Protokoll der Sitzung vom 26.04.2013

Für uns von der NPD-Fraktion verkörpert die Leiharbeit immer mehr den modernen Sklavenhandel in der Bundesrepublik Deutschland.

Durch die von der SPD mit zu verantwortende Deregulierung der Leiharbeit stieg die Anzahl der Beschäftigten in Leiharbeit bundesweit von 170.000 im Jahre 1996 auf mehr als 900.000 im Juni 2012. Und der Zeitraum der maximalen Überlassungsdauer wurde von einstmals 6 Monaten in drei Schritten auf 24 Monate ausgeweitet und schließlich von Rot-Grün unbefristet im Gesetz verankert.

Auch oder gerade in Mecklenburg-Vorpommern spüren wir die fatalen Folgen der SPD-Arbeitsmarktpolitik. Im Juni 2012 zum Beispiel gab es in MecklenburgVorpommern mehr als 90.000 geringfügig und mehr als 130.000 befristet Beschäftigte. Auch wenn sich hierunter Ausbildungsverträge befinden sollten, die Situation ist trotzdem schlimm genug.

(Torsten Renz, CDU: 34.000.)

Da bleiben immer noch rund 100.000, Herr Renz.

(Torsten Renz, CDU: Habe ich nicht bestritten.)

Zur gängigen Praxis gehört es unter anderem auch, Stammbelegschaften mit gut qualifizierten Arbeitnehmern auszudünnen, um diese dann wiederum zu deutlich schlechteren Konditionen wieder zu beschäftigen. So sieht die Situation in unserem Land aus.

Und aus den genannten Gründen war es die NPDFraktion, die bereits im Frühjahr 2011 durch einen Antrag hier im Landtag den modernen Sklavenhandel endlich stoppen wollte. Es war aber leider nur die NPD-Fraktion, die Handlungsbedarf erkannte. Alle anderen Fraktionen fanden zumindest zum damaligen Zeitpunkt nichts Verwerfliches am bestehenden Modell der praktizierten Leiharbeit.

Wir von der NPD-Fraktion fordern nach wie vor, dass Leiharbeitnehmer spätestens nach sechs Monaten in eine Festanstellung zu übernehmen sind. Wichtig ist aber auch, endlich die finanzielle Ausbeutung der Leiharbeitnehmer zu beenden. Das Prinzip „gleicher Lohn bei gleicher Qualifizierung“ muss endlich für alle Arbeitnehmer und ohne Ausnahmen durchgesetzt werden.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Auch für Ausländer?)

Dies gilt auch für gesonderte Flächen- und Haustarifverträge,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Auch für ausländische Arbeitnehmer, Herr Köster?)

die vom Prinzip

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Auch für ausländische Arbeitnehmer?)

„gleicher Lohn bei gleicher Qualifikation und Ausbildung“ abweichen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sagen Sie doch mal was dazu!)

Es besteht schon lange Handlungsbedarf. Wir stimmen dem Antrag der LINKEN zu.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Foerster von der Fraktion DIE LINKE.

(Stefan Köster, NPD: Arbeitsplätze zuerst für Deutsche, Herr Nieszery. Das ist ein normales, ganz natürliches Prinzip. – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Danke, das ist die rassistische Äußerung, auf die ich lange gewartet habe. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass es gut ist,

(Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Stefan Köster, NPD)

dass die Arbeitsministerin hier angekündigt hat, dass es eine entsprechende Bundesratsinitiative gibt. Ich darf meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass dann auch die Koalition, die dieses Land regiert, im Interesse der von Leiharbeit und den Auswirkungen der von Leiharbeit betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser Initiative zustimmt.

(Marc Reinhardt, CDU: Auf keinen Fall.)

Denn eine stärkere Regulierung und damit perspektivisch ein Zurückdrängen des Instruments der Leiharbeit auf seine ursprüngliche Funktion, nämlich auf die Abdeckung saisonaler Spitzen in der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, ist dringend geboten, um Lohndumping, unsichere Arbeitsplätze und schlechtere Arbeitsbedingungen für die betroffenen Beschäftigten endlich wirksam zu bekämpfen.

Und, Herr Renz, wir haben uns viel ausgetauscht über unterschiedliche Zahlenwerke. Ich rede als ehemaliger Arbeitnehmervertreter auch ganz gerne darüber, was Leiharbeit für diejenigen, die in solchen Beschäftigungsverhältnissen unterwegs sind, tatsächlich bedeutet. Und dann erlauben Sie mir hier aus einem Buch von Gerhard Schröder – und es handelt sich nicht um den Altkanzler a. D. – zu zitieren, das heißt: „Fleißig, billig, schutzlos: Leiharbeiter in Deutschland“. Da gibt ein Leiharbeitnehmer Folgendes zu Protokoll – ich leihe Ihnen das Buch übrigens gern mal aus –:

(Torsten Renz, CDU: Ich kenne das.)

„Ich habe ein Jahr bei mehreren Leiharbeitsfirmen gearbeitet. Das war die bislang schlimmste Zeit in meinem Leben. Ich habe das nicht für möglich gehalten, wie ich da behandelt worden bin. Zwei Wochen war ich in einer Kosmetikfirma, die haben mir einfach keinen Lohn gezahlt. Vielleicht haben die gedacht, der ist Ausländer, mit dem können wir das machen. Da habe ich da aufgehört und habe aus Wut die Sicherheitsschuhe mitgehen lassen. Anschließend bekam ich einen Brief von der Firma: ,Sie schulden uns noch 11,30 Euro.‘ Ich habe in der Zeit noch bei meinen Eltern gewohnt. Eine eigene Wohnung hätte ich mir gar nicht leisten können bei dem Lohn. Ich habe kein einziges Mal mehr als 6 Euro pro Stunde be

kommen. Und oft haben die bei den Stunden noch geschummelt, haben weniger abgerechnet, als ich gearbeitet hatte. Einmal wurde ich mit drei Leuten morgens zu einer Mülldeponie bestellt. Wir sollten um 5 Uhr in der Früh da sein. Wir machten uns also um 4 Uhr morgens auf den Weg. Als wir ankamen, sagte der Vorarbeiter: ,Ich brauche nur einen von euch, die anderen können wieder nach Hause gehen.‘ Und Geld haben wir dann natürlich auch nicht bekommen. So kann man doch mit Menschen nicht umgehen. Und ich bin einiges gewöhnt. Ich habe in Hotels Betten gemacht und in Restaurants gekellnert, halt die Jobs, die so anfielen. Das war nicht so toll. Aber die miesesten Jobs hatte ich generell als Leiharbeiter. Da darfst du dann nicht mal krank werden. Im Lager ist mir einmal ein 30-Kilo-Paket auf die Hüfte gefallen. Das hat höllisch wehgetan, alles war rot und geschwollen, ich konnte kaum noch gehen. Der Arzt hat mich für zwei Wochen krankgeschrieben, da hat mich die Zeitarbeitsfirma gekündigt. Ich sage Ihnen, die behandeln einen nicht mehr als Mensch, die behandeln einen wie eine Maschine.“

(Marc Reinhardt, CDU: Das ist keine Lesestunde hier. – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

„Wenn man nicht funktioniert, wenn man kaputt ist, dann ist sie wertlos, dann schmeißt man sie weg.“ So weit ein Bericht von jemandem, der über Jahre in solchen Beschäftigungsverhältnissen unterwegs war.

Und, Herr Kollege Renz, es ist übrigens unter den Arbeitnehmervertretern in allen demokratischen Parteien weitgehender Konsens, dass es eine stärkere Regulierung von Leiharbeit geben muss.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Da haben Sie recht.)

Und ich empfehle Ihnen daher, auch mal in die Papiere Ihres eigenen Arbeitnehmerflügels, nämlich der CDA zu schauen. Dort finden sich zwar auch anerkennende Worte zur arbeitsmarktpolitischen Bilanz Ihrer Kanzlerin, allerdings zeigen Ihre Kolleginnen und Kollegen anders als Sie ein deutliches Problembewusstsein für die Schattenseiten der Flexibilisierung am Arbeitsmarkt. Das kann auch nicht verwundern, weil sie genauso wie ich als Betriebs- und Personalrat oder als Gewerkschafterin oder Gewerkschafter in ihrem Arbeitsalltag mit den Auswirkungen unmittelbar konfrontiert waren.

Ich habe mal in den aktuellen Leitantrag an die 35. bundesweite Tagung der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft geguckt, für den Mai 2013. Dort heißt es unter anderem: „Wir wollen den missbräuchlichen Einsatz von Leiharbeit bekämpfen. Auf unsere Initiative hin bekennt sich die CDU … zum Grundsatz ,Gleiches Geld für gleiche Arbeit am gleichen Ort‘ in der Leiharbeit. Wir begrüßen, dass in der Branche nun ein Mindestlohn gilt. Aber immer noch verdienen Leihbeschäftigte oft viel weniger als Stammkräfte, die die gleiche Arbeit tun. Die Branchenzuschläge, die insbesondere IG Metall und IG BCE mit den Arbeitgeberverbänden der Leiharbeit vereinbart haben, sind erste Schritte zur echten Entgeltgleichheit. Wir erwarten, dass dieser Weg zu Ende gegangen wird: Letztlich muss … Entgeltgleichheit gelten – flächendeckend und branchenübergreifend. Erreichen die Tarifpartner keine Einigung, muss der Gesetzgeber handeln.“ Zitatende.

So weit aus dem Leitantrag Ihrer Kolleginnen und Kollegen. Die haben also das gleiche Empfinden wie wir und sie fordern in letzter Konsequenz genauso gesetzgeberische Aktivitäten. Vielleicht fragen Sie ja künftig mal bei der CDA nach, bevor Sie jeden unserer Anträge in der bekannten Art abkanzeln.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Meine Fraktion ist ganz klar der Auffassung, dass eine echte Durchsetzung der Gleichbehandlung von Stammbelegschaft und Leiharbeitnehmern bei der Entlohnung und der Frage der Arbeitsbedingungen nur dann möglich ist, wenn die tarifliche Öffnungsklausel aus dem Gesetz gestrichen wird.

Ich will es noch mal deutlich sagen: Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sind wesentlich häufiger von Niedriglöhnen betroffen. Im Jahr 2010 erhielten bundesweit sieben von zehn einen Lohn unterhalb der Niedriglohnschwelle von damals 10,36 pro Stunde. Und der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst lag in der Leiharbeit bei nur 55 Prozent des entsprechenden Verdienstes in der Gesamtwirtschaft – das ist hier ja in verschiedenen Redebeiträgen auch schon mal angeklungen –, und das, obwohl die Beschäftigten höchsten Flexibilitätsanforderungen gerecht werden und mit unsicheren Perspektiven umgehen müssen. Sie sind nämlich in aller Regel die Ersten, die in Krisenzeiten ihren Arbeitsplatz auch wieder verlieren. Sie arbeiten unter schlechteren Bedingungen und sie haben oft ein höheres Unfallrisiko, zusammengefasst: Sie sind de facto oft Beschäftigte zweiter Klasse, und das ist nicht länger hinzunehmen.

Die Tarifparteien haben zwar, das ist richtig, in einzelnen Branchen begonnen, tarifliche Regelungen für Leiharbeitskräfte auszuhandeln, aber dies entbindet uns als Politik ja nicht von der Verantwortung, weiter darauf hinzuarbeiten und auch auf gesetzlichem Wege das Prinzip „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ durchzusetzen

(Marc Reinhardt, CDU: Gleiche Leistung.)

beziehungsweise den Rahmen dafür zu schaffen, dass dies möglich wird. Tariflich fixierte Branchenzuschläge sind als temporäre Lösungen in Ordnung, sie erfassen jedoch nicht alle Leiharbeitskräfte, da ihre Durchsetzung entscheidend von der Organisationsmacht der Gewerkschaften in der jeweiligen Branche abhängt. Und folgerichtig finden Sie solche Regelungen zum Beispiel im gut organisierten Bereich der Metall- und Elektroindustrie, aber in anderen Branchen, insbesondere im Dienstleistungsbereich, eben nicht und auch nicht in den Unternehmen, die keinem Branchenverband angehören.

Zudem ersetzen sie keine Equal-Pay-Regelung, sie sehen lediglich eine Annäherung der Entlohnung an die der Stammbeschäftigten vor, aber keine volle Gleichstellung. Und wir meinen, das Prinzip „gleiches Geld für gleiche Arbeit“ muss ab dem ersten Einsatztag gelten, damit würde auch der Anreiz für Unternehmen, Leiharbeitskräfte zur Kosteneinsparung einzusetzen, entfallen.

Gleichbehandlung ist aber nicht nur hinsichtlich des Entgeltes, sondern auch bei der Arbeitszeit, den Urlaubsansprüchen, dem Arbeitsschutz oder den konkreten Arbeitsbedingungen wichtig. Es muss daher gesetzlich klargestellt werden, dass Leiharbeitskräfte in allen relevanten Bereichen gleichzubehandeln sind.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das ist völlig richtig.)

Ich hatte es im Rahmen der Einbringung bereits erklärt und will es hier noch einmal tun: Dass Leiharbeit überhaupt so interessant geworden ist, hat vor allem mit der Ausweitung der Verleihdauer und schließlich der totalen Streichung der Einsatzbegrenzung zu tun. Aus meiner Sicht sollte es jede und jeden von Ihnen bedenklich stimmen, dass die Hälfte des Beschäftigungswachstums im Jahr nach der Krise – Herr Renz hat darauf hingewiesen – laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit auf den Bereich der Leiharbeit und damit schlussendlich auf den Niedriglohnbereich entfielen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Ein Skandal ist das.)

Folgerichtig muss die Überlassungsdauer auch wieder begrenzt werden. Dabei ist von höchster Bedeutung, dass der Begriff „vorübergehend“ gesetzlich definiert wird. Dies gibt allen Parteien Rechtssicherheit, verhindert unnötige Klagen vor den Arbeitsgerichten und verhindert eine weitergehende Verdrängung von Stammbeschäftigung durch Leiharbeit.

In einem letzten Punkt will ich noch kurz auf den so oft zitierten Klebeeffekt zu sprechen kommen. Und noch mal: Die wenigsten Leiharbeitskräfte schaffen den Übergang ins Stammarbeitsverhältnis, ganze sieben Prozent. Und daher fordern die Gewerkschaften seit Längerem, dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, die ihre fachliche und persönliche Eignung bereits durch den wochen- oder gar monatelangen Einsatz im Entleihunternehmen nachgewiesen haben, bei gleicher Eignung Vorrang vor anderen Bewerbern haben.

Zu guter Letzt noch einmal der Blick auf die Lage in Mecklenburg-Vorpommern: Der DGB hat mal eine Sonderauswertung gemacht Ende 2011 und die hat erschreckende Details gezeigt. Von den im Land beschäftigten Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern konnte nämlich trotz Vollzeitarbeit der größte Teil von seinem Gehalt nicht leben und in der Konsequenz mussten sie dann einem Zweit- oder gar Drittjob nachgehen oder eben staatliche Transferleistungen beziehen.

Das heißt, zusammengefasst gilt auch bei uns im Land, dass es in keiner Branche ein derartig hohes Armutsrisiko trotz Arbeit gibt. Von daher ist Politik, von daher sind auch wir hier im Landtag in der Verantwortung. Es ist ja richtig, da es sich um gesetzgeberische Maßnahmen auf der Bundesebene handelt, können wir hier nur begrenzt aktiv werden, ich denke aber, die geschilderten Zustände sind es wert und machen es unbedingt erforderlich, dass alle diesbezüglichen Möglichkeiten genutzt werden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.