Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Wenn der Wohngruppenvollzug nicht bloß auf dem Papier stehen soll, dann muss der Gesetzgeber klare Vorgaben machen. Vorschläge hierfür finden Sie in unserem Änderungsantrag.

Der zweite Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist die Neuregelung der Arbeitsentgelte und Verfassungskonformität. Das hat ja in der Presseberichterstattung in den letzten Tagen auch eine große Rolle gespielt. Frau Kuder, Sie haben in dem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Sie hier hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung zu einer anderen Einschätzung kommen. Das werde ich vermutlich in dieser Debatte auch nicht mehr verändern, aber ich möchte Ihnen zumindest versuchen zu begründen, warum wir das anders beurteilen und anders sehen.

Ich will dazu zitieren aus dem Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, Däubler/Galli und Lesting. Ich zitiere: „Der Bundesgesetzgeber hat in seiner am 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Neuregelung der Arbeitsentgelte auf 9 Prozent der Bemessungsgrenze angehoben und als Entlohnung daneben eine Freistellung von der Arbeit vorgesehen, die als Urlaub aus der Haft benutzt werden kann oder den Entlassungszeitpunkt nach vorne verschiebt.“ Das ist ja das, was Sie explizit gesagt haben.

Das Bundesverfassungsgericht hat die neue Regelung für verfassungsgemäß befunden. Auch da bestätige ich Frau Kuder. Zentrales Argument war, dass nicht finanzielle Entgeltleistungen auch auf dem freien Arbeitsmarkt vereinbart werden können. Eine solche Gegenleistung sei auch die Haftverkürzung. Hinsichtlich der Höhe des monetären Lohnanteils weist das Gericht allerdings darauf hin, dass dieser die äußerste Grenze verfassungsrechtlicher Zulässigkeit noch wahre, aber steter Überprüfung durch den Gesetzgeber zu unterziehen ist. Sollte, und das ist der relevante Punkt, eine gesetzliche Erhöhung des Entgelts in den nächsten Jahren ausbleiben, erscheinen angesichts dieser Erwägungen Verfassungsbeschwerden durchaus erfolgversprechend. Das ist das, worauf wir hingewiesen haben. Das ist der Punkt, weshalb wir hier an dieser Stelle zu einer anderen Einschätzung kommen und weshalb wir glauben, dass es sinnvoll gewesen wäre, hier umfassender nachzubessern, als das geschehen ist.

Und der letzte Punkt, meine Damen und Herren, ich möchte auf die Offenbarungspflicht eingehen: Im Gesetzentwurf heißt es, dass die Offenbarungspflicht dann besteht, wenn dies, und hier zitiere ich das Gesetz, „für die Aufgabenerfüllung der Anstalt oder Aufsichtsbehör- de … erforderlich“ sei. Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist eine sehr weitreichende Auslegung der Offenbarungspflicht, die, auch das ist in der Expertenanhörung deutlich geworden, Vertrauenspersonen wie etwa Psy- chologen oder Psychiater durchaus in Gewissenskonflikte treibt.

Herr Orlob, der von der Seite ja auch in der Expertenanhörung war, hat darauf durchaus hingewiesen und plastische Beispiele vorgetragen. Wir haben uns dann daran orientiert, wie machen das denn möglicherweise andere. Wir sind auch wieder auf den Kommentar des Strafvollzugsgesetzes gekommen, aus dem ich Ihnen gerade zitiert habe, und dort wird vorgeschlagen, die Offenbarung nur dann als zulässig anzusehen, wenn sich eine Notwendigkeit zur sofortigen Änderung des Vollzugsplans ergibt. Das genau ist der Vorschlag, den wir Ihnen zum Gesetzestext hier noch einmal unterbreiten, weil Sie sonst einen Rechtsstatus schaffen, der für den einen oder anderen, für die eine oder andere Vertrauensperson überaus problematisch ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die Freiheitsentziehung zum Strafvollzug ist eine der intensivsten Grundrechtseingriffe, die unsere Verfassung erlaubt. Tragen Sie durch die Schaffung eines entsprechenden Gesetzes dazu bei, dass dieser Grundrechtsbegriff nicht zu einer Grundrechtsverletzung wird! Stellen Sie sicher, dass dieses Gesetz den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes an einen modernen Strafvollzug Rechnung trägt! Und stellen Sie sicher für die Zukunft, dass wir uns nicht vor möglicherweise unbequemen Diskussionen wegducken, die zu führen sind, obwohl sie uns möglicherweise in der Öffentlichkeit keine Punkte bringen! – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Andrejewski.

(Heinz Müller, SPD: Chefjurist.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines der Ex-SED-Blätter machte sich Sorgen darüber, dass die Stammtische im Lande zu wenig Verständnis für die Rechte von Strafgefangenen haben könnten. Als zahlende Leser hat man die Bürger an den Stammtischen natürlich gern, auch wenn man sie ansonsten geringzuschätzen scheint. Was wollen die Stammtische, also das Volk, denn nun hinsichtlich des Strafvollzuges im Gegensatz zu den aufgeblasenen Pseudoeliten in Journalismus und Politik? Erstens, dass Straftäter, die zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, auch tatsächlich bestraft werden und nicht nur gemütlich untergebracht und therapiert, zweitens aber auch, dass die Straftäter nicht sofort wieder straffällig werden und Eigentum, Leib und Leben der Bürger gefährden.

Das müsste das hier vorgestellte Strafvollzugsgesetz leisten, was es aber nicht tut. In Paragraf 15 Absatz 1 heißt es: „Die Gefangenen werden im geschlossenen oder offenen Vollzug untergebracht.“ Es wird dabei, so ist es in der Erläuterung zum Gesetzentwurf dargestellt, bewusst auf ein Regel- und Ausnahmeverhältnis verzichtet. Beide Vollzugsarten stehen gleichberechtigt nebeneinander.

Das heißt, prinzipiell kann ein Strafgefangener vom ersten Tag an im offenen Vollzug untergebracht werden. Das kann bedeuten, tagsüber kann er ganz normal draußen seinen Geschäften nachgehen, ins Gefängnis muss er nur zum Schlafen. Das ist keine Strafe, das ist ein Witz.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Und zugute kommt das in aller Regel den Kriminellen mit weißem Kragen, den Wirtschaftsverbrechern, Millionenbetrügern und Millionensteuerhinterziehern, die so was auch eiskalt einkalkulieren. Falls Herr Hoeneß bei seiner Selbstanzeige einen kleinen Fehler gemacht haben sollte, sodass diese nicht strafbefreiend wäre, dann hätte er im Falle einer Verurteilung nicht mehr zu befürchten als das: tagsüber in der Villa und nur nachts im Knast.

Es sind eher die kleinen Kriminellen, die ihre Strafe auch wirklich voll absitzen müssen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: So wie der arme Sven Krüger, ne?)

auch tagsüber, und natürlich die politischen Gefangenen wie Axel Möller in Stralsund, den ich von dieser Stelle aus herzlich grüßen möchte.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oh Gott! Warum grüßen Sie denn nicht Sven Krüger?)

Der darf sich wahrscheinlich bald auf eine Verlegung in eine Wohngruppe freuen, denn im Paragrafen 13 Absatz 1 heißt es: „Der Wohngruppenvollzug dient der Einübung sozialverträglichen Zusammenlebens, insbesondere von Toleranz …“ Die Strafanstalten sollen wohl in Umerziehungslager für Leute mit der falschen Gesinnung umfunktioniert werden. Es wird sofort ein rechtsradikales gefährliches Netzwerk daraus gemacht, wenn Sie einander mal einen Brief schreiben.

(Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

Das Strafvollzugsgesetz trägt aber auch nichts dazu bei, dass Straftäter nach ihrer Entlassung keine Straftaten mehr begehen. In Paragraf 22 ist eine Pflicht zur Arbeit festgeschrieben, zumindest im Rahmen der Sozialtherapie. Sie sollte aber in der Weise entlohnt werden, dass der Gefangene in der Lage ist, sich sowohl die Kosten des Strafvollzugs selbst, die er ja als Verfahrenskosten zu tragen hat, und auch das zur Wiedereingliederung notwendige Startkapital durch seine Arbeit zu verdienen. Er soll bestraft werden, aber nicht ausgebeutet.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Kein Stammtisch hätte etwas dagegen, wenn ein Straftäter im Gefängnis arbeitet, dafür den für die jeweilige Tätigkeit üblichen Mindestlohn erhält und so die Aufwendungen, die der Staat für die Haft betreiben muss, selber ableistet und vielleicht auch noch die Opfer der Straftaten entschädigen kann, denn das Geld muss ja irgendwo herkommen. In dem Zusammenhang sollte sich die Justiz noch abgewöhnen, unschuldig Verurteilten, die entlassen werden müssen, von der ohnehin lächerlich geringen Haftentschädigung auch noch die Kosten für Kost und Logie im Knast abzuziehen.

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

Das ist dermaßen schäbig, dass einem die Luft wegbleibt und wohl nur mit der Rechthaberei einer Justiz zu erklären ist, die es als Majestätsbeleidigung wertet, wenn man ihr nachweist, dass sie mal Mist gebaut hat.

Dass gemäß Paragraf 29 Gespräche im Einzelfall überwacht werden können, wenn es dem Vollzugsziel dient,

ist weniger spektakulär. Warum soll es Strafgefangenen besser gehen als Bürgern in Freiheit, wo auch hemmungslos abgehört wird?

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Die NPD-Fraktion lehnt den Gesetzentwurf ab.

Ein Wort noch zur sogenannten Beratung im Rechtsausschuss. Dort wurde zu meiner Belustigung das Schweriner Modell ausnahmsweise mal gegenüber LINKEN und GRÜNEN angewandt. Sie haben Massen von Änderungsanträgen gestellt, sich den Mund fusselig geredet und wurden von den Koalitionären ohne Diskussion einfach so weggestimmt. Schweriner Weg mal zur Abwechslung gegen links und grün. Das war mal ganz lustig.

Und so viel auch zu den ach so gewaltigen und wichtigen Ausschüssen. Die sollen ja so unverzichtbar sein. Da soll die Arbeit gemacht werden. Davon war da nichts zu sehen. Da wurde einfach alles weggestimmt und fertig.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Waren Sie ausnahmsweise mal da?)

Ich war immer, ich bin immer da und schau mir das an.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Immer? Das wage ich zu bezweifeln.)

Im Rechtsausschuss bin ich immer da, oder? Ich langweile mich da meistens zu Tode,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Sie können sich auch mal einbringen.)

aber diese eine Sitzung war mal ganz lustig. – Vielen Dank dafür.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Ums Wort gebeten hat für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Detlef Müller.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zweiter Anlauf. Ich glaube, durch ein Büroversehen ist keine Berichterstattung des Ausschusses beantragt worden. Dafür bitte ich herzlich um Entschuldigung. Meine Fraktion hat mir aber etwas Redezeit zur Verfügung gestellt, die ich sehr gern nutze,

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD)

um als Ausschussvorsitzender hier doch noch einiges zur Arbeit des Ausschusses zu sagen. Dafür bedanke ich mich sehr herzlich. Ich habe dem Kollegen Müller zugesagt, es relativ kurz zu machen, und das will ich jetzt auch tun.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die Diskussion hat schon gezeigt, es liegen zwei schwergewichtige Gesetzentwürfe heute zum zukünftigen Strafvollzug in unserem Land auf der Tagesordnung – der erste Gesetzentwurf, den wir jetzt sozusagen besprochen und behandelt haben, vor der Mittagspause, sodass man also in der Mittagspause noch ein bisschen Zeit hat, das

zu verdauen, und nach der Mittagspause dann der zweite Gesetzentwurf. Ich finde, das ist schon sehr bemerkenswert, und dazu liegt hier, zu diesem jetzigen Gesetzentwurf, Ihnen eine Drucksache 6/1777, das ist die Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses, vor. Und es liegt Ihnen ein entsprechender schriftlicher Bericht über unsere Beratungen im Ausschuss vor.

Ich glaube, es ist heute auch ein ganz besonderer Tag, wenn man das so sagen darf, denn wir regeln heute wieder erstmalig einen Bereich, das kommt nicht so häufig vor, denn meistens haben wir die Dinge ja schon vor vielen Jahren sozusagen geregelt, die gesetzlich zu regeln sind. Hier geht es aber darum, dass im Zuge der Föderalismusreform wir nun zuständig sind für den Strafvollzug. Und insofern gilt es hier, Neuregelungen auf den Weg zu bringen.

Wir haben in diesem Zusammenhang bereits den Jugendstrafvollzug und auch den Untersuchungshaftvollzug durch Landesgesetze in den Jahren 2007 und 2009 geregelt. Mit der Regelung des Strafvollzugs, darauf haben meine Vorredner schon so ein bisschen hingewiesen, hat es etwas länger gedauert. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass zwischenzeitlich im Jahr 2011 das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung getroffen hat, die noch in die Erarbeitung des Gesetzentwurfes einzubeziehen war.

Der Entwurf der Landesregierung, Frau Ministerin Kuder hat darauf hingewiesen, beruht auf einem Musterentwurf, der gemeinsam mit neun weiteren Bundesländern erarbeitet wurde. Er wurde federführend in den Europa- und Rechtsausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss überwiesen. Der mitberatende Finanzausschuss hat uns mehrheitlich die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfes empfohlen. Wir haben im Rahmen der Beratungen eine öffentliche Anhörung durchgeführt. Die Kolleginnen und Kollegen sind darauf eingegangen. Wir hatten Experten aus Wissenschaft, aus der Praxis und aus den Kirchen, die ausführlich zum Gesetzentwurf Stellung genommen haben.

Ich selbst bin schon der Meinung, das war nicht langweilig. Ich selbst habe diese Anhörung als außergewöhnlich ertragreich angesehen. Die angehörten Sachverständigen, auch darauf haben die Vorredner hingewiesen, haben die Ausrichtung des Gesetzentwurfes am Resozialisierungsgedanken und die Orientierung am Musterentwurf begrüßt. Auch das neu geregelte Aufnahme- beziehungsweise Diagnoseverfahren wurde grundsätzlich für gut befunden.