Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

wenn der Innenminister hierhergekommen wäre und gesagt hätte, also eine solche Liste über hauptberufliche Tätigkeiten, nebenberufliche Tätigkeiten, private Neigungen, Wünsche, Hobbys, Freizeitinteressen, Besitztümer und so weiter,

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die wollen wir bitte haben, und zwar von jedem, der in einer Gemeindevertretung sitzt, und die wollen wir dann öffentlich machen,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist jetzt eine müllersche Interpretation.)

denn das ist ja Teil Ihres Antrags, die wollen wir dann öffentlich machen, dann möchte ich mal Ihr Geschrei hören über „Überwachungsstaat“ und über „Datenwut“ und was wir dann nicht alles für Vokabeln hören.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Und Sie würden den Datenschutz hochziehen und würden den Innenminister versuchen, ans Kreuz zu nageln wegen solcher abartiger Neigungen.

(Zurufe von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Michael Andrejewski, NPD)

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, solche Dinge sollten wir nicht machen, und wir sollten im Spannungsfeld

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wo finden Sie denn das in dem vorliegenden Antrag?)

von Achtung der Privatsphäre und dem Wunsch von Transparenz gelegentlich auch der privaten Sphäre ein bisschen Raum lassen. Ich glaube, wenn man Ihren Gedanken zu Ende denkt,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie diskutieren doch am Kern vorbei.)

dann tun Sie dies nicht, und deswegen halten wir dies nicht für zielführend.

Der nächste Punkt in Ihrem Antrag ist die Frage der Wählbarkeit von hauptamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern für die Kreistage. Wer die Geschichte der Kommunalpolitik in Mecklenburg-Vorpommern kennt – und ich bin schon relativ lange dabei –, der weiß, dass das kein neues Thema ist, dass wir das in der Tat in der Vergangenheit durchaus auch kontrovers diskutiert haben und dass es ein paar Anlässe gab, die das ganz besonders deutlich gemacht haben, dass es hier unterschiedliche Positionen gab.

Vor 10 oder 15 Jahren gab es mal eine Situation, wo ein Landrat meinte, bei dem Beschluss der Kreisumlage seien alle hauptamtlichen Bürgermeister befangen und dürften deshalb im Kreistag nicht abstimmen.

(Torsten Renz, CDU: Wer war das denn?)

Das ist allerdings so ausgegangen, dass die Gerichte hier zugunsten der Bürgermeister entschieden haben

(Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

und gesagt haben, dieses ist sehr wohl zulässig.

Aber ich will Ihnen gerne einräumen, dass es solche Positionen, dass hauptamtliche Bürgermeister nicht wählbar sein sollten für Kreistage, auch in den anderen demokratischen Parteien, auch in der SPD, gibt. Das ist so. Und wir haben in der Vergangenheit darüber auch in den eigenen Reihen häufiger und durchaus auch kontrovers diskutiert, allerdings für die SPD – und wenn ich recht informiert bin, gilt das auch für die CDU – mit einer Situation, dass die Mehrheit der Kommunalpolitiker in

den entsprechenden Kommunalpolitikerorganisationen unserer Parteien der Meinung sind, dass die Bürgermeister zukünftig wählbar bleiben müssen.

(Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Und auch hier, Herr Saalfeld, habe ich das Problem mit der Abgrenzung. Natürlich ist auf den ersten Blick die Annahme naheliegend, ein hauptamtlicher Bürgermeister sei befangen, beispielsweise bei der Abstimmung über die Kreisumlage, aber auch bei anderen Entscheidungen, Sie haben das Beispiel Standortentscheidungen genannt. Aber ich frage Sie: Wenn der hauptamtliche Bürgermeister befangen ist, ist der ehrenamtliche Bürgermeister nicht in ähnlicher Weise befangen? Auch er ist vom Volk gewählt, die Interessen seiner Gemeinde zu vertreten. Die ehrenamtlichen Bürgermeister tun dies mit Engagement und Vehemenz und tun dies auch in Kreistagen.

(Egbert Liskow, CDU: Das tun die anderen Abgeordneten auch.)

Und dann gehen wir doch mal weiter: Ich kenne Fälle, wo Stadtpräsidenten Mitglied des Kreistages sind. Sind die nicht genauso dafür gewählt und begreifen sich so, dass sie für ihre Städte Partei ergreifen und für ihre Städte kämpfen?

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wollen wir am Ende – das wäre dann der nächste Schritt – auch den Stadtvertreter, der in seiner Stadt oder in seiner Gemeinde in der Vertretung sitzt, vom Wahlrecht für den Kreistag ausschließen? Und wenn Sie ganz hart sind und wenn Sie es ganz auf die Spitze treiben, dann müssen Sie selbst über solche gewählten Funktionsträger in den Kommunen hinausgehen. Es gibt ja eine Reihe von anderen Leuten,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

die aus bestimmten Konstellationen heraus in besonderer Weise mehr als jeder Normalbürger ihrer Gemeinde verpflichtet sind.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Die Anwärter stehen ja auch Schlange bei uns.)

Dann müssten wir auch die als befangen aus den Kreistagen ausschließen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, das ist nicht der richtige Weg.

Und ich darf auch mal darauf aufmerksam machen, Herr Saalfeld, schauen Sie doch mal eine Etage tiefer. Wir haben das Instrument der Ämter und wir haben in den Ämtern Beschlussgremien, die Amtsausschüsse. Und wir gehen hier so weit, dass wir ganz bewusst sagen: Die werden gar nicht erst gewählt, sondern in diesen Ämtern sind die Bürgermeister, dadurch dass sie Bürgermeister sind, Mitglieder des Amtsausschusses. Wir wollen sogar, dass diese Amtsverwaltungen, die ja Dienstleister für die amtsangehörigen Gemeinden sind, hochgradig gesteuert werden von den Bürgermeistern dieser amtsangehörigen Gemeinden.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und da wollen Sie beim Kreis, der sicherlich ein bisschen mehr ist als reiner Dienstleister für die kreisangehörigen Gemeinden, der aber rechtlich ein Gemeindeverband ist, da wollen Sie die Repräsentanten dieser Gemeinden, nämlich die Bürgermeister, aus dem Beschlussorgan dieses Gemeindeverbands fernhalten? Herr Saalfeld, das kann nicht sein.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Und das hätte ich gerne der Argumentation des Innenministers, was die Kompetenz und was das bewusste Wählen durch die Bürgerinnen und Bürger angeht, gerne noch hinzugefügt.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, inhaltlich kann ich mit diesem Gesetzentwurf wenig anfangen und ich möchte ihn auch heute ablehnen und nicht in den Ausschuss überweisen.

Ich möchte aber noch etwas hinzufügen, und das scheint mir vielleicht das Allerwichtigste zu sein: Herr Saalfeld, nach dem letzten Antrag, den Sie hier für Ihre Fraktion begründet haben, haben wir – auch nachdem wir beiden ein Gespräch geführt haben, das finde ich sehr gut – gesagt, wir machen eine Runde, eine Runde der kommunalpolitischen Sprecher der vier demokratischen Fraktionen mit den kommunalpolitischen Verbänden. Wir haben gesagt, wir nutzen den Innenausschuss, um dann mal unter „Verschiedenes“ den Ausschussvorsitzenden zu bitten, zu einer solchen Runde einzuladen. Und wir setzen uns dann mal als demokratische Kommunalpolitiker hin mit den Repräsentanten der kommunalen Verbände in diesem Land, mit den Vertretern des Städte- und Gemeindetages und des Landkreistags, und reden darüber, wo denn die Betroffenen eigentlich die Handlungsnotwendigkeiten für eine Novelle der Kommunalverfassung sehen. Ich halte das nach wie vor für einen guten Vorschlag, und ich halte das nach wie vor für einen Vorschlag, dem wir tatsächlich folgen sollten. Wir sollten hier nicht Kommunen mit einer Novelle beglücken, die diese vielleicht gar nicht wollen.

Sie haben – und so war eigentlich unsere Vereinba- rung – im Innenausschuss nicht die Initiative ergriffen, zu einem solchen Gespräch zu kommen. Ich habe gedacht, vielleicht hat er es vergessen, und ich habe Sie noch mal daran erinnert. Sie haben auch in der dann folgenden Sitzung die Initiative nicht ergriffen, zu einem solchen Gespräch zu kommen. Und bei mir drängt sich, das müssen Sie verstehen, die Frage auf, ob Ihre Motivation eigentlich wirklich dahin zielt, dass wir gemeinsam mit den kommunalen Verbänden zu einer Novellierung der Kommunalverfassung kommen, oder ob Ihre Motivation ausschließlich darin besteht, hier in diesem Landtag ein bisschen öffentliches Theater zu spielen?

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Sie werden gestatten, mehr und mehr drängt sich der Eindruck auf, dass Letzteres der Fall ist. Und deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Rösler von der Fraktion DIE LINKE.

(Heinz Müller, SPD: Frau Rösler geht auch mit, wenn man mit den kommunalen Verbänden redet.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es vorwegzusagen: Es ist ein Grundprinzip meiner Fraktion, Gesetzentwürfe demokratischer Fraktionen dieses Landtages ernst zu nehmen und in den zuständigen Fachausschüssen im Einzelnen zu beraten. Der vorliegende Gesetzentwurf, Herr Saalfeld, macht es uns jedoch nicht leicht, an diesem vernünftigen Prinzip festzuhalten.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte es zugespitzt auf den Punkt bringen: Dieser Gesetzentwurf ist durchzogen von kommunalpolitischem Misstrauen, dieser Gesetzentwurf ignoriert durchgehend bisherige Gesetzgebungsprozesse dieses Landtages und seines Vorgängers und dieser Gesetzentwurf stützt sich auf völlig undifferenzierte Analogien.