+S Werften.
Und ich will daran erinnern, die Fortschreibung der Transfergesellschaften wird zurzeit durch die Landesregierung vorbereitet. Ich will hier ankündigen, dass Sie sich nach Ostern darauf einstellen müssen, die Dinge dann auch freizugeben. Uns liegt schon viel daran, dass auch die Werftarbeiter in Stralsund weiterhin in der Transfergesellschaft verbleiben können,
um am Ende dann auch einen Investor zu finden, der Stralsund am Markt hält. Die Unterstützung der Zulieferer erfolgt in Form von Bürgschaften.
Also von verfehlten Instrumenten der Landesregierung zu sprechen, Herr Holter, ist, glaube ich, etwas gewagt.
Als größte Herausforderung für die Auftragsakquisition für die deutschen Werften stellen sich die Bauzeitenfinanzierung und die Fremdkapitalbeschaffung heraus. Das ist das große Problem. Grund dafür ist der Rückzug der bisher in der Schiffs- und Werftenfinanzierung tätigen Banken. Herr Holter hat darauf hingewiesen, das ist so. Es gibt kaum noch Banken in Deutschland, die sich zu dieser Frage bekennen, und wenn sie sich bekennen, dann fordern sie Bürgschaften des Landes und des Bundes, aber zumindest jetzt immer häufiger Bürgschaften des Landes. Wir müssen uns natürlich insgesamt die Frage stellen, wie viel können wir an Bürgschaften ausreichen, ohne dass das Land in Schwierigkeiten kommt, und andererseits müssen diese Bürgschaften auch so sicher sein, dass wir nach Möglichkeit Insolven
zen vermeiden. Denn das Problem ist ja immer, solange man die Dinge ausreicht, sind alle zufrieden, geht es schief, gibt es Untersuchungsausschüsse, die wir gerade kennen.
Meine Damen und Herren, natürlich bleibt es ein Anspruch der Landesregierung, auch den Bund zu bitten, sich daran zu beteiligen. Zurzeit werden dafür Gespräche vorbereitet. Es gibt auch Modelle, mit denen wir beim Bund vorstellig werden wollen, um dann auch sicherzustellen, dass Plattform- und Spezialschiffe in Mecklenburg-Vorpommern weiter gebaut werden.
Meine Damen und Herren, nun zu Ihren Forderungen der LINKEN. Die maritime Industrie war, ist und bleibt stets im Fokus des politischen Handelns und ich möchte hier behaupten, jeder bisherigen Landesregierung. Und das Land, Sie wissen, ist ja mittlerweile fast 23 Jahre alt. Diese Thematik nimmt breiten Raum in der täglichen Arbeit der Landesregierung und speziell des Wirtschaftsministeriums und des Finanzministeriums ein.
Ich lehne gegenwärtig eine Fortschreibung des Konzeptes „Zukunftsperspektiven für die maritime Industrie in Mecklenburg-Vorpommern“ aus dem Jahre 2008 ab. Wir haben so viel zu tun, dass wir erst mal sehen müssen, wie wir in diesem Jahr die gesamten Herausforderungen in diesem Bereich meistern. Für später kann ich mir das durchaus vorstellen. Andererseits muss ich auch sagen, wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft und Unternehmen entscheiden am Ende, wo der Weg hingeht. Ich habe als Wirtschaftsminister nicht das Recht, den Unternehmen vorzuschreiben, in welche Richtung sie ihre Werften entwickeln wollen und müssen. Aber ich gebe Ihnen recht und kann über den Zukunftsplan durchaus diskutieren, aber zu einer Zeit, wo wir in etwa wissen, wo die Reise insgesamt hingeht.
Meine Damen und Herren, zum anderen steht nach der erfolgreichen Privatisierung des Werftenstandortes Wolgast jetzt vor allem die Aufgabe, den Werftenstandort Stralsund in eine tragfähige, zukunftsfähige Lösung zu überführen. Je nach den weiteren Ergebnissen des Verkaufsprozesses, der letztlich in den Händen des Insolvenzverwalters liegt, werden sich daraus konkrete Handlungsbedarfe und Ableitungen für den Schiffbau und für die Zulieferbetriebe unseres Landes ergeben.
Sie können versichert sein, dass mein Haus aber genauso wie die Finanzministerin Frau Polzin im engen Schulterschluss alle Maßnahmen ergreifen wird, um vertretbare Instrumente zur Überbrückung von Liquiditätsproblemen, zur besseren Vernetzung zwischen den