Ich möchte aber, dass wir sie nicht nur kurzzeitig entlasten, sondern dauerhaft entlasten. Und deswegen halte ich es für geboten, um nicht zu sagen notwendig und für erforderlich, dass wir die Folgen und Nebenwirkungen, wie es in der Medizin heißt, dieser Entscheidung beurteilen. Wir gehen nämlich bei solchen Behandlungen nicht nur mit einer eindimensionalen Betrachtung an diese Frage ran, sondern mit einer gesamtgesellschaftlichen Sicht. Deswegen auch die Frage: Welche Auswirkungen hat das auf die Sozialversicherungssysteme? Das eine ist der Bürokratieabbau sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Kassen, die sich damit beschäftigen müssen. Das ist eine Frage. Aber die 25 Mil- liarden Euro, die als Verlust da sein werden – gar nicht mal mathematisch, denn das, was 2006 als 13. Beitrag eingezahlt wurde, wird jetzt, wenn die Entscheidung fallen würde, nicht in die Systeme fließen, dann fehlen nämlich 25 Milliarden –, das hat konkrete Auswirkungen.
Und eins kann doch wohl nicht sein: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie als Christdemokraten, Sozialdemokraten oder auch als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen, dass die Rentenversicherungsbeiträge in den nächsten Jahren erneut steigen. Das hat mit meinem Verständnis von sozialer Gerechtigkeit nämlich nichts zu tun. Ich
möchte ganz gern, dass sowohl die Unternehmen entlastet werden, aber auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlastet werden.
Und wenn Sie so überzeugt sind von Ihrem Antrag, will ich nur noch mal sagen: Warum stellen Sie dann nicht entsprechende Anträge im Bundesrat, sondern erklären hier, wir wollen Initiativen, die es nicht gibt, im Bund unterstützen? Sie sind inkonsequent. Deswegen mein Antrag, dass wir in den Ausschüssen, im Sozialausschuss und im Wirtschaftsausschuss das Für und Wider dieser Initiative beleuchten und dann hoffentlich zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen wollen. Sie wollen das aber nicht, weil Sie den Unternehmen versprochen haben, Sie werden hier initiativ. Dagegen habe ich ja nichts, aber entscheidend ist doch, dass wir das eine wie das andere beurteilen, und darum bitte ich Sie einfach.
Deswegen geht es nicht um Scheinheiligkeit unsererseits oder Wirtschaftsscheinheiligkeit, die Sie uns möglicherweise unterstellen wollen. Im Gegenteil, wir wollen, dass die kleinen und mittelständischen Unternehmen dauerhaft entlastet werden von Bürokratie und finanziellen Belastungen. Deswegen sollten wir Ihren Antrag sehr wohl ausführlich beraten und dann zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksa- che 6/2619(neu) zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss sowie zur Mitberatung an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und NPD, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 6/2619(neu). Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich nun um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 6/2619(neu) mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD, bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – „Kinderland M-V“ weiter vorantreiben!, Drucksache 6/2553.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Den vorliegenden Antrag „,Kinderland M-Vʻ weiter vorantreiben!“ hatten wir bereits in der Dezemberlandtagssitzung als Dringlichkeitsantrag eingebracht,
dringlich, weil die Bundesregierung weitere Gelder in Millionenhöhe für eine nachweislich völlig ungeeignete Familienleistung ausgeben will.
Dabei wird das Geld an anderer Stelle so dringend benötigt. Der Koalitionsvertrag zwischen SPD, CDU und CSU für die 18. Legislaturperiode lag erst nach Antragsschluss im Dezember 2013 vor, weshalb nicht genügend Zeit war, das normale Antragsverfahren einzuhalten. Entgegen dem ersten Entwurf des Koalitionsvertrages haben weder die Abschaffung des Betreuungsgeldes noch die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz Eingang gefunden.
Das können wir nicht hinnehmen und fordern deshalb die Landesregierung auf, unverzüglich einzuschreiten, eine weitere Verzögerung auf Kosten der Kinder zu verhindern und Mecklenburg-Vorpommern als Kinderland weiter voranzutreiben.
Es gibt circa 160 staatliche Leistungen, die Familien betreffen. Jährlich werden mehr als 200 Milliarden Euro im Bereich der Familienpolitik ausgegeben.
Wie aus einem Bericht der Expertenkommission hervorgeht, der zu Beginn des Jahres 2013 veröffentlicht wurde, werden viele der familienpolitischen Instrumente, allen voran das Betreuungsgeld, als wirkungslos und sogar kontraproduktiv bewertet. Das Betreuungsgeldgesetz trat am 1. August 2013 in Kraft und, Sie werden es wissen, seitdem kann das Betreuungsgeld für Kinder mit dem Geburtsdatum nach dem 31. Juli 2012 grundsätzlich ab dem 15. bis zur Vollendung des 36. Lebensmonats bezogen werden, wenn für sie dafür keine frühkindliche Betreuung in einer öffentlich bereitgestellten Tageseinrichtung oder Kindertagespflegeeinrichtung in Anspruch genommen wird. Derzeit beträgt das Betreuungsgeld 100 Euro pro Monat pro Kind und ab dem 1. August 2014 wird es auf 150 Euro erhöht.
Mit dem Gesetz soll eine sogenannte Anerkennungs- und Unterstützungsleistung für Eltern mit Kleinkindern eingeführt werden, die ihre vielfältigen Betreuungs- und Erziehungsaufgaben im privaten Umfeld erfüllen. Tatsächlich ist und bleibt es eine Fernhalteprämie, die das Kind von einer qualifizierten Förderung und die Mutter von einer Erwerbstätigkeit abhält und die Benachteiligung auf beiden Seiten fördert.
Anstatt Familien und Kinder zu fördern, werden mit der Ausreichung des Betreuungsgeldes gezielte Bemühungen in sozial-, bildungs-, gleichstellungs- und integrationspolitischen Bereichen konterkariert.
Im ersten Entwurf des Koalitionsvertrages heißt es noch, und ich zitiere: „Zur Gegenfinanzierung“ (von Maßnah- men zur Verbesserung der Kindertagesbetreuung) „werden die durch die Aufhebung des Gesetzes über das Betreuungsgeld eingesparten Mittel eingesetzt.“ Der Vorschlag kam von der SPD.
Im endgültigen Koalitionsvertrag ist dann aber keine Spur mehr von dem Vorhaben, das untaugliche und sinnlose Betreuungsgeld aufzuheben. Das ist eine Fehlentscheidung für eine gute Familienpolitik und für eine gute Kinder- und Jugendpolitik und ein ganz schlechter Start in die neue Legislaturperiode der Bundesregierung.
Wir haben uns hier im Hohen Hause mehrfach zu den Themen verständigt. Die damalige Sozialministerin Manuela Schwesig plädierte immer wieder für die Abschaffung des Betreuungsgeldes.
sowie in Höhe von 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2014 veranschlagt. Für die Jahre 2015 und 16 sind jeweils 1,23 Milliarden Euro veranschlagt. Die jährlich veranschlagten Mittel für ein untaugliches Instrument wie dem Betreuungsgeld sollten vielmehr in einen qualitativen und quantitativen Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten investiert werden, …
(Torsten Renz, CDU: Wir machen ja beides, wir machen beides. – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach!)
bedarf zusätzlicher Mittel, um alle daraus erwachsenden Aufgaben erfüllen zu können. Wir sehen es aktuell bei den Betreuungsschlüsseln in den Landkreisen.
Guter frühkindlicher Bildung in den Kindertagesstätten kommt eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Kinderarmut zu. So sah es unter anderem auch die Kinderkommission im Deutschen Bundestag in der 17. Legislaturperiode. Deshalb ist jeder Euro bei der frühkindlichen Bildung gut investiert.
Nun werden Sie mir entgegenhalten, dass im Koalitionsvertrag mehr Investitionen für Kitas verhandelt worden sind. Aber 6 Milliarden Euro bundesweit für Kitas, Schulen und Hochschulen sind zu wenig. Wir sehen das bei den aktuellen Debatten, die wir auch hier im Hohen Hause führen. In diesen Bereichen besteht überall hoher Investitionsbedarf. Da wären die 1,23 Milliarden für das Betreuungsgeld ab dem Jahr 2015 sinnvoll investiert.
Ähnlich verhält es sich auch mit den Kinderrechten, deren Verankerung im Grundgesetz längst überfällig ist.
So heißt es im Entwurf des Koalitionsvertrages noch: „Wir werden die Kinderrechte im Grundgesetz verankern, insbesondere den Schutz, die Förderung und die Beteiligung von Kindern. Wir werden jede politische Maßnahme und jedes Gesetz daraufhin überprüfen, ob sie mit den international vereinbarten Kinderrechten im Einklang stehen.“ Ein wichtiges Vorhaben, aber im verabschiedeten Koalitionsvertrag ist diese Passage gestrichen.