Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verstehen die Integration als einen wechselseitigen Prozess der gegenseitigen Annäherung von Zugewanderten und Einheimischen. Das bedeutet für die Einheimischen, sich zu öffnen und das Verständnis für eine kulturelle, vielfältige Gesellschaft zu entwickeln beziehungsweise weiterzuentwickeln. Wir alle können unseren Teil dazu beitragen, die Gesellschaft und das Miteinander gemeinsam besser zu gestalten. Und wir können und sollten voneinander lernen.
Dazu gehört natürlich an erster Stelle, dass wir Landespolitikerinnen und Landespolitiker die Bedingungen und Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich Migrantinnen und Migranten gut einleben können und nicht in einer Warteposition verharren müssen. Darauf ist Frau Schwesig eingegangen. Die nicht vorhandene oder nur eingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben macht die Menschen mürbe und krank. Das habe ich oft erlebt. Das trifft viele Migrantinnen und Migranten, vor allem aber Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldete. Sie haben wenige Möglichkeiten, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten.
In Mecklenburg-Vorpommern wurde die Residenzpflicht mit Beginn des Jahres 2012 abgeschafft. Das ist und war ein sehr guter Schritt.
Die räumliche Einschränkung ist aber immer noch vorhanden. Das ist der Fall, wenn ein Asylbewerber zu seinem Freund oder zu seinem Facharzt oder zu seinem Anwalt nach Lübeck fahren muss oder fahren soll. Das bedarf einer Genehmigung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Um diese Genehmigung zu bekommen, sind nur Gründe von erheblichem Gewicht ausschlaggebend. Zum Beispiel ist der Besuch eines kranken Familienmitgliedes genehmigungspflichtig, wenn es sich um eine schwere Krankheit handelt. Hinzu kommen natürlich Gebühren für jede Antragstellung auf Genehmigung. Das sind Hürden, die das Leben und die Freiheit der Betroffenen stark einschränken.
Daher ist es ein Anliegen dieses Antrages, zu prüfen, inwiefern die Bewegungsfreiheit auch für angrenzende Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Brandenburg, Hamburg erweitert werden kann.
(Stefan Köster, NPD: Warum nicht gleich für ganz Europa? – Zurufe von Minister Lorenz Caffier und Udo Pastörs, NPD)
Wir begrüßen die Gesetzesinitiative des Bundesrates vom März 2013, das Aufenthaltsrecht für Ausländerinnen und Ausländer zu verbessern und ein Bleiberecht für geduldete Flüchtlinge zu ermöglichen, die sich erfolgreich um Sprache und Arbeit bemühen.
Das ist ein sehr guter Schritt, liebe Kolleginnen und Kollegen, um belastende Situationen der Kettenduldungen zu durchbrechen.
Voraussetzung dafür ist aber, dass die Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldete die deutsche Sprache auch erlernen können und dass der Zugang zum Arbeitsmarkt auch machbar wird. Dazu haben wir im September 2012 einen Antrag gestellt, dass die Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern in den Gemeinschaftsunterkünften sowie bei dezentraler Unterbringung die deutsche Sprache lernen können.
Integration – wie heute gesagt wurde – ist ein langwieriger Prozess, der nicht nach sechs Monaten oder einem Jahr abgeschlossen ist. Ein erfolgreiches Gelingen dieses Prozesses ist für Zuwanderer anzustreben, auch für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Geduldete, denn viele von ihnen leben seit vielen Jahren in Deutschland. Niemand darf von den Integrationsbemühungen ausgeschlossen werden. Viele der hier lebenden Migrantinnen und Migranten sind gut ausgebildet und arbeiten dennoch häufig unterwertig und prekär oder finden gar keine Arbeit. Auch Diskriminierungen bei der Jobsuche und am Arbeitsplatz müssen ein Ende haben.
Das Gesetz zur Verbesserung und der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen muss im Sinne eines schnellen Zugangs zum Arbeitsmarkt zur Anwendung kommen. Dazu gehören auch die Bereitstellung und Finanzierung von Nachqualifikationen. Wegen des bestehenden und voraussichtlich weiter
steigenden Bedarfs an Fachkräften ist es ein wichtiger Schritt, den Arbeitsmarkt für alle hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund und auch für eine gezielte Zuwanderung zu öffnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die dezentrale Unterbringung war häufig ein Thema hier in dieser Legislaturperiode. Das haben wir jetzt genug behandelt und ich möchte auf die Einzelheiten nicht eingehen.
Abschließend möchte ich hier an dieser Stelle sagen, und das auch in Richtung der braunen Ideologie, dass wir alle, die Demokratinnen und Demokraten in Meck- lenburg-Vorpommern, die braune Gefahr der NPD erkennen
Sie jetzt, von der rechten Seite, glauben Sie nicht, dass es Ihnen gelingen wird, dass Sie Asylbewerberinnen und Asylbewerbern Angst machen. Der Schutz und die Sicherheit dieser Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften und anderswo ist ja unser großes Anliegen und Teil einer gelebten Willkommenskultur. Wir lassen die Flüchtlinge nicht im Regen stehen, wenn sie unsere Hilfe brauchen. – Vielen Dank für Ihr Zuhören.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir in Mecklenburg-Vorpom- mern, die es wirklich sehr nötig hätten, Zuwanderung haben möchten, dann müssen wir uns verdammt ins Zeug legen, dass das auch was wird.
Ich möchte zunächst einmal Herrn Al-Sabty natürlich sagen, was Sie hier vorgetragen haben – und das wissen Sie aus den vergangenen Diskussionen –, unterstützen wir seitens der SPD in den meisten Fällen. Auch die Ministerin hat darauf schon hingewiesen.
Aber ich möchte, gerade was die Begrifflichkeit angeht – „Willkommenskultur“ –, doch mal so ein bisschen mehr den Gesamtkontext herstellen, so will ich mal sagen. Zunächst einmal ist es ja kein neues Phänomen, dass Menschen zuziehen oder wegziehen oder in anderen Ländern oder auch in anderen Bundesländern wirtschaftliche Verbesserungen haben möchten. Allein aus Deutschland ziehen jährlich ungefähr 140.000 Menschen ins Ausland, weil sie sich dadurch Verbesserungen erwünschen, manche auch nur, weil sie woanders halt ein passenderes Klima vorfinden. Das kann ich für Norddeutschland nicht nachvollziehen. Ich finde, unser Klima hier ist optimal – keine größeren Naturkatastrophen,
bemängelt in einer noch ziemlich aktuellen Studie, dass in Deutschland eigentlich keine Willkommenskultur wirklich gut ausgeprägt ist. Also sie bemängelt, dass die Deutschen zwar über zu wenig Fachkräfte klagen, gleichzeitig aber gar nicht ernsthaft genug nach jungen Talenten im Ausland suchen. Und dieser Studie zufolge handelt es sich um ein Mentalitätsproblem. Das kann man kaum nachvollziehen, wissen wir doch alle, dass gesamtdeutsch betrachtet fast jeder Fünfte einen Migrationshintergrund hat. Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergründen liegt bei über 19 Prozent.
Flankiert wird diese OECD-Studie von einer Untersuchung des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, der wiederum zu dem Schluss kommt, im Ausland herrsche der Eindruck, dass in Deutschland ausländische Arbeitskräfte nicht besonders willkommen seien. Die Bundesvereinigung der Deutschen Unternehmensverbände hat daher auch im Juli 2012 für ihre Unternehmen einen Leitfaden für Unternehmen zur Willkommenskultur herausgegeben. Das Netzwerk für Integration durch Qualifikation, getragen durch die BA, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium für Bildung und Forschung, hat sechs Thesen zur Willkommenskultur aufgestellt:
Erst mal, Willkommenskultur betrifft alle. Sie steht für den Gedanken, dass Integration, egal ob gesellschaftlich oder arbeitsmarktbezogen, nicht nur eine Leistung der Migrantinnen und Migranten ist, sondern auch eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Aber das ist durch die vorhergehenden Beiträge ja schon ganz klar herausgestellt worden.
Willkommenskultur meint alle. Willkommenskultur – und das ist eine der Kernthesen – braucht Haltung. Das will ich näher noch erläutern. Sie ist nur dann effektiv und vor allem glaubwürdig, wenn sich die Grundhaltung der Menschen in Bezug auf Migration zum Positiven hin verändert und sich dies auch in den Leitbildern von Organisationen und vor allen Dingen auch Unternehmen widerspiegelt.
Es gilt, Zuwanderung als Ressource anzuerkennen und Menschen in ihrer ganzen Vielfalt von Alter, Geschlecht, ethnisch, kultureller oder sozialer Herkunft, körperlicher und psychischer Befähigung, religiöser Zugehörigkeit und sexueller Orientierung wertzuschätzen.
Willkommenskultur macht attraktiv. Das ist jetzt auf den Staat bezogen. Willkommenskultur braucht aber auch Umsetzung. Und Willkommenskultur braucht Anerkennung und Teilhabe.
Sowohl schon hier lebenden Personen als auch neu zugewanderte müssen als Bürgerinnen und Bürger mit allen Rechten anerkennt werden und ihre Teilhabe in gesellschaftlichen und politischen Bereichen muss gefördert werden. Darauf komme ich gleich noch mal zurück.
Im letzten Jahr hat die Bertelsmann Stiftung eine repräsentative Studie dazu herausgegeben, die gerade die Willkommenskultur in Mecklenburg-Vorpommern, ja, ein bisschen erhellen sollte. Wie sieht es überhaupt aus in der Bevölkerung?
Erst einmal stellt die Bertelsmann Stiftung einige Aussagen in den Vordergrund ihrer Studie. Und zwar heißt es darin, „bis 2050 wird die Bevölkerung im Land“ – also in Deutschland – „selbst bei einem jährlichen Zuzug von 100.000 Zuwanderern um 20 Millionen zurückgehen. Deutschland braucht in den nächsten Jahrzehnten Fachkräfte – nicht nur in naturwissenschaftlichen und technischen Feldern, sondern auch im Dienstleistungsbereich, insbesondere in der Pflege. Fachkräfte sind in allen Gesellschaften begehrt, die in den nächsten Jahrzehnten demografisch schrumpfen werden.“ Und da kann ich nur sagen, das trifft auf ganz Europa zu.
„Zuwanderer werden sich für Deutschland nur dann entscheiden, wenn es neben guten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt auch attraktive Lebensbedingungen für sie und ihre Familien gibt. Das hat mit konkreten Hilfen bei der Eingliederung zu tun, aber auch mit den Aussichten auf dauerhafte Perspektiven und Einbürgerung.“