Protokoll der Sitzung vom 04.09.2013

Natürlich, Herr Renz.

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mecklenburg-Vorpommern ist Kinder- und Jugendland. Kinder- und Jugendförderung hat die größten Prioritäten. Das versuchen uns die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen tagtäglich und in jeder Landtagssitzung einzureden, doch Anspruch, Wirklichkeit und Haushalt fallen hier auseinander.

(Egbert Liskow, CDU: Schon wieder.)

Gerade heute ist in der Zeitung zu lesen: „Hilfsprojekte für Jugendliche stehen vor dem Aus“. Hier geht es konkret um die Kompetenzagentur in Neubrandenburg. Frau Gajek und ich, wir hatten eine Kleine Anfrage zu den Kompetenzagenturen gestartet, wo gesagt wurde,

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

die Antwort kann uns leider noch nicht gegeben werden, weil sich die Landesregierung zurzeit noch im Gespräch mit den Landkreisen und kreisfreien Städten befindet. Ich hoffe, das steht nicht unter dem Haushaltsvorbehalt, denn hier ist für die Kompetenzagenturen und für Jugendberufshilfe kein einziger Cent eingestellt.

Und kommen wir weiter zu dem Haushalt, der ja bekanntermaßen in Zahlen gegossene Politik ist.

(Egbert Liskow, CDU: Einbringung! Einbringung!)

Da kann man nur sagen, Kinder- und Jugendförderung kann bei Ihnen nicht die höchste Priorität genießen, denn sonst würde der Haushalt anders aussehen. Ich möchte Ihnen das an zwei Beispielen belegen:

Als Erstes für den Bereich Kinder- und Jugendarbeit. Hierzu muss man in den Einzelplan 10 blicken. Dieser macht deutlich, dass die Mittel für die Kinder- und Jugendarbeit immer weiter gestrichen werden, einfach, weil für die Landesregierung allein die Anzahl der 10- bis 26-Jährigen maßgeblich ist, und das, obwohl Frau Ministerin Schwesig Anfang des Jahres gesagt hat, dass der demografische Faktor nicht mehr allein maßgeblich sein soll. Im Haushalt ist davon nichts zu sehen. So sanken die Mittel für die Kinder- und Jugendarbeit der örtlichen Träger nach dem Kinder- und Jugendförderungsgesetz allein in fünf Jahren, von 2010 bis 2015, um 308.000 Euro.

Auch die Mittel für die Jugendarbeit der freien Träger sinken stetig, allein von 2010 bis 2015 um 571.000 Euro. Insgesamt 879.000 Euro in fünf Jahren – diese Zahl müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen!

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, das sollten sich mal alle aufschreiben! – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Auch der neu eingeführte Haushaltstitel „Jugendarbeit freier Träger außerhalb der Förderung nach dem Kinder- und Jugendförderungsgesetz“, der für Projekte mit Modell- und Innovationscharakter vorgesehen ist, kann diesen Abwärtstrend nicht stoppen. Eine Verankerung dieser Mittel im KJFG ist nicht vorgesehen. Dieser neue Titel heißt nichts anderes, als dass es immer vom Gutdünken der Landesregierung abhängt, ob sie für die Jugendarbeit der freien Träger weitere Mittel einsetzt und, wenn ja, in welcher Höhe. Das zunehmende Problem der fehlenden Basisfinanzierung für Jugendarbeit im Land wird damit nicht gelöst, und welche Folgen das haben kann, das haben wir erst im Februar dieses Jahres gesehen.

Die Landesregierung entschied sich für das laufende Förderjahr, im Bereich der Jugendarbeit zu kürzen. Die Verbände der Jugendarbeit haben das als willkürlich empfunden und diese Willkür setzen wir nun im Haushalt weiter fort. Mit Planungssicherheit für die Betroffenen hat das nichts zu tun. Nein, alle zwei Jahre gibt es wieder ein Bangen und Hoffen, ob sich die Landesregierung gnädigerweise dazu hinreißen lässt, die Förderung außerhalb des KJFG beizubehalten.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, nachdem die zuständige Ministerin unseres Landes nicht bereit oder nicht in der Lage war, ich weiß es nicht, die Abwärtsspirale bei der Förderung der Kinder- und Jugendarbeit zu stoppen, fordere ich Sie namens meiner Fraktion auf, diese Kinder- und Jugendpolitik zu korrigieren, die Finanzierung der Kinder- und Jugendarbeit auf sichere Beine zu stellen und das KJFG MecklenburgVorpommern endlich zu novellieren! Wir haben das bei den letzten Haushaltsberatungen schon gefordert und wurden von Ihnen abgewiesen.

Meine Fraktion wird sich auch bei diesen Haushaltsberatungen für die Sicherung der Kinder- und Jugendarbeit einsetzen und ich bin gespannt, wie Sie sich nach der von uns beantragten Anhörung zur Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit im Land verhalten und ob Sie sich wieder gegen die Kinder und Jugendlichen im Land und gegen die Kommunen positionieren, die die Suppe auszulöffeln haben, die Sie ihnen einbrocken.

Wir brauchen weitere Förderungen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, nämlich eine Förderung, die sich an den realen Bedingungen und Bedarfen, an den landesspezifischen Gegebenheiten orientiert und nicht an pauschalen Pro-Kopf-Zuweisungen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Wir brauchen Verlässlichkeit und ein Blick in die Wirklichkeit zeigt, dass wir von Verlässlichkeit im Land weit entfernt sind. Die Hansestadt Rostock, die Landeshauptstadt Schwerin, der Kreis Mecklenburgische Seenplatte, der Kreis Vorpommern-Greifswald – das sind alles Beispiele, wo wegen der finanziellen Situation die Kinder- und Jugendarbeit auf ungewissen Beinen steht. So wird aktuell im Kreis Vorpommern-Greifswald rechtsaufsichtlich dringend angeraten, im Bereich der Jugendförderung nur den aufgrund der Landesverordnung vorgeschriebenen Mindestsatz von 5,11 Euro pro Jugendlichen zu zahlen, und nicht, wie vom Kreistag beschlossen, 12,50 Euro pro Jugendlichen. Das ist doch eine Farce!

Wir schreiben, Frau Ministerin, bei der Kinder- und Jugendarbeit den Landkreisen und kreisfreien Städten

immer wieder die Zuständigkeit zu, doch diese sind aufgrund der finanziellen Situation nicht mehr in der Lage, bedarfsgerechte Kinder- und Jugendarbeit zu gewährleisten. Hier ist das Land in der Pflicht, endlich das KJFG anzupassen an die realen Gegebenheiten!

(Zurufe von Dr. Margret Seemann, SPD, und Helmut Holter, DIE LINKE)

Und, sehr geehrte Damen und Herren, Kinder- und Jugendarbeit muss sich nicht an den Bedürfnissen, Entschuldigung, Kinder- und Jugendarbeit muss sich nach den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen richten und nicht nach der finanziellen Situation der Kommunen. Lassen Sie uns im Haushaltsverfahren und auch darüber hinaus weiter um eine zukunftsfähige Kinder- und Jugendarbeit im Land streiten und die Abwärtsspirale endlich beenden!

Aber nicht nur die Träger der Kinder- und Jugendarbeit brauchen verlässliche Grundlagen, nein, es sind auch die in der Kinder- und Jugendarbeit Tätigen, die Jugend- und Schulsozialarbeiter. Der Antrag der Koalitionsfraktionen vom Mai dieses Jahres beschrieb die Situation der Jugend- und Schulsozialarbeiter trefflich. Unsichere und befristete Arbeitsverträge, das ist die tagtägliche Situation, mit der Jugend- und Schulsozialarbeiter zurechtkommen müssen. Und auch hier ist das Land, sind wir gefragt: Wir brauchen ein Bekenntnis zur Jugend- und Schulsozialarbeit

(Torsten Renz, CDU: Haben wir gegeben.)

als gleichberechtigte Angebote der Kinder- und Jugendarbeit.

(Torsten Renz, CDU: Haben wir gegeben, wird geklärt. Haben wir im Gesetz.)

Haben wir gegeben, Herr Renz, ich komme gleich dazu.

(Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Das Bekenntnis, werden Sie mir sagen, und Herr Renz bestätigt das gerade, findet sich im Koalitionsvertrag und im Antrag vom Mai.

(Torsten Renz, CDU: Wir, die Koalition.)

Aber dem Haushalt kann ich dieses Bekenntnis, gerade für Jugendsozialarbeit, nicht entnehmen. Schlimmer noch: Frau Ministerin, Sie kürzen die Mittel für die Jugendsozialarbeit bis 2020 um 1 Million Euro.

Die Landesregierung will sich immer mehr aus der Finanzierung zurückziehen und diese den Kreisen und kreisfreien Städten überlassen. Diese sind aber schon jetzt im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit dem Spardiktat des Innenministeriums ausgeliefert. Ich habe das Beispiel aus Vorpommern-Greifswald genannt. Aufgrund der finanziellen Sparzwänge bleibt ab 2015 zu erwarten, dass, wenn die Landesregierung sich schrittweise aus der Jugendsozialarbeit herauszieht, die Kommunen gezwungen sind, die Stellen der Jugendsozialarbeit weiter abzubauen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

So bleibt Ihr Bekenntnis ein Lippenbekenntnis.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Anstatt die Landkreise und kreisfreien Städte durch Förderkonzepte zu unterstützen, macht sich die Landesregierung bei der Jugendsozialarbeit einen schlanken Fuß und zieht sich schrittweise aus der Förderung zurück.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Meine Damen und Herren und Frau Ministerin, kommen Sie uns jetzt nicht damit, was Sie alles in Kitas investieren.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Dass Sie das tun, finden wir richtig und wichtig. Was Sie aber nicht tun sollten, weil es unredlich und nicht kinderfreundlich ist, sich des Engagements für Kitas zu rühmen und gleichzeitig weiter bei anderen Kindern und Jugendlichen zu kürzen.

Frau Ministerin, meine Damen und Herren Abgeordnete, für unsere Kleinsten das Beste zu wollen, das ist gut und richtig, aber es reicht nicht aus. Alle Kinder und Jugendlichen haben in unserem Bundesland die notwendige Aufmerksamkeit und Hilfe verdient. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Danke, Frau Bernhardt.

Ums Wort gebeten hat der Abgeordnete Herr Renz von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist einfach notwendig, dass ich hier für die CDU-Fraktion, möglicher- weise auch für die Koalition, nochmals Stellung beziehe. Nicht aufgrund der LINKEN – die wissen es eigentlich besser, dass das, was sie ausgeführt haben, sehr polemisch ist –,

(Regine Lück, DIE LINKE: Na, na, na!)

sondern aufgrund der Tatsache, dass wir so viele Besucher haben, ist es, glaube ich, notwendig, hier diese Klarstellung vorzunehmen,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

damit Sie, sehr geehrte Gäste, nicht diesen falschen Eindruck mitnehmen, dieses Schlechtreden, was gerade durch die letzten beiden Redner der LINKEN hier vorgetragen wurde.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das sind Tatsachen, Herr Renz. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)