Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Rote Lampe!)

dass wir eine Zentralisierung des Bildungssystems fordern.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Lampe!)

Nicht mehr und nicht weniger haben wir Ihnen hier kundgetan

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja, ja, haben wir gehört.)

und das ist auch im Übrigen die Meinung von Bildungsfachleuten

(allgemeine Unruhe – Peter Ritter, DIE LINKE: Es ist doch gut. Adolf hatte Hosen an, das wissen wir doch jetzt.)

jenseits leninistisch-marxistischer Kader. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das war wichtig, dass Sie sich noch mal zu Wort gemeldet haben, Herr Pastörs.)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/167. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/167 mit den Stimmen der SPD, der CDU, der Fraktion DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt bei Zustimmung der Fraktion der NPD.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Wissenschaftliche Studien ernst nehmen – umgehend Normenkontrollklage zu Regelsätzen einleiten, Drucksache 6/161.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Wissenschaftliche Studien ernst nehmen – umgehend Normenkontrollklage zu Regelsätzen einleiten – Drucksache 6/161 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE Frau Bernhardt.

(Torsten Renz, CDU: Teil zwei. – Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Na, er kann zählen. – Torsten Renz, CDU: Aber nicht so scharf wie heute Morgen! – Heinz Müller, SPD: Bisschen weihnachtlicher.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Seit der Einführung des SGB II hat das Bundesverfassungsgericht zwei Mal feststellen müssen, dass genau dieses Gesetz mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Das war einmal 2007, als es um das Konstrukt der Jobcenter ging, und beim zweiten Mal war es im letzten Jahr, als es um die Ermittlung der Hartz-IVRegelsätze ging. Die Ermittlung und die daraus folgende Höhe der Regelsätze hat meine Fraktion seit 2004 immer wieder kritisiert. Dass wir recht hatten, bestätigte im letzten Jahr das Bundesverfassungsgericht. Es sagte sinngemäß, dass der Gesetzgeber das Existenzminimum eines jeden Menschen transparent und sachgerecht zu ermitteln habe und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben sicherzustellen habe.

Anstatt diese konkreten Vorgaben zu befolgen, wurden dieselben Fehler bei der Neufassung der SGB-II-Regelung wieder gemacht und die Höhe der Regelsätze politisch festgelegt. Ich erinnere nur an die Aussagen des Bundesfinanzministers, wonach die Regelsätze nicht angehoben werden. Die im letzten Jahr gefundene Regelung ist weder sachlich korrekt, wie die Studien der Böckler-Stiftung belegen, noch trägt sie der Realität Rechnung.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Da die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bei der neuerlichen Ermittlung der Regelsätze nicht durchgängig eingehalten wurden, kann man sogar von einem vorsätzlichen Handeln ausgehen.

(Torsten Renz, CDU: Von was?)

Von einem vorsätzlichen Handeln ausgehen.

Meine Damen und Herren, die Studie der Hans-BöcklerStiftung vom 5. September 2011 belegt erneut, dass die Regelsatzberechnung in zehn Punkten verfassungsrechtlich problematisch ist beziehungsweise erneut gegen das Grundgesetz verstößt. Ich möchte nur mal drei Beispiele herausnehmen.

Das erste Beispiel: Um das Existenzminimum zu ermitteln, wird am Anfang der Ermittlung geschaut, wer was in Deutschland ausgibt, um so einen Ausgangswert zu haben. Dabei sollen jedoch Gruppen, die weniger als das

Existenzminimum haben, unberücksichtigt bleiben, weil diese logischerweise den Ausgangswert drücken würden. Das Gesetz bestimmt auch einige dieser Gruppen. Das sind zum Beispiel SGB-II- und Sozialhilfeempfänger. Nicht herausgerechnet werden aber Fälle verdeckter Armut. Das sind Fälle, in denen Menschen sich schämen, Sozialleistungen zu beantragen. Und es ist wissenschaftlich belegt, dass diese Fälle bestimmt werden könnten, wenn man denn wollte. Aber nein, der Gesetzgeber hat dies nicht getan. Er behauptet, es sei nicht möglich. Er lässt diese Gruppe einfach in der Berechnung drin in dem Wissen, dass so der Ausgangswert und somit auch das Existenzminimum gesenkt werden. Um es ganz klar zu sagen: Das Existenzminimum wird schöngerechnet! Die Menschen, die darauf angewiesen sind, sind dabei egal. Es gilt nur, das Existenzminimum so weit wie möglich zu drücken, und so natürlich auch die Kosten, machen wir uns doch da nichts vor.

Zum zweiten Beispiel: Nachdem dann der Ausgangswert bestimmt wurde, wird geschaut, welche Ausgaben in welcher Höhe zur Existenz notwendig sind. Im Amtsdeutsch heißt das dann: regelsatzrelevant. Dabei wurden willkürlich Abzüge vorgenommen und ganze Ausgabepositionen gestrichen. Nicht nur die viel diskutierten Beispiele Alkohol und Tabak, auch Gartengeräte, die chemische Reinigung, Hundefutter und Schnittblumen gehören nicht dazu und auch ein Weihnachtsbaum hat in einer Hartz-IV-Wohnung nichts zu suchen. Gebühren von Abendschulen gehören ebenfalls nicht zum Existenzminimum oder zur Teilhabe. Insgesamt zählen so 30 Prozent der Ausgaben der durchschnittlichen Haushalte in Deutschland nicht zum Existenzminimum oder zur Teilhabe.

Ich frage Sie: Was ist denn das für ein Leben? Wie unsozial ist es, dass sich Erwachsene nicht an Abendschulen fortbilden können, weil diese Gebühren angeblich nicht zum Existenzminimum gehören?

Auch die Regelungen zum sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket und alle Maßnahmen um diese Neuordnung herum können diese Verstöße nicht heilen. Im Gegenteil, auch die Regelungen zum Bildungs- und Teilhabepaket sind verfassungsrechtlich bedenklich – verfassungsrechtlich bedenklich deshalb, weil insbesondere die Regelungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben abschließend festlegen, welche Maßnahmen da- zugehören. Zum Beispiel sind das Mitgliedsbeiträge für Sportvereine.

Das, meine Damen und Herren, ist ein Eingriff in die freie Entfaltung unserer Kinder. Der Staat bestimmt, was für ein Kind zur Persönlichkeitsentwicklung notwendig ist und was nicht. Wie sollen sich denn unsere Kinder zu selbstbestimmten Persönlichkeiten entwickeln, wenn der Staat von frühester Kindheit an sie gerade hierbei einschränkt? Für mich ist das ein Widerspruch, den auch Sie sich vorhalten lassen müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, Sie sehen schon an dieser unvollständigen Darstellung, es liegen genügend Anhaltspunkte dafür vor, dass ein erneuter Verstoß gegen das Grundgesetz durch die Neuregelung des SGB II stattgefunden hat. Die Normenkontrollklage hat Aussicht auf Erfolg, würden wir Juristen sagen. Glauben Sie mir, wenn wir als Fraktion rechtlich könnten, würden wir diese Normenkontrollklage selber einreichen – im Sinne der Be

troffenen –, denn es geht tatsächlich um die hilfebedürftigen Menschen in diesem Land. Leider können wir das als Fraktion nicht. Deshalb bringen wir diesen Antrag erneut ein, damit tatsächlich eine verfassungsgerechte Berechnung der Regelsätze erfolgen kann.

Es dürfte Ihnen, liebe Kollegen der SPD, auch gar nicht so schwerfallen. Es war schließlich Ihr Vorsitzender Sigmar Gabriel, der, nachdem das Vermittlungsverfahren im Bundesrat abgeschlossen war, doch selber Zweifel am Bestand der Regelsätze geäußert hat. Und genau diese Zweifel sind nach dem Grundgesetz die Voraussetzung für eine zulässige Normenkontrollklage. Schauen Sie sich doch Artikel 93 Absatz 1 Nummer 2 Grundgesetz an! Dort heißt es: „Das Bundesverfassungsgericht entscheidet … bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln...“

Aber ich weiß leider auch aus den vergangenen Debatten hier im Landtag zu diesem Thema, wie schwer es Ihnen fällt, über Ihren Schatten zu springen. Schließlich haben Sie doch letztendlich den Regelsätzen zugestimmt, genauso wie Sie 2004/2005 das Grundübel Hartz IV angeschoben haben. Fünf Jahre lang mussten die Hilfebedürftigen warten, bis ihnen das Bundesverfassungsgericht recht gab, dass die Regelsätze nicht in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz berechnet wurden. Fünf Jahre lang erhielten sie folglich zu niedrige Regelsätze, die ein Leben in Würde schwer ermöglichten. Machen Sie nicht auch denselben Fehler und lassen 200.000 hilfsbedürftige Menschen, darunter 45.000 Kinder und Jugendliche, in unserem Bundesland im Stich!

Im Übrigen möchte ich Sie an Ihre eigenen Worte von heute früh erinnern: Sowohl Frau Ministerin Schwesig als auch Herr Renz sprachen von einem Miteinander der Regierung mit der Opposition.

(Torsten Renz, CDU: Ich hab das gesagt?! – Torsten Koplin, DIE LINKE: Große Worte!)

Ich nehme Sie heute gerne beim Wort. Stimmen Sie unserem Antrag zu! – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erste spricht die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die wissenschaftlichen Gutachten, auf die sich die Fraktion DIE LINKE beruft, sind wahrlich nichts Neues. Bereits bei den Verhandlungen zu den Regelsätzen im SGB II und im SGB XII sind die darin aufgeführten Argumente auch diskutiert worden. Und auch in diesem Landtag haben wir uns mehrfach in der Vergangenheit ausführlich mit den Regelsätzen beschäftigt und widerstreitende Debatten ausgetragen. Wir hatten bereits gerügt, dass die sogenannten Aufstocker, also die Menschen, die arbeiten gehen, aber dennoch von ihrem Verdienst ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, aus der Referenzgruppe herausfallen. Wir hatten bereits gerügt, dass das Problem der verdeckten Armut nicht berücksichtigt wird, und wir hatten bereits

gerügt, dass bestimmte Konsumausgaben herausgerechnet werden.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Rügen hilft aber nicht, nur eine Normenkontrollklage.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, das Vermittlungsverfahren hat dazu geführt, dass diese ganzen Sachen mehrfach diskutiert worden sind – wochenlang – und dass es eben auch unterschiedliche juristische Bewertungen gibt, inwieweit diese Dinge reingerechnet werden müssen und inwieweit nicht. Am Ende hat das vorliegende Gesetz dazu geführt, dass zum 01.01.2011 der Regelsatz für Erwachsene um 5 Euro erhöht wurde und zum 01.01.2012 um 10 Euro.

Darüber hinaus haben wir noch einiges erreicht, was für die betroffenen Menschen sehr wichtig ist: Die Kosten für Warmwasseraufbereitung werden durch den Bund übernommen. In einem 3-Stufen-Modell werden die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei voller Erwerbsminderung auf Dauer durch den Bund übernommen – im Jahr 2012 zu 45 Prozent, im Jahr 2013 zu 75 Prozent und ab dem Jahr 2014 zu 100 Prozent. Diese Entlastung lag gerade im Sinne der Verhandlungsführer, weil es darum geht, dass die Kommunen vor Ort Spielraum haben, soziale Leistungen anzubieten, und nicht von sozialen Leistungen erdrückt werden.

Der entscheidende Punkt und die entscheidende Verbesserung, die auch die Kernkritik des Bundesverfassungsgerichts aufgegriffen hat, war die Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets. Die Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets trägt dazu bei, dass Kinder die Möglichkeit haben, pro Monat 10 Euro Mitgliedsbeitrag zu bekommen und für das Mittagessen unterstützend bis zu 2 Euro am Tag und vor allem 30 Euro im Jahr für Kita- und Klassenfahrten und zusätzliche Lernförderung.

Der Einsatz von Mecklenburg-Vorpommern hat geleistet, dass diese Unterstützung für Kinder nicht nur Kindern aus SGB-II- und SGB-XII-Familien zugutekommt, sondern vor allem Kindern aus Familien, die Wohngeld und/oder Kinderzuschlag beziehen. Das war das Kernanliegen – auch von mir – in den Verhandlungen, dass es darum geht, so, wie ich es heute Morgen gesagt habe, dass gerade Familien, die arbeiten gehen und am Ende Wohngeld oder Kinderzuschlag brauchen, um mit ihrem geringen Lohn nicht in Armut zu fallen, dass auch diese Familien Unterstützung für ihre Kinder bekommen. Auch das wurde erreicht.

Außerdem stellt der Bund für das Mittagessen für Kinder in der Hortbetreuung und für Schulsozialarbeiter für 2011 bis 2013 400 Millionen Euro zur Verfügung und ich bin froh, dass wir mit diesem Geld bereits in diesem Jahr mehr Schulsozialarbeiter in diesem Land im Einsatz haben. Für mich war auch wesentlich in den Verhandlungen, dass die Trägerschaft für das Bildungs- und Teilhabepaket auch auf die Kommunen übergehen kann, denn die Kommunen haben als Träger der Kinder- und Jugendhilfe sehr gute Erfahrungen, wie diese Leistungen am besten bei den Kindern ankommen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, liebe Frau Bernhardt, dass es wünschenswert gewesen wäre, noch mehr zu erreichen, ist keine Frage, aber das Erreichte ist ein Anfang.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Aber verfassungsrechtlich bedenklich.)

Und die Betroffenen haben natürlich das Recht, Klagen gegen ihre Leistungsbescheide einzureichen und die Rechtmäßigkeit der Regelleistungen überprüfen zu lassen,

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)