Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

denn wir brauchen eine sehr klare Regelung, wie denn diese Altfehlbeträge tatsächlich abgebaut und letztlich bezahlt werden sollen. Diese Regelung bleiben Sie uns schuldig. Und ganz nebenbei: In jeder ordnungsgemäß agierenden Gemeindevertretung wäre ein solcher Antrag damit gar nicht zulässig, denn auf der kommunalen Ebene haben wir eine Regelung, dass, wenn Mehrkosten entstehen, auch gesagt werden muss, wer die denn deckt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das gilt auch für Gesetzentwürfe.)

Diese Frage beantworten Sie hier nicht. Und von daher ist dieser Antrag eigentlich das Papier nicht wert, auf dem er steht.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe vorhin schon deutlich gemacht: Wir als Landesregierung – und dieses im Dialog mit den kommunalen Verbänden, ich denke, der Entschuldungsfonds ist hierfür ein handfester Beweis – haben Wege, aber noch nicht bis in alle Details. Und da muss man mit der kommunalen Ebene reden, um hier das Problem zu mindern und letztlich das Problem zu lösen. Auf diesem Weg werden wir vorwärtsgehen und wir werden vernünftige Lösungen für unsere kommunalen Körperschaften finden.

Für die LINKEN kann ich nur sagen: Sie sollten Ihren Arbeitskreis Kommunales und Ihren Arbeitskreis Finanzen vielleicht zukünftig passend im griechischen Restaurant abhalten. Da gehört er hin.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Danke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Saalfeld von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die hier vorgeschlagene Streichung des Paragrafen 25 des Landkreisneuordnungsgesetzes können wir wohl als klassischen Rückholantrag der LINKEN verstehen, denn Gleiches ist von ihr schon während des Gesetzgebungsverfahrens gefordert und beantragt worden.

(Torsten Renz, CDU: Sehr höflich ausgedrückt. – Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig! Richtig!)

DIE LINKE, so darf ich das mal interpretieren, ist dabei von zwei Hauptargumentationen geleitet – einerseits von einem verfassungsrechtlichen Bedenken, andererseits von einem politischen Argument, wonach Gemeinden nicht für die Schulden des Altkreises in Haftung genommen werden sollen. Beide Argumentationen haben eine gewisse nachvollziehbare Relevanz, werden mit dem vorliegenden Antrag meiner Ansicht nach aber nur unzureichend bedient. Die juristisch schwierige Bewertung über die Angemessenheit eines Eingriffes in die Selbstverwaltungsrechte einer Gemeinde – diese haben immerhin Verfassungsrang – ist zumindest umstritten. Eine Klärung und abschließende Bewertung kann jedoch nur die Judikative treffen. Deswegen hielt ich es auch im Sinne der LINKEN für unglücklich, genau jetzt diesen Klärungsprozess durch Streichung der Rechtsgrundlage zu beenden, denn das Urteil des Landesverfassungsgerichtes könnte auch für andere Bundesländer und für die Zukunft Signal- und Präzedenzwirkung enthalten.

Die politische Argumentation, wonach Gemeinden nicht für die Schulden der Altkreise haften sollen, ist für uns aus mehreren Gründen nur teilweise richtig. Wir brauchen Entscheidungen im Interesse der Gemeinden und Kreise. Mit Blick auf das zukünftige Zusammenwachsen der neuen Landkreise wäre es aber falsch, nur einen Teil der Gemeinden innerhalb des Kreises per Umlage für Schulden des Altkreises zu belasten. Dies würde zu ungleichen Entwicklungsvoraussetzungen innerhalb

eines Kreises führen und möglicherweise Strukturverwerfungen nach sich ziehen, die im Sinne eines nachhaltigen Zusammenwachsens der neuen Landkreise kontraproduktiv sind.

Unter dieser Voraussetzung, dass in Zukunft Bund und Land ihrer Verantwortung gegenüber den Kommunalfinanzen besser als bisher nachkommen, muss es aber auch vor Ort flexible und maßgeschneiderte Strategien der Altschuldentilgung geben. In manchen Kreisen ist möglicherweise die alleinige Altschuldentilgung durch den Kreis die beste Lösung, in anderen Kreisen vielleicht auch durch eine Umlage der Gemeinden des Altkreises, in wieder anderen Kreisen ist möglicherweise eine Kraftanstrengung aller Gemeinden und des Kreises sinnvoll, um entwicklungsstrukturelle Verwerfungen im Kreisgebiet zu vermeiden. In diesem Sinne äußerte sich der Vorsitzende der GRÜNEN-Fraktion des Landkreises Rostock Rüdiger Zöllick, dass man einen Teil der Gemeinden nicht mit den Schulden allein im Regen stehen lassen könne. Das ist keine bequeme, aber dafür eine sehr verantwortungsvolle Position, wie ich finde.

Die bisherige Regelung des Paragrafen 25 Landkreisneuordnungsgesetz ist für solche maßgeschneiderten Tilgungsstrategien zu inflexibel. Die Umlage auf die Altkreisgemeinden wird in Paragraf 25 mit dem Wort „sollen“ in Form einer imperativen Regelung dem Landkreis regelrecht vorgeschrieben und abverlangt. Hier komme ich, wie gesagt, zu einer anderen Einschätzung als der Herr Abgeordnete Müller von der SPD,

(Heinz Müller, SPD: Das ist legitim.)

denn „sollen“ ist ein sogenannter erwünschter Imperativ des Landesgesetzgebers. Die Kreise haben hier eigentlich keine Spielräume, davon abzuweichen.

(Heinz Müller, SPD: „Sollen“ heißt müssen, wenn können.)

Eine entsprechend deutlichere Öffnungsklausel zur Erweiterung des Entscheidungsspielraums vor Ort könnte hierbei Abhilfe schaffen. Den Paragrafen 25 aber einfach ganz zu streichen, würde die Rechtsgrundlage für eine Umlage völlig entziehen und wäre auch keine optimale Lösung.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN würde es demnach begrüßen, den Gesetzentwurf im Innenausschuss sowie im Europa- und Rechtsausschuss nochmals zu beraten

(Marc Reinhardt, CDU: Der auch noch.)

und dort die Möglichkeiten einer deutlichen Öffnungsklausel für den jetzigen Paragrafen 25 im Landkreisneuordnungsgesetz zu suchen. Sollte der Gesetzentwurf der LINKEN nicht in die Ausschüsse überwiesen werden, wird sich meine Fraktion der Stimme enthalten, da weder die gültige Regelung noch der vorliegende Änderungsvorschlag eine adäquate Lösung der Sachverhalte vor Ort liefern. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke.

Das Wort hat jetzt von der Fraktion der CDU Herr Reinhardt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel des Landkreisneuordnungsgesetzes in Mecklenburg-Vorpommern war es und ist es, zukunftsfähige Verwaltungsstruk- turen zu schaffen beziehungsweise zu erhalten. Diese sollen dauerhaft in der Lage sein – und das, glaube ich, wollen wir alle –, öffentliche Dienstleistungen zu erbringen, die notwendige Infrastruktur vorzuhalten und insbesondere ehrenamtliches Engagement zu ermöglichen. Dies setzt – und das ist, glaube ich, allen bewusst – eine dauerhafte Leistungsfähigkeit der kommunalen Ebene und eben auch der Landkreise voraus.

Ich möchte deshalb ausdrücklich hervorheben, dass die Altfehlbetragsumlage eingeführt wurde, um die neuen Landkreise zu entlasten und ihnen einen möglichst schuldenfreien Start zu ermöglichen, denn eigentlich waren alle alten Landkreise verpflichtet, zur Landkreis

neuordnung am 5. September 2011 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Dies haben aber nicht alle Landkreise, und das wissen wir ja, geschafft, ob aufgrund eigenen Verschuldens oder anderer Gründe – wir haben davon ja schon einiges gehört heute – sei jetzt hier mal dahingestellt. Darum geht es im Grunde eigentlich auch nicht.

Grundsätzlich ist es so, wenn eine Rechtspersönlichkeit aus dem Rechtsverkehr verschwindet, dann übernimmt der Rechtsnachfolger alle Rechte, aber auch Pflichten. Nach der Landkreisneuordnung wäre nun also der Neukreis als Rechtsnachfolger für die Abtragung der Altfehlbeträge zuständig. Da sich die neuen Landkreise aber oftmals aus Landkreisen mit und ohne Altfehlbeträge zusammensetzen, hätten die Gemeinden des Landkreises ohne Fehlbeträge für die Schulden eines anderen Landkreises aufkommen müssen. Auch bei unterschiedlich starker Verschuldung wären alle Gemeinden des neuen Landkreises gleichmäßig an der Tilgung beteiligt gewesen. Um diese Ungerechtigkeiten zu vermeiden, wurde die Altfehlbetragsumlage im Landkreisneuordnungsgesetz verankert. Danach sind für die Altfehlbeträge eines Kreises auch nur die Gemeinden des Altkreises heranzuziehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir alle wissen, die Haupteinnahmequelle eines Landkreises ist die Kreis- umlage, die der Landkreis von den kreisangehörigen Gemeinden erhebt. Im Rahmen des Verfassungs- und des Haushaltsrechts sowie der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit steht den Landkreisen bei der Festsetzung der Kreisumlage ein Gestaltungsspielraum zu. Aufgrund dieser Tatsache und der dennoch hohen Verschuldung mancher Landkreise konnte der Landtag der letzten Legislatur davon ausgehen, dass die Kreisumlage eines verschuldeten Altkreises eben nicht hoch genug war und ein wirtschaftliches Handeln des Altkreises somit nicht gewährleistet war. Diese finanziellen Vorteile der Vorjahre müssen nun von den Gemeinden des Altkreises nachträglich ausgeglichen werden.

Das Land lässt die Gemeinden der Altlandkreise aber nicht mit ihren Schulden im Regen stehen. Um den Abbau der Altfehlbeträge zu erleichtern, erhalten die neuen Landkreise eine vom Land finanzierte Strukturbeihilfe von 12 Millionen Euro. Die erste Rate erhielten die Neulandkreise bereits zum 31.10.2011, die zweite Rate kommt am 30. April 2012 und zusätzlich erhalten die neuen Landkreise zum 01.01.2013 weitere 12 Millionen Euro als Anschubfinanzierung. Zusätzlich haben wir, haben die Koalitionspartner – und das haben wir ja auch schon oft genug diskutiert – einen Konsolidierungsfonds in Höhe von 100 Millionen Euro vereinbart. Auch dieser soll den Landkreisen, kreisfreien Städten und den großen kreisangehörigen Städten zur Haushaltskonsolidierung, und dort speziell zum Abbau der Altschulden, dienen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung und der Landtag wollten mit der Umsetzung der Kreisstrukturreform nicht, dass schuldenfreie Städte und Gemeinden für die Schulden anderer Kommunen bezahlen müssen. Würde es die Altfehlbetragsumlage nicht geben, wären letztlich alle Gemeinden des neuen Landkreises über die Kreisumlage zur Deckung bestehender Althilfebeträge heranzuziehen. Dies wäre gegenüber Gemeinden, die in und mit ihrem Landkreis sparsam gewirtschaftet haben, äußerst ungerecht. Um die Gemeinden des defizitären Altkreises nicht zu sehr zu be

lasten, sind die neuen Landkreise bei der Erhebung der Altfehlbetragsumlage natürlich gehalten, die finanzielle Leistungsfähigkeit der betroffenen Gemeinden zu berücksichtigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass dieses Vorgehen nicht auf breite Zustimmung bei den Gemeinden von defizitären Altkreisen stößt, dessen bin ich mir bewusst. Eine Gemeinde strebt deshalb – und das haben wir heute schon gehört, die Stadt Parchim ist es – vor dem Landesverfassungsgericht eine Überprüfung dieser Regelung an. Das Urteil wird für Ende Januar 2012 erwartet. Aus Respekt vor dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes sollte die Entscheidung dieses Gerichts abgewartet werden. Erkenntnisse, die ein sofortiges Handeln erzwingen, liegen nicht vor und konnten von der Linksfraktion aus meiner Sicht auch nicht entsprechend dargelegt werden. Insofern lehnen auch wir den Gesetzentwurf ab und werden auch einer Überweisung nicht zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke.

Das Wort hat jetzt Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Altfehlbetragsumlage geht es nicht in erster Linie um Geld, sondern um Demokratie. Seit 21 Jahren gibt es in Mecklenburg-Vorpommern Landkreise und Kreistage. Jedes Jahr wurde in diesen Kommunalvertretungen lang und breit der Haushalt diskutiert in Erster und in Zweiter Lesung und dann auch beschlossen. Zu den umstrittensten Punkten gehörte dabei immer die Kreisumlage. Wie es die 1990 einmarschierten Westparteien gelehrt und die Einheimischen brav gelernt haben, hat die jeweilige Mehrheit in diesen Diskussionen demokratisch entschieden, ob die Kreisumlage erhöht wurde und, wenn ja, in welchem Ausmaß. Und dabei sollte es eigentlich auch bleiben in einem Staat, der sich so penetrant immer demokratisch nennt.

Durch die im Paragrafen 25 Landkreisneuordnungsgesetz normierte Altfehlbetragsumlage wird jetzt aber ein Großteil dieser Entscheidungen nachträglich aufgehoben, denn, wie es in der Begründung der Beschlussvorlage auch heißt: „Für den Landesgesetzgeber gilt die Altfehlbetragsumlage ,als Nachholung der früher nicht erhobenen Kreisumlage‘“. 20 Jahre kommunale Parlamentsarbeit werden mit einem Federstrich einfach hinweggefegt. Wozu sollen sich das Ehrenämtler, die gerade geehrt wurden, eigentlich noch antun, sich ins nicht gerade einfache Haushaltswesen einzuarbeiten und sich durch die Zahlenkolonnen zu wühlen, vielleicht noch zusätzlich zum Kreistag im Finanzausschuss, wenn hinterher sowieso auf Diktatur umgeschaltet wird?

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Die Landesregierung hätte die Möglichkeit gehabt, in all diesen Jahren die Haushaltssatzungen, die eine für ihren Geschmack zu niedrige Kreisumlage enthielten, nicht zu genehmigen. Aber sie hat die meisten Haushaltssatzungen dann doch genehmigt und damit auch einen Vertrauenstatbestand geschaffen, von dem sie jetzt nichts mehr wissen will. Und zu welchem Zweck? Um Schulden

zu verschieben von einer kommunalen Ebene, den Kreisen, zur anderen, den Gemeinden.

Die Gesamtschulden der sogenannten kommunalen Familie bleiben gleich, ein Nullsummenspiel, eine völlig sinnlose Aktion, zumal Gemeinden, die durch die Altfehlbetragsumlage in existenzielle Schwierigkeiten geraten sollten, sowieso gerettet werden müssen, dann vielleicht durch Sonderzuschüsse der Kreise, die diesen dann von der Landesregierung aufgedrückt werden, Hauptsache, die Landesregierung kann mit einem ausgeglichenen Haushalt protzen, immer schön auf Kosten der kommunalen Ebene. Schade um die vielen Arbeitsstunden, die in diese Pseudoreform investiert wurden, und um die zahllosen Anhörungen und Sitzungen und das tonnenweise gedruckte Papier. Nicht nur diese Altfehlbetragsumlage muss weg, sondern das gesamte absurde Großkreisprojekt,

(Torsten Renz, CDU: Und Sie.)

das eine Schnapsidee war und ist.

Und Sie auch.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Wollen wir mal hoffen, dass die angerufenen Gerichte im richtigen Sinne entscheiden. Wenn nicht, müsste das Gesetz in der Tat geändert werden. Wir stimmen jedenfalls für diesen Antrag.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wie schön.)