Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist einfach notwendig, bestimmte Fragen erst einmal im geschützten Raum vorzuberaten und auszuloten. Nicht jede noch so kleine Idee kann und muss gleich zu Markte getragen werden. Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach hat es sehr schön formuliert, ich zitiere: „Wer in die Öffentlichkeit tritt, hat keine Nachsicht zu erwarten und keine zu fordern.“
Es ist doch zu befürchten, dass der tatsächliche Entscheidungsfindungsprozess im Falle öffentlicher Sitzungen aus den Ausschüssen heraus verlagert würde, verlagert hinein in nicht öffentliche Sitzungen außerparlamentarischer Gremien, die nicht nach festgelegten demokratischen Regeln tagen und denen die demokratische Legitimation fehlt. Und in den öffentlichen Ausschüssen würden zukünftig möglicherweise nur noch die gleichen politischen Reden gehalten wie im Plenum. Effektivität und Transparenz, meine Damen und Herren, sieht anders aus.
Speziell aus meiner Position als Mitglied der Landesregierung heraus möchte ich noch einen anderen Punkt ansprechen. Insbesondere für die Zusammenarbeit der Ausschüsse mit den Vertretern der Ministerien erscheint eine nicht öffentliche Sitzung geradezu unerlässlich. Dieses gilt nicht nur für die Ausübung der Informations- und Kontrollrechte gegenüber der Landesregierung, im Übrigen werden die Abgeordneten hier zu Beginn auch oftmals mit einer Fülle ihnen unbekannter Detailfragen konfrontiert.
Schließlich, meine Damen und Herren, fehlt es aus meiner Sicht auch an einem praktischen Bedürfnis für eine Änderung. Aus der praktischen Arbeit heraus kann ich nur feststellen, dass die Ausschüsse des Landtages von
der bisherigen Regel-Ausnahme-Regelung verantwortungsvoll Gebrauch machen. Sie stellen einen guten Ausgleich zwischen der Transparenz des politischen Meinungsbildungsprozesses auf der einen Seite und dem notwendigen Schutz der parlamentarischen Ausschussarbeit auf der anderen Seite her.
Um auf den Anfang meiner Rede zurückzukommen: Es ist zwar rechtlich möglich, aber aus meiner Sicht politisch nicht vernünftig. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir die Drucksache, die Gegenstand dieser Beratung in diesem Tagesordnungspunkt ist, ganz lesen, das heißt, vielmehr vor allen Dingen die Begründung lesen, und wenn wir darüber hinaus dem Kollegen Saalfeld, der den Antrag seiner Fraktion hier begründet hat, aufmerksam zugehört haben, dann wissen wir, es geht um einen Regelungsgehalt, der zwar interessanterweise in der Verfassung verankert ist –
was ungewöhnlich ist, richtig, Kollege Jaeger –, der fachlich allerdings zum Regelungskomplex der Geschäftsordnung dieses Hohen Hauses
so wie in anderen Bundesländern der dortigen Parlamente gehört. Wir reden hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, also über einen Bestandteil unserer Geschäftsordnung, der in der Tat interessanterweise in der Verfassung verankert ist.
Nun gibt es hier von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Wunsch, diesen Regelungsgehalt zu verändern. Das ist zunächst einmal legitim.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt weitere Wünsche, die Geschäftsordnung unseres Landes zu verändern. Ich weiß, dass es solche Wünsche in der antragstellenden Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gibt.
Es gibt solche Wünsche aber auch bei der CDU, es gibt sie bei den LINKEN und es gibt sie bei uns Sozialdemokraten. Ich bin der Überzeugung, dass es gut ist, wenn Parlamente die Spielregeln, nach denen ihr Leben funktioniert – und dazu gehört natürlich in allererster Linie die Geschäftsordnung – für ihr eigenes Funktionieren im Konsens festlegen und auch im Konsens verändern. Ich glaube, es wäre schlecht, wenn eine Mehrheit eine Ge
schäftsordnung allein und komplett gegen den Willen der Opposition, der Minderheit durchsetzt. Aber natürlich kann es auch umgekehrt nicht sein, dass die Opposition allein die Maßstäbe setzt. Hier müssen wir – und das haben wir in der Vergangenheit geschafft – einen Konsens zwischen möglichst allen demokratischen Fraktionen hinbekommen, was Regelungen der Geschäftsordnung angeht.
Herr Abgeordneter Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage vom Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN?
Herr Müller, teilen Sie denn meine Wahrnehmung und Einschätzung, dass in den bereits stattgefundenen, vorbereitenden Gesprächen zwischen den demokratischen Fraktionen deutlich vonseiten der die Regierung stützenden Fraktion signalisiert wurde, dass es keine Chance für einen gemeinsamen Weg zur öffentlichen Sitzung geben würde?
Herr Suhr, diese Einschätzung teile ich nicht. Ich wollte gern – und das beantwortet dann auch Ihre Frage – darauf hinweisen, dass wir, das heißt die demokratischen Fraktionen, sehr wohl einen Katalog zusammengestellt haben von Punkten, in denen der eine oder der andere eine Veränderung für wünschenswert hält, einfach mal eine Stoffsammlung. Und ich würde gern, meine sehr verehrten Damen und Herren, auf der Basis dieser Stoffsammlung zwischen allen demokratischen Fraktionen weiterreden, wie wir damit umgehen.
Wir haben im Verfahren zunächst gesagt, dann lasst doch erst mal in jeder Fraktion einen Meinungsbildungsprozess stattfinden, wie man denn diese Stoffsammlung sieht. Und in diesem Meinungsbildungsprozess sind wir im Moment. Eine Meinungsbildung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN liegt mir noch nicht vor.
Sie haben sich zu diesem Katalog noch nicht einmal geäußert in unserer gemeinsamen Runde. Und wenn Sie jetzt sagen, da gibt es aber schon eine Meinungsäußerung von der SPD, die an diesem einen Punkt sagt, nein, das wollen wir nicht, dann sind Sie, Herr Suhr, doch erfahren genug zu wissen, dass am Ende von Verhandlungen nicht das steht, was ein einzelner Verhandlungspartner am Anfang definiert. Und deswegen werden Sie mir ganz sicher zustimmen, dass es Sinn macht, dass die Fraktionen sich zunächst einmal eine Meinung bilden – und zwar alle Fraktionen, auch Ihre – und wir dann auf der Basis dieser Meinungsbildung aller Fraktionen miteinander reden.
Und diese Meinungsbildung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht abgeschlossen, geschweige
denn ist abgeschlossen, dass die demokratischen Fraktionen untereinander diese Meinungen ausgetauscht und den Versuch gemacht hätten – und den Versuch würde ich sehr gern machen –, zu einer gemeinsamen Linie zu kommen.
Deswegen, meine Damen und Herren, würde ich gern auf diesem Wege fortfahren und würde gern im Gespräch zwischen allen demokratischen Fraktionen – den Feinden des Parlaments müssen wir hier nicht noch das Wort geben – einen gemeinsamen …
… Weg finden, wie wir denn unsere Geschäftsordnung ändern und was wir an dieser Geschäftsordnung lassen. Und das halte ich für vernünftig, dass die Demokraten das gemeinsam tun.
Deshalb, lieber Kollege Saalfeld, halte ich es für ausgesprochen unvernünftig, das muss ich Ihnen sehr klar sagen, dass Sie hier in diesem Prozess – und das ist ein Prozess – weiter fortschreiten. Wir sind ja im Grunde genommen dort noch nicht so sehr weit. Es liegen wie gesagt noch nicht einmal die Positionen aller Fraktionen vor.
Dass Sie dann einen Punkt, der Ihnen besonders wichtig ist, herausgreifen und daraus einen Antrag hier in diesem Landtag machen, diese Verfahrensweise, meine sehr verehrten Damen und Herren, nährt in mir – und ich vermute, nicht nur in mir –
(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir hatten doch immer in den Ausschusssitzungen dazu aufgefordert, die Verfassung zu ändern.)
die Angst, dass es Ihnen nicht wirklich darum geht, hier zu einer vernünftigen Veränderung der Geschäftsordnung zu kommen, sondern dass es Ihnen darum geht,
und die anderen die Bösen, die das alles nicht wollen. Das heißt, Sie wollen eine politische Suppe kochen
und Sie sind weniger an einer vernünftigen Weiterentwicklung unserer Geschäftsordnung interessiert. Und das, lieber Kollege Saalfeld, werfe ich Ihnen vor, dann anderen zu sagen, sie hätten keine Parlamentskultur. Sie haben sie an diesem Punkt jedenfalls ganz gewiss nicht.
Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns den vernünftigen Versuch machen, unter allen demokratischen Fraktionen eine Verständigung herbeizuführen,