Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an immer mehr Hochschulen in Deutschland wird die Einführung einer Zivilklausel diskutiert. Dies entspricht auch der akademischen Tradition, sich nach Albert Einstein und Wernher von Braun mit Technologiefolgeabschätzungen unter ethischen Dimensionen des Forschungsbetriebes aktiv auseinanderzusetzen. Diese Diskussionen vor Ort führen erfreulicherweise dazu, dass an immer mehr Hochschulen eine solche Zivilklausel verabschiedet wird. Infolgedessen sucht sich die wehrtechnische Forschung neue Orte. Der Druck auf Hochschulen ohne Zivilklauseln nimmt daher zu.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Auch wenn also momentan nur ganz wenige Projekte mit militärischem Hintergrund an den Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt werden, muss das nicht für immer so bleiben. Die Hochschulen könnten sich schon bald mit immer mehr Anfragen und Drittmittelanträgen konfrontiert sehen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Deswegen sollten wir die Debatte auch schon jetzt aktiv fördern, damit uns die Realität nicht irgendwann überholt.

Wie häufig wird nun eigentlich Forschung an den Hochschulen des Landes betrieben, die einen wehrtechnischen oder militärischen Hintergrund hat oder deren Auftraggeber eindeutig militärische Zwecke verfolgt? Hierzu habe ich vor knapp einer Stunde die Antwort zu einer weiteren Kleinen Anfrage von mir erhalten. Die Zahlen sind also ganz aktuell.

Ein Kooperationsvertrag – der Minister hat es schon teilweise vorgetragen – mit der Bundeswehr besteht aktuell mit der Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik mit einem Volumen von 330.000 Euro. Eine Verlängerung wird hierzu gerade verhandelt. Das Volumen soll voraussichtlich 211.000 Euro betragen.

Eine Kooperation mit der Bundeswehr besteht mit der Hochschule Neubrandenburg, und zwar unbefristet. Hier geht es um die Möglichkeit von Veranstaltungen der Bundeswehr zum Zwecke der Praktikanten- und Absolventenwerbung.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Ja, was ist daran denn schlecht?)

Ebenso besteht zwischen der Bundeswehr und dem Fachbereich Landschaftswissenschaften und Geomatik der Hochschule Neubrandenburg eine Kooperation in Höhe von knapp 100.000 Euro.

Zudem gibt es seit 1994 eine Drittmittelvereinbarung zwischen dem Verteidigungsministerium und dem Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik. Diese Vereinbarung verlängert sich jährlich automatisch und beträgt jährlich circa 120.000 Euro.

Innerhalb von drei Jahren wurde in Mecklenburg-Vor- pommern also etwa 1 Million Euro in wehrtechnischer und militärischer Drittmittelforschung umgesetzt. Das ist überschaubar, meine Damen und Herren.

(Egbert Liskow, CDU: Ja und? – Gelächter bei Udo Pastörs, NPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch wenn ich gerade nur positiv über den vorliegenden Antrag gesprochen habe, bitte ich dennoch darum, dass wir nachher nach Ziffern getrennt abstimmen, denn meine Fraktion wird dem Punkt 2 nicht zustimmen. Gleichwohl hier nur ein Prüfauftrag erteilt werden soll, ob eine gesetzliche Regelung geboten ist, haben wir GRÜNE für uns selbst diese Prüfung schon beantwortet. Wir wollen an den Hochschulen keine gesetzlich vorgeschriebene Zivilklausel. Wir wollen keinen diktierten Frieden sozusagen. Hier geht die Autonomie der Hochschule vor.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist richtig, Herr Saalfeld.)

Wir möchten stattdessen, dass sich die Mitglieder der Hochschulen und der Forschungseinrichtungen selbst auf den Weg machen, dass sie selbst die Notwendigkeit einer Zivilklausel erkennen und sich selbst zur Einhaltung dieser Regelung verpflichten. Nur durch einen breit getragenen Konsens entfaltet die Zivilklausel ihre volle Wirkung vor Ort.

Vorbildlich ist das, wie gesagt, an der Universität Rostock gelungen. Hier haben die Jusos eine sehr gute Rolle gespielt. Ich bedanke mich auch dafür und bitte dann eben entsprechend die SPD, hier diesen Antrag zu unterstützen.

Die Zivilklausel an Hochschulen sollten wir als Land natürlich fördern und somit den entsprechenden Initiativen per Beschluss den Rücken stärken. Aber wir sollten solche zivilgesellschaftlichen Initiativen nicht von oben diktieren, denn dann verpufft ihre eigentliche Wirkung und an den Hochschulen würden sie vor allem als Gängelung wahrgenommen. Das eigentliche Ziel der Zivilklausel, nämlich die Friedensförderung und die selbstkritische Reflektion der eigenen Forschungsarbeit, würde dann an den Hochschulen möglicherweise aus den Augen verloren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, falls nun die Frage aufkommt, warum wir GRÜNE einerseits den Hochschulen keine gesetzlichen Vorgaben für eine Zivilklausel machen wollen, andererseits vehement für ein klares Verbot von Veranstaltungen der Bundeswehr an allgemeinbildenden Schulen eintreten, dann kann ich diesen vermeintlichen Widerspruch schnell aufklären: Bei den Hochschulen besteht nicht wie an den Schulen die Gefahr der Überwältigung. An den Hochschulen haben wir es ausschließlich mit erwachsenen Menschen zu tun, an den Schulen dagegen zum größten Teil mit Minderjährigen. Deswegen wollen wir das sogenannte Überwältigungs- und Indoktrinationsverbot an Schulen gesetzlich sicherstellen. An Hochschulen sehen wir diese Gefahr und daher einen expliziten gesetzlichen Regelungsbedarf nicht.

Meine Damen und Herren, es wurde durch den Abge- ordneten Hikmat Al-Sabty schon angesprochen, dass eine wichtige Voraussetzung für die Bewertung der Drittmittelforschung die Transparenz ist. Hierzu verweise ich auf den Antrag meiner Fraktion mit der Drucksachennummer 6/560. Hierin forderten wir GRÜNE eine Veröffentlichungspflicht für Drittmittelverträge in Mecklenburg-Vor- pommern. Vielleicht sollten wir diese Initiative irgendwann mal wieder aufgreifen.

Meine Damen und Herren, ich fasse also kurz zusammen: Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird bis auf Ziffer 2 dem Antrag zustimmen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Seemann von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst einige Worte vorneweg. Ich wollte eigentlich mit einem Zitat und einer Frage beginnen, aber, Herr Saalfeld, Ihr Beitrag reizt mich doch, zunächst mal ganz klar hier etwas darzulegen: Und zwar sind wir hier nicht von der CDU majorisiert worden und haben hier keine eigene Meinung als SPD-Fraktion.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Deswegen ist der Minister ja auch rausgegangen zu dem Tagesordnungspunkt.)

Das stimmt bei diesem Antrag nun überhaupt nicht. Der Unterschied zwischen uns besteht – und, Herr Liskow, da teilt sich unsere Auffassung –, wir sind der Auffassung, so wie Sie auch, Herr Saalfeld, dass Dinge zur Zivilklausel an den Hochschulen geregelt werden sollen,

(Egbert Liskow, CDU: Das habe ich doch auch gesagt.)

während Herr Liskow – so hatte ich Sie verstanden, sonst habe ich Sie falsch verstanden – der Auffassung ist, es sei am besten, es gibt überhaupt keine Zivilklauseln, weder an den Hochschulen noch gesetzlich geregelt. Das ist ein Unterschied,

(Egbert Liskow, CDU: Da müssen Sie zuhören!)

den wir gegebenenfalls haben, Herr Liskow, aber ansonsten haben wir unsere Auffassung dazu.

(Egbert Liskow, CDU: Man kann es ja im Protokoll nachlesen.)

Mit dem Zitat, mit dem ich beginnen möchte, und mit der Frage wird eigentlich auch schon klar, worin unsere andere Meinung begründet ist. Und zwar hat Professor Dr. Wilfried Müller Folgendes gesagt, ich zitiere: „Warum muss immer gleich alles gesetzlich geregelt werden, wenn aktuelle Probleme diskutiert werden? Warum lässt die Politik die Hochschulen nicht selbst entscheiden?“

Herr Professor Müller ist nicht irgendein Rektor. Er ist Rektor, er ist aber nicht irgendein Rektor, sondern er war Rektor der Universität Bremen. Das ist genau die Universität, die immer wieder als Musterbeispiel genannt wird, wenn es um die Zivilklausel geht, und die auch in der Begründung zu diesem Antrag genannt wurde, weil sie seit 1986 eine Zivilklausel hat.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der Rektor einer solchen Universität eine gesetzliche Regelung zur Zivilklausel ablehnt, dann frage ich mich, ob die Antragsteller sich bei unseren Rektorinnen und Rektoren im Land schon mal erkundigt haben, wie diese zu ihrem Antrag stehen. Die Mitglieder unseres Arbeitskreises Bildung haben es gemacht. Seit zwei Wochen machen wir eine Bereisung unserer Hochschulen und neben den Hochschulfinanzen haben wir bislang mit einer Rektorin und zwei Rektoren unter anderem auch über das Thema Zivilklausel gesprochen.

Alle, mit denen wir bislang geredet haben, haben sich gegen eine gesetzliche Regelung ausgesprochen. Sie haben sich genau aus den Gründen gegen eine solche gesetzliche Regelung ausgesprochen, wie Herr Professor Dr. Müller es tat, und aus denen wir Abgeordneten der SPD-Fraktion diesen Antrag ebenfalls ablehnen werden. Wir lehnen den Antrag ab, da neben verfassungsrechtlichen Bedenken für uns Abgeordnete der SPDLandtagsfraktion – ebenso, wie Sie das auch gesagt haben, Herr Saalfeld – die Autonomie der Hochschulen ein hohes und schützenswertes Gut ist.

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Al-Sabty, ich bin mir sicher, dass Sie mit dem Antrag hehre Absichten verbinden. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass Sie sich rein von Friedensmotiven haben leiten lassen, und diese respektiere ich sehr und teile sie auch. Uns unterscheidet nur die

Auffassung, dass wir unseres Erachtens selbst aus diesen Motiven heraus nicht die Wissenschafts- und Forschungsfreiheit, die durch das Grundgesetz und die Landesverfassung garantiert werden, gesetzlich einschränken wollen. Jede Forscherin und jeder Forscher muss seinem Gewissen diese Frage stellen, sie für sich beantworten und daraus Konsequenzen ziehen, aber diese Entscheidung darf nicht durch ein Gesetz pauschal abgenommen werden. Es müssen ethische Fragen wie diese an den Hochschulen diskutiert und auch geklärt werden. Eine gesetzliche Fixierung der Zivilklausel würde der Autonomie unserer Hochschulen im Land zuwiderlaufen. Mit der gesetzlichen Zivilklausel würden wir jede Diskussion über das Für und Wider einer Zivilklausel und die autonome Entscheidung der jeweiligen Hochschule dazu unterbinden.

Es geht uns aber nicht nur um den Schutz der Forschungsfreiheit unserer Hochschulen. Der Staat und die Politik müssen die grundgesetzlich geschützte Forschungsfreiheit respektieren und schützen und wir müssen zudem unseren Hochschulen vertrauen, dass sie mit ihren Forschungsfreiheiten verantwortungsvoll umgehen. Ich habe volles Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein der Professorinnen und Professoren, Studierenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an unseren Hochschulen. Aus Gesprächen und Kontakten mit ihnen ist mir bekannt, dass dieses Thema intensiv an allen Hochschulen des Landes diskutiert wird.

So hat beispielsweise die Universität Greifswald in ihrem Leitbild Folgendes formuliert, ich zitiere: „Die Universität lädt Menschen jeglicher Herkunft und Überzeugung ein, an akademischer Bildung teilzuhaben, gemeinsam für die Erweiterung des Wissens zu arbeiten und Kompetenzen in allen Bereichen des menschlichen Lebens und Zusammenlebens auszubilden. Daraus ergibt sich die Verpflichtung für sie und für jedes ihrer Mitglieder, in Forschung, Lehre und Studium für eine freiheitliche, zivile und demokratische Gesellschaft einzutreten und sich für das friedliche Zusammenleben der Menschen und Völker einzusetzen.“ Zitatende.

Die Universität Rostock hat dies ähnlich formuliert, ich zitiere: „Lehre, Forschung und Studium an der Universität sollen friedlichen Zwecken dienen, das Zusammenleben der Völker bereichern und im Bewusstsein der Nachhaltigkeit bei der Nutzung der endlichen natürlichen Ressourcen erfolgen.“ Zitatende.

Auch wenn derzeit weniger Forschung an den Fachhochschulen stattfindet, so gibt es dort die gleichen Diskussionen, und genau daran können Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, sehen, dass die internen Diskussionen an den Hochschulen in vollem Gange sind. Diese Diskussion wird aber immer wieder durch neue Forschungsprojekte belebt. Warum wollen wir diese wichtigen Diskussionen durch gesetzliche Regelungen unterbinden?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wir wollen dies prüfen lassen, Frau Dr. Seemann.)

Nicht, dass Sie mich missverstehen: Ich finde es gut, wenn keine Forschung für die Rüstungsindustrie an unseren Hochschulen stattfindet. Aber ich finde es trotzdem falsch, wenn die Hochschulautonomie und die Wissenschaftsfreiheit gesetzlich eingeschränkt werden sollen, nur weil man gegebenenfalls kein Vertrauen in unsere Hochschulen hat. Wovor haben Sie Angst?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wovor haben Sie Angst, dass Sie diese Prüfung nicht durchführen lassen wollen?)

Haben Sie kein Vertrauen, weil Sie befürchten, dass sich die Meinung an den Hochschulen bezüglich der Zivilklauseln oder der Leitbilder ändern könnte und es in einem demokratischen Entscheidungsprozess zur Änderung der derzeitigen Selbstverpflichtung an unseren Hochschulen kommen könnte? Nach meinen Gesprächen mit Rektoren unserer Hochschulen bin ich mir noch sicherer, dass das nicht geschehen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was ich an dem vorliegenden Antrag aber nicht verstehe, ist – und, Herr Saalfeld, das haben auch Sie ein Stück weit gemacht –, dass Sie das Bundesverteidigungsministerium oder die Bundeswehr in eine Reihe stellen mit einem auf Gewinn orientierten Rüstungskonzern. Nein, die Bundeswehr hat einen verfassungsrechtlichen Auftrag, und das ist die Landesverteidigung.

(Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Unsere Armee ist nicht wie in anderen Ländern ein Staat im Staate, sondern deren Angehörige sind Staatsbürger wie wir alle.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und kann nur im Auftrag unserer Kolleginnen und Kollegen im Bundestag eingesetzt werden.

(Beifall Torsten Renz, CDU)