für ein Land wie Mecklenburg-Vorpommern, das ja eben noch nicht die wirtschaftliche Stärke vergleichbarer Länder in Westdeutschland erreichen konnte, dass dieses Land in eine Situation gebracht wird, wo es sich fragen muss: Können wir mit den Mitteln, die wir selber haben, tatsächlich diese fehlende Finanzierung auffangen?
Ich würde mich freuen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, wenn der Wahlkampf vorbei ist und wir vielleicht auch auf der anderen Ebene wieder miteinander die Gespräche führen,
(Vincent Kokert, CDU: Schreien Sie nicht so laut! Sie sind da schneller mit in Verantwortung, Herr Schulte, als Sie gucken können.)
Aber es wäre schön, wenn man tatsächlich dann wieder dazu kommen würde, dass man die Probleme – gemeinsam vielleicht –, auch was die Fragen der Finanzierung durch den Bund betrifft, wieder angeht.
Aber in einem Punkt möchte ich auch noch mal ein bisschen Salz in die Wunde streuen. Es ist gesagt worden, hier eben, dass der Mangel an Auszubildenden in diesem Land eine Chance für die Jugendlichen darstellt. Das kann man natürlich erst mal so sehen und das ist für den einzelnen Jugendlichen sicherlich auch richtig. Wenn ich früher, vor ein paar Jahren, in der Situation war, als jemand, der einen Ausbildungsplatz gesucht hat, vielleicht mit 15, 16 Jahren, und ich mich beworben habe und in Konkurrenz stand mit 10, 12, 15 Mitbewerbern um einen Ausbildungsplatz, dann war das Risiko natürlich relativ groß, dass ich keinen Ausbildungsplatz bekommen habe. Das hat ja dazu geführt, dass sich diese Erkenntnis – und auch das ist etwas, womit wir uns auseinandersetzen müssen –, dass sich diese Erkenntnis bei vielen Menschen, auch bei älteren Menschen, bei Großeltern, Eltern von Jugendlichen sogar noch heute in den Köpfen festgesetzt hat. Und das ist, auch wenn es nur ein mentales Problem zu sein scheint, durchaus ein Problem, an dem wir arbeiten müssen.
Das ist heute nicht mehr so. Und das ist gut für die Jugendlichen, das kann man gar nicht oft genug sagen, es ist gut für die Jugendlichen, dass sie heute eben nicht nach Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin oder Niedersachsen gehen müssen, um einen Ausbildungsplatz zu finden.
Aber auf der anderen Seite muss man auch mal sehen, welches wirtschaftliche Risiko sich denn tatsächlich damit verbindet. Das, was wir heute für den einzelnen Jugendlichen als positiv erkennen,
ist für die Unternehmen ein massives Problem für die Zukunft. Es wird nämlich bedeuten – und das ist die eigentliche Herausforderung, vor der wir stehen –, es wird bedeuten, dass irgendwann der Fachkräftebedarf nicht mehr in diesem Land abgesichert werden kann, und zwar in der Breite. Wir haben das heute schon bei einzelnen Unternehmen, die viel Geld ausgeben, um Fachkräfte auch aus anderen Bundesländern in dieses Land zu holen, weil sie hier vor Ort tatsächlich nicht mehr diejenigen finden, die hier die Arbeit machen können.
Und dieses Problem wird sich verfestigen, wenn es – und deswegen komme ich noch mal auf dieses mentale Problem, das ich eben angesprochen habe –, wenn es uns erstens nicht gelingt, denjenigen, die heute hier leben, deutlich zu machen, und da bin ich wirklich dankbar für die Initiative, die die Landesregierung jetzt unter Federführung des Wirtschaftsministeriums ergriffen hat, dass man an die jungen Leute herangeht, auch über soziale Netzwerke, auch über Facebook, Twitter und wie sie alle heißen, dass man den jungen Leuten sagt, ihr habt eine Perspektive im Land, ihr habt eine Zukunftschance hier in diesem Land, ihr müsst nicht weggehen.
Aber wir müssen uns, und das ist auch eine große Herausforderung, wir müssen uns nicht nur an die jüngeren Leute wenden, wir müssen uns auch an ihre Eltern, an ihre Großeltern wenden, denn solange die nämlich in
ihren Familien, und ich habe gerade dieser Tage wieder ein Gespräch mit einer Lehrerin an einem Gymnasium geführt, die im Grunde genau diese Einstellung noch hatte, dass es keine Perspektive für junge Leute in diesem Land gibt, solange das so vermittelt wird, sind unsere Bemühungen vor Ort konterkariert.
Und der zweite Punkt, und das ist genauso wichtig: Wir müssen auch dazu kommen, dass wir junge Leute, egal, ob sie eine Ausbildung bei uns machen wollen oder ob sie schon eine Ausbildung hinter sich gebracht haben, hier in dieses Land reinholen, damit sie hier arbeiten, und zwar von außerhalb. Was wir nicht mehr dulden können, ist nicht nur der Fachkräfteweggang hier aus Mecklenburg-Vorpommern, sondern wir müssen im Endeffekt dazu kommen, dass wir junge Leute aus NordrheinWestfalen, aus Baden-Württemberg, aus Bayern davon überzeugen, dass sie eine Zukunftschance hier in diesem Land haben.
Und damit sie eine Zukunftschance haben, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gibt es zwei Möglichkeiten für uns oder zwei Voraussetzungen, die wir erfüllen müssen. Das eine ist natürlich, dass es attraktive Arbeitsplätze sind, dass es Arbeitsplätze sind, wo es auch Karriere- chancen gibt. Und deswegen finde ich es gut – und das ist ja das, was ich am Anfang meiner Rede angesprochen habe –, dass die Wirtschaftspolitik, dass die Förderpolitik sich inzwischen darauf ausrichten, dass man sagt, wir wollen nicht nur irgendwelche Unternehmen fördern, die hier eine Anzahl von Arbeitsplätzen schaffen, sondern wir wollen Unternehmen fördern, die hier selber zum Beispiel forschen, die Arbeitsplätze erschaffen, die auch für Leute interessant sind, die entweder aus unserem eigenen Land sind oder von anderen Bundesländern hier herziehen wollen.
Der zweite Punkt ist, und wir haben diese Debatte lange in diesem Haus geführt und sind damit immer noch nicht zu Ende, wenn ich das heute hier gehört habe, die Attraktivität eines Ausbildungs- und eines Arbeitsplatzes ist unmittelbar verbunden mit der Höhe der Ausbildungsvergütung und mit der Höhe des Lohns, der gezahlt wird. Und deswegen bin ich ja auch ganz froh, dass unsere Kollegen von der CDU hier in diesem Land es mit uns gemeinsam, zumindest in dem Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe, geschafft haben, über ihren eigenen Schatten zu springen, zu sagen, wir machen da mit.
Ich würde mich freuen, wenn dieses Schattenspringen vielleicht auch nach der Bundestagswahl weitergehen würde. Ich bin mir da im Moment noch nicht so sicher. Aber eins muss man auch sagen: 8,50 Euro oder 9 Euro oder wo immer auch der Mindestlohn angesetzt wird, ist …
also ich will der SPD nicht zu nahe treten, aber ich glaube nicht, dass sie alleine die Mehrheit haben wird, wenn man es mal da vielleicht reduzieren kann.
Aber, Herr Kollege Kokert, wenn ich Ihre Bundesvorsitzende und die Bundeskanzlerin immer wieder höre,
sie hat so viele Möglichkeiten genutzt, immer mal wieder ihre Meinung zu ändern, ich schätze mal, sie wird auch, was das Thema angeht,
noch sehr, sehr viele Möglichkeiten nutzen, immer wieder mal hü und mal hott zu sagen. Deswegen lassen Sie uns das mal abwarten.
(Heiterkeit vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Vincent Kokert, CDU: Da klatscht nicht mal die SPD.)
Lassen Sie mich doch bitte den einen Satz noch zu Ende führen: Der Punkt ist, wenn wir nicht den Leuten in diesem Land deutlich machen können, dass sie auch über einen Mindestlohn hinaus eine attraktive Vergütung hier erwarten können, und zwar im Wettbewerb mit allen anderen Bundesländern, mit allen anderen Standorten, dann werden wir dieses Problem nicht lösen können. Und deswegen sollten wir auch darauf Wert legen, dass wir attraktive Arbeitsplätze mit attraktiven Löhnen und attraktive Ausbildungsplätze in diesem Land schaffen. – Insofern bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und entschuldige mich für die Überziehung.
Ich mache noch mal darauf aufmerksam, jeder einzelne Redner hat erst mal nur zehn Minuten und kann dann, wenn die Fraktion noch Redezeiten hat, gern noch mal ans Mikro treten.