Protokoll der Sitzung vom 17.11.2011

(Michael Andrejewski, NPD: Sicher ist sicher.)

Es geht um den grundsätzlichen politischen Ansatz der NPD. Sie will auf aggressiv-kämpferische Weise den demokratischen Rechtsstaat abschaffen. Dazu ist ihr nahezu jedes Mittel Recht.

(Stefan Köster, NPD: Das machen Sie ja schon.)

Dass einige Ihrer Gefolgsleute, Herr Pastörs, auch vor Straftaten nicht zurückschrecken, ist allen Abgeordneten in diesem Haus nur zu gut bekannt.

(Jörg Heydorn, SPD: Ja, ja. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, wer den Rechtsstaat missachtet und zu Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung greift, kann zu Recht als ideologischer Wegbereiter terroristischer Straftaten angesehen werden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer Deutsche für wertvollere Menschen hält als Nichtdeutsche, wer offen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass predigt, wer jede Menge verurteilter Straftäter in den eigenen Reihen hat, der kann seine Hände nicht in Unschuld waschen, wenn radikalisierte Anhänger dieser fatalen Ideologie zu den Waffen greifen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie, meine Herren von der NPD, säen die Gewalt und Sie, meine Herren von der NPD, tragen unmittelbare Verantwortung für die blutige Ernte.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) –

lächerlich. – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Jetzt, wo nach und nach die finsteren Machenschaften des nationalsozialistischen Untergrunds ans Licht kommen,

(Stefan Köster, NPD: Des Verfassungsschutzes.)

gilt erst recht: Ein Verbot der rechtsextremen NPD muss umgehend in Angriff genommen werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Nieszery.

Das Wort hat jetzt Herr Peter Ritter für die Fraktion DIE LINKE.

(Stefan Köster, NPD: Jetzt kommt der Grenzschützer. – Udo Pastörs, NPD: Jetzt kommt das Mitglied der Mauer- mörderpartei SED. Darüber redet er jetzt.)

Sind Sie fertig, Herr Pastörs?

(Udo Pastörs, NPD: Noch nicht, noch nicht.)

Nee, stört mich aber auch nicht.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Ein Blick in den tiefen Abgrund des Versagens“, so lautete kürzlich ein Zeitungskommentar.

(Michael Andrejewski, NPD: Das kann man wohl sagen.)

Die Medienberichte der letzten Tage über die ungeheuerlichen Vorgänge bestätigen zunehmend die bittere Erkenntnis, dass es mitten in der Bundesrepublik Deutschland – und ich füge hinzu, mitten im Landtag Mecklenburg-Vorpommern – Rechtsextremisten gibt, die auch nicht davor zurückschrecken, eine terroristische Vereinigung zu gründen. Und über die terroristische Vereinigung, über die wir jetzt reden, wissen wir, dass sie mutmaßlich für eine der schlimmsten Mordserien in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich ist.

Die Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund, der nach bisherigen Erkenntnissen mindestens drei Personen angehörten, hat seit dem Jahr 2000 mindestens neun Menschen ermordet. Ein Aufschrei der Entrüstung geht durch das Land. Ich meine, zu Recht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wo war der Aufschrei, als die ersten Morde passierten? Wo war der Aufschrei, als 2001 in Köln eine iranischstämmige Frau oder 2004 ebenso in Köln 22 Menschen bei Anschlägen verletzt wurden? Wo war der Aufschrei, als im April 2006 Halit Yozgat in seinem Internetcafé in Kassel erschossen wurde?

(Michael Andrejewski, NPD: Da war der Verfassungsschutz direkt mit dabei.)

Welche Schlussfolgerungen haben wir alle nach dem Pogrom von Lichtenhagen, welches sich im Jahr 2012 zum 20. Mal jährt, wirklich gezogen? Ist es nicht eher so, dass auch nach Lichtenhagen die rassistische Bedrohungssituation für Migrantinnen und Migranten und andere Minderheiten verleugnet und bagatellisiert wurde, zum Alltag gehörte und von der Politik kleingeredet wurde? Ist rechtsextremer Terror wirklich erst jetzt zur Gefahr geworden?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es nicht eher so, dass seit 1990 in der Bundesrepublik 137 Menschen durch Rechtsextremisten ermordet wurden? Darunter ist auch der Greifswalder Obdachlose Eckard Rütz, der am 25.11.2000 von Rechtsextremisten erschlagen wurde. Ist der Aufschrei, der jetzt durch die Politik, durch Öffentlichkeit und Medien geht, nicht eher Indiz für das Versagen von Politik, Öffentlichkeit und Medien? Wurden rechtsextreme Gewalt und Gefahr nicht zu lange verharmlost? Ich meine, ja. Deshalb darf es dieses Mal nicht

wieder nur bei einem Appell an den Aufstand der Anständigen bleiben. Es darf nicht wieder nur bei reflexartigen Forderungen nach Verboten bleiben, die dann wieder im Sande verlaufen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach Aussage des Generalbundesanwaltes verfolgt die NSU das Ziel, ich zitiere, „aus einer fremden- und staatsfeindlichen Gesinnung heraus vor allem Mitbürger ausländischer Herkunft zu töten“. Zitatende. Menschen türkischer und griechischer Herkunft mussten wegen der menschenverachtenden Einstellung der Täterinnen und Täter ihr Leben lassen. Auch der Mord an einer Polizistin geht auf das Konto der Neonazis. Und da ist es mir mit Verlaub relativ egal, ob diese Täterinnen und Täter Mitglieder der NPD sind oder nicht, rühmt sich doch auch die hiesige NPD damit, dass sie enge Beziehungen zu den Kameradschaften, auch zu den gewaltbereiten, im Land pflegt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Weitere bis heute ungeklärte Verbrechen, unter anderem der Mord an einem ausländischen Imbissbetreiber in Rostock aus dem Jahr 2004, werden jetzt neu aufgerollt und es ist zu befürchten, dass die NSU weitere Verbrechen geplant und begangen hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Demokraten sind uns einig, dass die abscheulichen Straftaten aufs Schärfste zu verurteilen sind, dass wir mit den Angehörigen mitfühlen. Vor allem aber drängt sich uns sicher eine Reihe von Fragen auf:

Wie kann es sein, dass drei gesuchte Neonazis oder

mehr mitten in Deutschland untertauchen, jahrelang im Untergrund leben, Banken überfallen, Bomben zünden und mehrere Morde begehen und von alledem die Sicherheitsbehörden nichts mitbekommen?

(Udo Pastörs, NPD: Die waren beteiligt.)

Wer hat dafür die Verantwortung und wer übernimmt

dafür die Verantwortung?

Ich frage mich und ich frage Sie: Ist die Entscheidung

der Bundesregierung tatsächlich richtig, die Mittel im Kampf gegen den Rechtsextremismus zu kürzen? Müssen wir nicht vielmehr im Gegenteil verstärkt alles tun, um das bürgerschaftliche Engagement und die zivilgesellschaftlichen Strukturen zu stärken?

Nimmt die Bekämpfung des Rechtsextremismus

wirklich zu viel Raum ein, wie es etwa die Bundes- familienministerin Schröder noch im letzten Jahr mitteilte?

Ist es nicht höchste Zeit, das Verbotsverfahren gegen

die NPD erneut anzugehen, weil sie offen verfassungsfeindlich auftritt und enge Kontakte zu gewaltbereiten Neonazis pflegt? Ein fünffaches Beispiel dafür sitzt hier im Landtag.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wozu brauchen wir wirklich einen Verfassungsschutz

und vor allen Dingen welche Befugnisse, Schwerpunkte und Ausrüstung braucht er?

Setzen wir die Prioritäten im Kampf gegen jedweden

Extremismus richtig?