Protokoll der Sitzung vom 30.05.2013

lagen bilden können. Und wenn ich mich recht entsinne, sind ja die Hochschulrücklagen im Moment bei 37 Millionen Euro.

Die Hochschulen haben aktuell 37 Millionen Euro Rücklagen. Das ist sehr unterschiedlich von Hochschulart zu Hochschulart oder Standort, aber es spricht jedenfalls dafür, dass in der Vergangenheit nicht eine prekäre Ausstattung der Hochschulen stattgefunden hat, sonst hätte man nicht 37 Millionen Euro Rücklagen bilden können. Ich würde allerdings auch sagen, in diesen 37 Millionen sind nicht nur Landesmittel enthalten, sondern Mittel, die zum Beispiel aus Drittmittelprojekten stammen. Insofern, glaube ich, sollte man das der Sache oder der Präzision halber auch sagen.

Das Zweite ist, Sie haben, Herr Al-Sabty, in Ihren Antrag eingeführt mit Verweis auf den Gesamtkontext, die Hochschulreform, was richtig ist. Ich weiß nicht, ob es einen kritischen Unterton gab in Ihren Ausführungen, dass es diese Hochschulreform gab und den Stellenabbau um 600. Ich wollte nur daran erinnern, dass das jedenfalls geschieht auf der Grundlage eines gemeinsamen Beschlusses der rot-roten Regierung. Damals, glaube ich, war das doch so, dass es eine rot-rote Koalition gab. Und insofern …

(Regine Lück, DIE LINKE: Das haben wir nicht vergessen. Aber erinnern Sie uns ruhig jedes Mal wieder, dass wir das gemeinsam gemacht haben.)

Nein, Moment! Frau Lück, das ist ja so, ich stehe da auch nach wie vor dazu, deswegen habe ich gesagt, ich weiß nicht ganz genau, ob Herr Al-Sabty da einen kritischen Unterton formuliert hat in seiner Rede. Das wurde mir nicht ganz deutlich, deswegen wollte ich vorsichtshalber daran erinnern.

(Heiterkeit bei Regine Lück, DIE LINKE)

Und ich würde in diesem Kontext dann auch noch mal auf das Argument der Studierendenzahlen eingehen. Sie haben einen Passus zitiert, in dem der Abbau der Stellen mit dem Rückgang an Studierenden begründet wird, und weisen zu Recht auf einen Widerspruch zur aktuellen Lage hin. Ich glaube, man muss dieses Papier allerdings im Kontext der Drucksache 4/1949, Seite 27 lesen. Das ist eine Unterrichtung durch die Landesregierung zur langfristigen Entwicklung der Hochschullandschaft. Und dort kann man, glaube ich, präziser nachlesen, was es meint, was der Stellenabbau vor dem Hintergrund voraussichtlich zurückgehender Studierendenzahlen bedeutet. Damit sind nämlich nicht die Studierendenzahlen insgesamt gemeint gewesen, sondern die Studierendenzahlen, die aus Mecklenburg-Vorpommern stammen. Ja. Und das hat folgenden Hintergrund. Es gab eine ganz lange Debatte in Mecklenburg-Vorpommern: Wie viele Studenten wird man denn in 10, 15, 20 Jahren haben und wie groß muss der Hochschulsektor sein?

Ich glaube, diese Frage sollte man eher einer älteren Dame mit Kristallkugel auf dem Marktplatz stellen, denn wissenschaftlich lässt sich das seriös nicht beantworten. Es gibt keine einzige Studierendenprognose, die jemals auch nur annähernd zugetroffen hätte. Auch die KMK liegt regelmäßig daneben. Und es geht einfach deshalb nicht, weil die Studierenden innerdeutsch so mobil sind, dass man nicht sinnvollerweise prognostizieren kann, wie

viele Studenten in irgendeinem Bundesland sein werden. Deswegen hat sich damals die rot-rote Koalition darauf verständigt, keine Studierendenprognose mehr abzugeben, sondern einen Planungsansatz zu wählen, und der geht wie folgt: Wenn jedes Bundesland mindestens so viele Studienplätze bereitstellt, wie es selbst Landeskinder hat, die studieren wollen – egal wo, sie müssen nicht im eigenen Land studieren –, dann hat man logischerweise in Gesamtdeutschland ausreichend Studienplätze. Das ist ein ganz einfaches Planspiel. Also haben wir gesagt, wir als Land möchten mindestens so viele Studienplätze bereitstellen, wie eigene Landeskinder studieren wollen. Dann können einige unserer Landeskinder woanders hingehen, dafür kommen andere Studierende hierher. Das ist ein faires Austauschsystem im Föderalismus.

Auf Seite 27, damals in der Beschlusslage, findet sich deshalb folgende Formel, die ich heute nach wie vor für sinnvoll halte. Da steht: „(12.500 x 0,4 x 0,8 x 5) = 20.000“. Und das werde ich jetzt kurz erläutern, was das heißt. Wir sind ausgegangen von durchschnittlich 12.500 Geburten im Jahr und einer Abiturientenquote von 40 Prozent, deswegen 0,4. Wir haben heute übrigens eine Abiturientenquote oder Hochschulzugangsberechtigtenquote so um die 30 Prozent, nicht von 40. Da ist also noch Luft nach oben. Dann haben wir gesagt, von diesen 40 Prozent gehen 80 Prozent auf die Hochschule über. Damals, als wir das gesagt haben, waren es 69 Prozent. Wir sind nicht sehr viel über diesen 69 Prozent, die 80 haben wir noch lange nicht erreicht. Da ist also noch Luft nach oben. Dann haben wir mal fünf multipliziert, weil wir angenommen haben, jeder macht einen Bachelor und Master, was beileibe nicht der Fall ist. Es gibt viele, die gehen nach dem Bachelor von der Hochschule. Auch da ist also Reserve drin. Unsere Berechnungen sagen, wir gehen davon aus, jeder macht mindestens auch den Master, dann kommen wir auf 20.000. Wir werden also langfristig höchstens 20.000 Studierende haben, die aus Mecklenburg-Vorpommern stammen.

Jetzt ist es aber so, dass die Hälfte unserer Studierenden aus dem Land immer woanders studiert: Berlin, Hamburg oder sonst wo. Das heißt, aus dem Land werden langfristig 10.000 Studenten hier studieren. Und jetzt ist die Frage: Wie viele Studienplätze oder Studiermöglichkeiten wird es in Mecklenburg-Vorpommern nach 2017, nach voller Wirksamkeit der Reform geben? Es sind 26 personalbezogene Studienplatzäquivalente. Man rechnet in der Kapazitätsplanung dann in aller Regel 20 Prozent obendrauf, weil es Langzeitstudierende gibt, Ausfälle und so weiter. Und dann landen wir bei ungefähr 29.000 bis 30.000 Studienplätzen, bei 10.000, die aus unserem Land hier studieren werden, und 20.000, die insgesamt studieren. Soll heißen: Wir bieten 50 Prozent mehr Studienplätze an, als wir selber überhaupt bräuchten, wenn alle hier studieren würden, und nur ein Drittel der Studienplatzkapazitäten, die wir hier haben, werden durch Landeskinder überhaupt genutzt werden.

Wir werden langfristig, wenn unsere Hochschulen ausgelastet sind, ungefähr zwei Drittel unserer Studierenden aus anderen Bundesländern haben. Das finden wir alle gut, ich sage es nur, dass wir weit über unseren eigenen Bedarf hinaus Studienplätze anbieten, und zwar nach der Reform. Und jetzt kommen obendrauf die Studienplätze, die wir durch die Hochschulpaktmittel finanzieren können. Wir haben ja heute 35.000 bis 37.000 Studenten, also sehr viel mehr, deutlich über 35.000. Das heißt, die

kommen noch obendrauf. Wir haben also langfristig dann, je nachdem, wie der Bund sich verhält, auch noch mal deutlich mehr als 30.000 Studienplätze.

Und vor dieser Perspektive, glaube ich, ist auch die aktuelle Debatte etwas anders. Die Frage ist nicht, muss man aufgrund der steigenden Studierendenzahlen mehr Geld bereitstellen, sondern die Frage ist: Wie viel Geld muss man bereitstellen, um die langfristig 26.000 Studienplätze, die personenbezogen finanziert werden sollen, was etwa 30.000 Studierende ermöglicht, um die sachgerecht auszufinanzieren? Wie viel Geld braucht man dafür? Das ist eine andere Frage, ist eine völlig …

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen geben wir die Hochschulpaktmittel auch den Hochschulen, damit sie über diese Kapazitäten hinaus Studienplätze anbieten, was sie ja auch machen, sonst hätten wir nicht so viele Studenten.

Das heißt, es ist eine etwas andere Frage, glaube ich, als Sie angedeutet haben. Aber das sind die Überlegungen von damals, die sich die rot-rote Koalition gemacht hat, die ich nach wie vor auch als sachgerecht empfinde. Denn stellen Sie sich mal vor, jedes Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland würde 50 Prozent mehr Studienplätze vorhalten, als es selbst überhaupt braucht. Wenn das jedes Bundesland machen würde, das wäre ein Eldorado der Hochschullandschaft. Es gäbe kaum Fächer mit Hochschulzulassungsbeschränkungen. Die Leute könnten studieren, was sie wollen. Das wäre wunderbar. Insofern würde ich sagen, an dieser Stelle verhalten wir uns wirklich vorbildlich.

Ob das aus Ihrer Sicht auch zutreffen wird auf die Frage, wie viel Geld die Hochschulen zusätzlich über den Doppelhaushalt auf Vorschlag der Regierung bekommen werden, werden wir dann sehen. Da freue ich mich auf die spannenden Debatten im Ausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Saalfeld für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gegen die Unterfinanzierung der Hochschulen setzt sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von Anfang an mit aller Kraft ein. Wir haben bereits dreimal in dieser Legislatur einen Antrag in den Landtag eingebracht zur Hochschulfinanzierung. Ich verweise auf die Drucksachennummern 6/85, 6/371 und 6/1140.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Frau Dr. Seemann, über die Qualität brauchen wir bei Ihren Anträgen erst gar nicht zu sprechen. Ich erinnere mich an einen sehr, sehr dünnen Urheberrechtsantrag, der auch noch von der Bundestagsfraktion abgeschrieben war.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Der war gut. Den haben wir auch angenommen.)

Alle Anträge von den GRÜNEN wurden bisher abgelehnt. An der Ausstattung der Hochschulen hat sich zwischenzeitlich nichts geändert und folglich haben sich die Probleme auch nicht in Luft aufgelöst.

Und, Herr Brodkorb, ich möchte der Ehrlichkeit we- gen richtigstellen, dass die Hochschulen nicht 37 Millionen Euro Rücklagen haben, sondern dass das zum größten Teil Rückstellungen sind – Sie hatten ja bereits die Drittmittelproblematik angesprochen –,

(Dr. Margret Seemann, SPD: 37 hat er auch gar nicht gesagt.)

und Rückstellungen sind einfach mal Mittel, wo Verpflichtungen draufliegen. Das heißt, die Hochschulen können darüber zum größten Teil gar nicht frei verfügen. Diesen Eindruck haben Sie aber gerade vermittelt.

(Minister Mathias Brodkorb: Nö.)

Das finde ich nicht ganz sauber.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Nee, hat er nicht. Und die Zahlen, die Sie eben genannt haben, waren falsch.)

Frau Dr. Seemann, ich glaube, der Minister braucht Ihre Unterstützung nicht.

Über Hochschulfinanzen könnten wir bekanntlich abendfüllende Programme durchführen. Ich werde mich aber hier beschränken. Daher gehe ich kurz auf die Bestimmungsgründe, auf die Entwicklung und auf die Höhe der Finanzierungslücke im Hochschulbereich ein. Drei Problemkreise sind hierzu von besonderer Bedeutung, und die bestehen im Übrigen nicht erst seit dem Jahr 2010, sondern reichen weit darüber hinaus zurück ins Jahr 2005:

1. der unauskömmliche Hochschulfinanzkorridor in Höhe

von 1,5 Prozent Steigerung pro Jahr, dieser gilt, wie gesagt, eigentlich schon bereits seit dem Jahr 2005,

2. die Problematik der Gleichzeitigkeit von Personalab

bau einerseits und Hochschulpaktverpflichtung andererseits,

3. die überdurchschnittliche Steigerung von Betriebskos

ten infolge der Preisentwicklung auf den Energiemärkten und infolge der höheren Verbräuche in den neuen Gebäuden und wegen steigender Studierendenzahlen.

Zunächst also zum Hochschulfinanzkorridor. Als der Hochschulkorridor vor acht Jahren zusammen mit dem Landespersonalkonzept festgeschrieben wurde, war ich hochschulpolitischer Referent im AStA der Universität Rostock. Jetzt stehe ich hier im Landtag und kann feststellen, alles, was die Studierendenvertretungen damals der Landesregierung vorgerechnet haben, ist eingetreten. Und wenn Sie, Herr Brodkorb, sagen, es gäbe keine seriösen Prognosen zu Studierendenzahlen, dann frage ich mich, warum wir als Studierendenvertreter das damals richtig prognostizieren konnten.

(Minister Mathias Brodkorb: Genial.)

Zunächst einmal hatten wir die Landesregierung, damals Rot-Rot, darauf hingewiesen …

(Dr. Margret Seemann, SPD: Seine Genialität, ja.)

Ja, das können Sie alles nachlesen. Das haben wir so prognostiziert, wie es heute eingetreten ist.

(Heinz Müller, SPD: Seine Genialität. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Damals Rot-Rot, hatten wir die Landesregierung darauf hingewiesen, dass ihre demografischen Projektionen, Stichwörter „Dohmen“ und „Seitz“, in Bezug auf die Studierendenzahlen falsch sind. Und in der Tat wurden es Jahr für Jahr immer mehr Studierende anstatt weniger.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Was hat er denn gesagt? Dass die falsch waren!)

Des Weiteren erklärten wir der Landesregierung, dass ein Hochschulfinanzkorridor in Höhe von 1,5 Prozent nicht auskömmlich ist. Stattdessen müsse mindestens eine jährliche Kostensteigerung von durchschnittlich 2 Prozent veranschlagt werden, um den Status quo zu erhalten. Und wie wir aus heutiger Sicht wissen, ist die Forderung nach 2 Prozent statt 1,5 Prozent Hochschulkorridor hinsichtlich der realen Kostensteigerung von uns Studierenden damals noch sehr zurückhaltend gewesen. Hinterher ist man immer etwas schlauer.

Aber was bedeutet der halbe Prozentpunkt mehr? Hört sich ja erst mal nicht viel an. Jedes Jahr einen halben Prozentpunkt weniger Steigerung bedeutet nach acht Jahren ein jährliches Finanzierungsdefizit von 8 Millio- nen Euro bei den Hochschulen. Unseren Hochschulen fehlen jedes Jahr also mindestens 8 Millionen Euro im Vergleich zum Jahr 2005.

Ich möchte an dieser Stelle auch mal mit dieser unsinnigen Behauptung von Bildungsminister Brodkorb aufräumen, dass die Hochschulen doch die Einzigen seien, denen überhaupt eine Steigerung von 1,5 Prozent zugesichert wurde.