Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

Meine Damen und Herren, ich möchte es zugespitzt auf den Punkt bringen: Dieser Gesetzentwurf ist durchzogen von kommunalpolitischem Misstrauen, dieser Gesetzentwurf ignoriert durchgehend bisherige Gesetzgebungsprozesse dieses Landtages und seines Vorgängers und dieser Gesetzentwurf stützt sich auf völlig undifferenzierte Analogien.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU und Simone Oldenburg, DIE LINKE)

Das alles ist keine gute Diskussionsgrundlage. Wer diesen Gesetzentwurf ernst nimmt, und das habe ich getan, der wird am Ende feststellen müssen, dass ihm wertvolle Zeit gestohlen wurde.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

90 Prozent der Regelungen betreffen die Ausgestaltung von Bürgerentscheiden, und diese Vorschläge hat dieser Landtag an dieser Stelle in diesem Jahr, nämlich im Januar, abgelehnt. Geradezu entsetzt hat mich aber, Herr Saalfeld, dass Sie nicht nur den Gesetzestext wortgleich wieder vorgelegt haben, sondern auch an den Begründungen nicht eine Silbe geändert haben.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil wir einfach überzeugt sind.)

Meine Damen und Herren, hier wird die Wiederholung nicht nur zur Mutter der Weisheit, sondern zum Vater der Trägheit.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Hier hätte man erwarten müssen, dass Sie sich mit den in der Debatte vorgetragenen Gegenargumenten sachlich und fundiert auseinandersetzen,

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Stichpunkt „wichtige Angelegenheiten“, Stichpunkt „Negativkatalog“. Und man hätte spätestens jetzt erwarten können, dass Sie sich auch mit den gegenläufigen Überlegungen fachlich auseinandersetzen, nämlich das Zu

stimmungsquorum für Bürgerentscheide aus bestimmten Gründen wieder anzuheben. Ihr Vorgehen bei diesem wichtigen Thema lässt nach meinem Eindruck doch ein wenig die notwendige Ernsthaftigkeit vermissen.

Die verbleibenden zehn Prozent greifen die Mitteilungspflichten in Paragraf 23 und die Mitgliedschaft hauptamtlicher Bürgermeister in Kreistagen nach Paragraf 105 Kommunalverfassung auf. Hierbei ist Folgendes auffällig, Herr Kollege Saalfeld: Sie konstatieren pauschal einen Reformbedarf: „Die Kommunalverfassung ist reformbedürftig.“ Als Lösungsvorschlag übernehmen Sie Regelungen anderer Bundesländer und als Begründung wird dann angeführt, das hätten andere Bundesländer ja auch so gemacht.

(Andreas Butzki, SPD: Das ist bei fast allen Anträgen so.)

Also mit fundierter Gesetzgebung hat dies nicht so viel zu tun.

Mit den Paragrafen 23 und 105 hat sich im Übrigen auch der Landtag 2011 befasst, unter aktiver Beteiligung der kommunalen Landesverbände. Das alles kann man natürlich als unzureichend kritisieren, man sollte es aber nicht ignorieren. Und wenn dann schließlich Rechtsänderungen in Mecklenburg-Vorpommern mit Rechtsprechungen in Brandenburg begründet werden, dann gehört zur Redlichkeit auch die entsprechende Antwort der Landesregierung auf Ihre Kleine Anfrage zur Vereinbarkeit von Amt und Mandat auf Kreisebene, nämlich, „die Urteilsbegründung des Landesverfassungsgerichts Brandenburg (ist) auf die hiesige Rechtslage … nicht übertragbar“.

Meine Damen und Herren, mit der Änderung von Para- graf 23 soll die Mitteilungspflicht der kommunalen Vertreter um für die Ausübung ihres Mandates bedeutsame Angaben über ihren Beruf sowie andere vergütete oder ehrenamtliche Tätigkeiten erweitert und öffentlich bekannt gemacht werden können. Begründet wird dieser Regelungsbedarf ausschließlich mit Gemeindeordnungen anderer Bundesländer. In Brandenburg ist es übrigens nicht Paragraf 38 Absatz 3, sondern Paragraf 31 Absatz 3.

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD)

Diese Begründung ist mir eindeutig zu dünn.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wenn man berücksichtigt, dass hiermit auf gesetzlicher Grundlage in das Recht auf informelle Selbstbestimmung eingegriffen wird, dann ist das zwar zulässig, sollte aber nicht ganz so hemdsärmelig angegangen werden.

Wie steht es nun um das praktische Regelungserfordernis in unserem Bundesland? Welche schonenderen, eventuell freiwilligen Alternativen, etwa Ehrenordnungen, sind denkbar? Welche rechtlichen Pflichten aus anderen Gesetzen, etwa Aktiengesetz, sind zu berücksichtigen? Welche Erfahrungen – auch negative – gibt es mit dieser Regelung in anderen Bundesländern? Welche negativen Konsequenzen ergeben sich möglicherweise aus der Veröffentlichung von Daten hinsichtlich ihrer Aktualität, also der notwendigen Datenpflege, und vieles mehr? Die Offenlegung bestimmter sensibler persönlicher Verhält

nisse mag eine korruptionspräventive Wirkung auch im Sinne von Selbstschutz entfalten. Wir sollten uns aber davor hüten, gerade im Bereich des Ehrenamtes das Transparenzgebot zu idealisieren.

Meine Damen und Herren, nach dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen hauptamtliche Bürgermeister der zu einem Landkreis gehörenden Gemeinden zukünftig nicht mehr zugleich Kreistagsmitglied sein können. Hier würde mich am Rande schon mal interessieren, Herr Kollege Saalfeld, wie viele hauptamtliche bündnisgrüne Bürgermeister Sie im Einzelnen nach deren konkreten Interessenkollisionen befragen konnten.

Meine Damen und Herren, aus rechtlichen Gründen besteht in Mecklenburg-Vorpommern kein Bedarf für diese Gesetzesänderung, denn anders als Paragraf 12 Absatz 2 Nummer 2 Brandenburger Kommunalwahlgesetz verzichtet Paragraf 25 unserer Kommunalverfassung darauf, die Unvereinbarkeit von Amt und Mandat auch auf hauptamtliche Bürgermeister zu erstrecken.

Eine andere Frage ist, ob aus rechts- beziehungsweise kommunalpolitischen Gründen Handlungsbedarf gesehen wird. Die Bündnisgrünen bejahen diese Frage. Da aber die Landesdelegiertenkonferenz der GRÜNEN bereits im Jahr 2011 einen entsprechenden Beschluss gefasst hat, muss ich den Kollegen Saalfeld fragen, warum Sie das Thema nicht gleich im September letzten Jahres aufgegriffen haben.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht nicht alles gleichzeitig.)

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, die GRÜNEN möchten Interessenkollisionen zwischen Gemeinde- und Kreisebene durch weitere Beschränkungen des passiven Wahlrechtes beenden. Ich meine hingegen, dass in einem Abwägungsprozess notwendigerweise auch das aktive Wahlrecht einzubeziehen ist. Der hauptamtliche Bürgermeister hat sich sein Kreistagsmandat ja nicht in aller Heimlichkeit erschlichen. Das Kreistagsmandat ist Ausdruck des Wählerwillens. Gerade deshalb sollten wir einen Regelungsbedarf an der kommunalen Praxis unseres Landes abprüfen und nicht aus exterritorialer Rechtsprechung ableiten.

Meine Damen und Herren, ein anerkannter Fall von sogenannter Interessenkollision ist ohne Zweifel die Festlegung der Kreisumlage. Das ist hier heute auch schon mehrfach angesprochen worden, auch von Ihnen, Herr Saalfeld. In der Logik der GRÜNEN müsste ich dann aber vor allem sämtlichen ehrenamtlichen Bürgermeistern das passive Wahlrecht entziehen,

(Zuruf von Minister Lorenz Caffier)

denn eine erhöhte Kreisumlage berührt einen hauptamtlich verwalteten Haushalt sicherlich quantitativ stärker, für die ehrenamtlich verwalteten Gemeinden könnte sie hingegen existenzgefährdend sein.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss auch das Brandenburger Verfassungsgericht zitieren, und zwar zum Problem der Interessenkollision, mit dem die GRÜNEN ihren Vorschlag ja maßgeblich begründen. Das Gericht stellt fest, dass eine Einschränkung des passiven Wahlrechtes nur dann gerechtfertigt sei, wenn ansonsten der Gefahr von Interessenkollisionen nicht wirksam zu begegnen ist. Und an anderer Stelle lässt das Gericht den Gesetzgeber aber mit seinen Problemen allein, denn eine Überprüfung, ob es in der Vergangenheit zu entsprechenden Konfliktlagen und Interessenkollisionen gekommen sei, dürfte tatsächlich kaum möglich sein. Die Interessenkollision, so das Gericht, sei ein innerer Vorgang beim jeweiligen Abgeordneten, der nur selten offengelegt werden könne.

Meine Damen und Herren, das verspricht zumindest auch in dieser Frage eine wenig aufschlussreiche Ausschussberatung.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Reinhardt von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, vielen Dank! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Saalfeld, man könnte ja meinen, Sie und Ihre Fraktion sind ein wenig zu den Jägern und Sammlern übergegangen. Zu diesem Gesetzentwurf, den Sie ja, im letzten Jahr war es, glaube ich, eingebracht haben, haben Sie nun noch ein paar Details – man kann ja wirklich sagen, es sind nur ein paar Details – hinzugefügt. Und man kommt dann dazu: Sie haben etwas neuen Wein in einen ziemlich alten Schlauch gefüllt. Da steht zu Beginn …

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dieses Zitat haben Sie schon öfter gebracht.)

Ja. Das ist auch immer wieder zutreffend. Und Sie wissen ja, Frau Berger, bei der Wiederholung, vielleicht lernen Sie ja auch was daraus. Das soll ja auch festigen, ne?

(Heiterkeit und Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Wir kommen zunächst zu Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. Hier ist eigentlich alles gesagt. Wir haben uns da im letzten Jahr sehr, sehr, sehr lang drüber verständigt, und ich will es in einem Satz zusammenfassen: Meine Fraktion ist der Auffassung, dass die jetzigen Regelungen vollkommen ausreichend und auch zielführend sind.

Wir sind dann beim zweiten Punkt in Ihrem Gesetzentwurf. Das ist die öffentliche Bekanntmachung von vergüteten oder auch ehrenamtlichen Tätigkeiten – Gemeindevertreter, Stadtvertreter, Kreistagsmitglieder. Da stellt sich schon die Frage: Wünscht sich jetzt hier gerade die Fraktion der GRÜNEN so etwas wie den „gläsernen Gemeindevertreter“? Und mich hat das schon sehr erstaunt, weil gerade Sie ja auch immer den Datenschutz vor sich hertragen, aber es gibt ja auch so was wie das Recht auf Datenschutz für einen Gemeindevertreter. Wenn wir das alles umsetzen, was Sie da so vorhaben, glaube ich, wird es uns schwerfallen, überhaupt noch Kandidaten für so ein Amt zu finden.

Und ein Tipp noch: In Ihrer Begründung gehen Sie ja auf die Gemeindeordnung Brandenburg ein. Diese ist nach unserer Kenntnis bereits im Jahr 2008 aufgehoben worden. Insofern sollte die vielleicht nicht mehr als Begründung dienen.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Sie haben dann Punkt 3, da haben wir ja heute schon viel drüber gehört: Unvereinbarkeit von Amt und Mandat von hauptamtlichen Bürgermeistern. Und hier ist es in der Tat so, das ist ja rechtlich so verworren, dass man sich manchmal schon wünscht, das Verfassungsgericht wird hier präventiv tätig und sagt, wenn es so einen Antrag sieht: Stopp, stopp, macht gar nicht weiter damit, denn da sind so viele Widersprüche drin.

Sie haben das mit den ehrenamtlichen Bürgermeistern gehört. Ich kann Ihnen das, Herr Saalfeld, aus dem Kreistag Mecklenburgische Seenplatte berichten. Dort haben wir den Herrn Stein. Der dürfte Ihnen ja bekannt sein. Er ist ja bekanntlich der Bürgermeister von Malchow, hauptamtlich, und auch Mitglied der GRÜNEN. Der kämpft da immer sehr vehement auch für seine Region, für seine Stadt Malchow. Und ich weiß nicht, was er von dieser Idee hält. Wenn er das so gut findet, könnte er ja einen Schritt vorangehen und aus seiner Sicht dann freiwillig zurücktreten und den Platz für andere freimachen.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auch hier gilt: Gleiches Recht für alle.)

Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass er das nicht vorhat und dass er das auch, glaube ich, hier nicht unterstützen will.