Protokoll der Sitzung vom 29.01.2014

So heißt es im Entwurf des Koalitionsvertrages noch: „Wir werden die Kinderrechte im Grundgesetz verankern, insbesondere den Schutz, die Förderung und die Beteiligung von Kindern. Wir werden jede politische Maßnahme und jedes Gesetz daraufhin überprüfen, ob sie mit den international vereinbarten Kinderrechten im Einklang stehen.“ Ein wichtiges Vorhaben, aber im verabschiedeten Koalitionsvertrag ist diese Passage gestrichen.

Die seit dem 5. April 1992 in Deutschland geltende UNKinderrechtskonvention ist immer noch nicht vollständig umgesetzt. Dies zeigt sich daran, dass die Rechte von Kindern und Jugendlichen bei wichtigen administrativen und auch politischen Entscheidungen noch zu wenig berücksichtigt werden. Es zeigt sich auch an den mangelnden gesellschaftlichen Mitwirkungs- und Beteiligungsmöglichkeiten. Im Sinne gleicher Bildungs-, Entwicklungs- und Teilhabechancen für alle Kinder müssen endlich die Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden. Das ist längst überfällig.

Am 3. Mai 2010 wurde die Vorbehaltserklärung zu einer Kinderrechtskonvention durch die Bundesregierung zurückgenommen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt gilt die Konvention als unstrittig für alle in Deutschland lebenden Kinder, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem Aufenthaltsstatus.

Im Dezember 2010 wurde sogar der interfraktionelle Antrag der Fraktionen von SPD, CDU und DIE LINKE im Landtag Mecklenburg-Vorpommern „Kinderrechte im Grundgesetzt verankern“ beschlossen. Ich gehe also davon aus, dass die Landesregierung ihre Möglichkeiten weiterhin nutzt, um diese notwendigen Vorhaben voranzubringen. Und ich erwarte von der Bundesfamilienministerin, dass sie ihren Worten auf der Landesebene auch auf der Bundesebene Taten folgen lässt.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Die Abschaffung des Betreuungsgeldes und die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz haben eine hohe Priorität für das Land. Ein weiteres Aufschieben ist nicht zu vertreten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort gebeten hat zunächst die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales, Frau Hesse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich begrüße diesen Antrag, weil er mir die Gelegenheit eröffnet, meine Position ausführlich vorzutragen. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage,

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dass Sie gegen das Betreuungsgeld sind.)

auch ich bin kein Fan des Betreuungsgeldes. Ich stimme mit Ihnen überein, dass das Betreuungsgeld kontraproduktiv ist,

(Zuruf von Ralf Mucha, SPD)

weil es Kinder von Angeboten der frühkindlichen Bildung fernhält, überholte Rollenvorstellungen über die Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit verfestigt, bildungs- und integrationspolitisch falsche Anreize setzt und Kindern damit den Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe erschwert.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es schafft dagegen insbesondere für Frauen einen geringen finanziellen Anreiz, von einer frühen Rückkehr in den Beruf abzusehen.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das erschwert später den Einstieg ins Berufsleben und konterkariert unser Ziel, Familien- und Berufsleben gut miteinander zu vereinbaren.

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Frau Hesse, hat das noch der Alte geschrieben oder der Neue?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, frühkindliche Bildung ist der anerkannte Schlüssel zu lebenslangem Lernerfolg. Das hat auch der Vortrag von Professor Stange beim Kinderschutzbund vergangene Woche wieder eindrucksvoll unterstrichen. Einige von Ihnen waren dabei.

Unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem sozialen Umfeld sollen allen Kindern gleiche Bildungschancen für das künftige Leben ermöglicht werden. Studien belegen, dass von einer qualitativ hochwertigen Förderung alle Kinder profitieren. Während Kinder mit günstigen familiären Voraussetzungen in Betreuungseinrichtungen zusätzlich gefördert werden, können bei Kindern mit weniger guten Startbedingungen Defizite vor dem Schuleintritt ausgeglichen werden. Dieses Ziel wird mit der Einführung des Betreuungsgeldes konterkariert. Und das ist neben allem anderen meine hauptsächliche Kritik.

Darüber hinaus steht das Betreuungsgeld im Widerspruch zur entscheidenden familienpolitischen Weichenstellung der letzten Jahre, zum Beispiel der Einführung des Elterngeldes, der Reform des Unterhaltsrechts und vor allem dem Kita-Ausbau.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, Sie wissen, dass schon viel unternommen wurde, um das Betreuungsgeld zu stoppen. Ich erinnere nur an die Bundesratsinitiative zur Aufhebung des Betreuungsgeldgesetzes vom März 2013. Abzuwarten gilt nun, was die Verfassungsklage Hamburgs gegen das Betreuungsgeldgesetz bringen wird.

(Marc Reinhardt, CDU: Nichts.)

Das Betreuungsgeldgesetz ist im letzten Jahr in Kraft getreten. Es gibt natürlich Familien, die ihre Kinder selbst betreuen wollen. Das respektiere ich und wir setzen das Betreuungsgeld ordnungsgemäß um.

(Egbert Liskow, CDU: Da können die aber glücklich sein.)

Eltern sollen eigenständig entscheiden können. In M-V entscheiden sich die allermeisten Eltern für die Kita oder für eine Tagespflege. Die Eltern in Mecklenburg-Vorpom- mern schätzen unser Kita-Angebot. Nur 700 Eltern beziehen bei uns im Land Betreuungsgeld. Damit Sie es besser einordnen können, nenne ich Ihnen die Zahl der Elterngeldbezieher: 14.500.

Wie Sie wissen, unternimmt das Land erhebliche Anstrengungen beim quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesförderung. Und wir sind damit ganz auf der Linie der 70 Wissenschaftler, die die Regierungsstudie zur Familienförderung erarbeitet haben. Sie sehen die Subventionierung der Kindertagesförderung rundweg positiv.

In den vergangenen Jahren ist die Qualität in der Kindertagesförderung stetig angestiegen. Dies lässt sich auch an den jährlich zur Verfügung gestellten und steigenden Landesmitteln erkennen. Waren es 2012 noch circa 139 Millionen, sind es 2015 183 Millionen Euro. Zu den besonderen Schwerpunkten des Landes zählt hierbei vor allem die Absenkung der Fachkraft-Kind-Relationen. Wir liegen 2014 bei 1 : 16 und 2015 bei 1 : 15.

Mit der gesetzlichen Normierung der Elternentlastung für Eltern von unter 3-jährigen Kindern wird ein frühestmöglicher Zugang zu den Angeboten der Kindertages- förderung und frühkindlichen Bildung geöffnet. Für die Elternentlastung für Eltern von unter 3-jährigen Kindern und für Eltern von Kindern im letzten Jahr vor dem voraussichtlichen Eintritt in die Schule stehen im Jahr 2014 insgesamt Landesmittel in Höhe von 23 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Auswirkungen dieser finanziellen Anstrengung des Landes werden deutlich durch die erhöhte Inanspruchnahme von Angeboten der Kindertagesförderung. Waren es im Jahr 2011 noch rund 97.000 der belegten Plätze, sind es im Jahr 2013 rund 101.000 gewesen. Darüber hinaus konnte der Ausbau der Kindertagesförderung in Mecklenburg-Vorpommern mit den Mitteln aus den Investitionsprogrammen Kinderbetreuungsausbau U3 2008-2013 und Kinderbetreuungsausbau 2013-2014 weiter voran- getrieben werden.

Mit den 39 Millionen Euro Bundesmitteln aus den ersten Programmen wurden 1.648 neue Plätze geschaffen und fast 10.500 saniert. Mit dem Folgeprogramm und den zusätzlichen 11 Millionen Euro werden weitere 820 Plätze geschaffen beziehungsweise 280 saniert. Darüber hinaus wird die neue Bundesregierung insgesamt 6 Milliarden Euro in die Bildungsinfrastruktur investieren. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass ein deutlicher Anteil in die Kitas investiert wird.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber bitte nicht nur!)

Lassen Sie mich nun zu Ihrem zweiten Punkt kommen, die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz. Mecklenburg-Vorpommern, das wissen Sie, ist dahin gehend dem Bund voraus. Dies möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich hervorheben. So kann ich an den Bund nur appellieren, dem Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns und den neun weiteren Bundesländern mit Kinderrechten in der jeweiligen Landesverfassung zu folgen und Kinderrechte in das Grundgesetz aufzunehmen.

In unserer Landesverfassung heißt es: „Kinder und Jugendliche sind Träger von Rechten, deren Ausgestaltung die Persönlichkeit fördert und ihren wachsenden Fähigkeiten und Bedürfnissen zu selbstständigem Handeln entspricht. Land, Gemeinden und Kreise fördern die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an der Gesellschaft.“

Sehr geehrte Abgeordnete, Sie kennen die verschiedenen Vorstöße, die in der Vergangenheit unternommen wurden, um dem Ziel, Kinderrechte ins Grundgesetz zu bringen, näher zu kommen. Ich wünsche mir, dass diese Initiativen unter der neuen Bundesregierung Gehör finden

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wünschen allein hilft nicht.)

und dass Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Renz.

(Ministerin Birgit Hesse: Jetzt kommt Herr Renz und ist sauer.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass der Wahlkampf beendet ist.

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Torsten Koplin, DIE LINKE: Nee, geht los. – Rudolf Borchert, SPD: Nach der Wahl ist vor der Wahl. – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)

Aber es gibt ja den bekannten Spruch …

Ich weiß gar nicht, warum Sie jetzt schon so unruhig werden. Ich hab mich noch gar nicht inhaltlich geäußert, aber ich schein ja gleich zu Beginn ins Wespennest zu stechen.

(Heiterkeit und Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also vielleicht gilt ja bei Ihnen auch der Spruch: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Insofern haben sich dann hier noch mal als Antragsteller die LINKEN das Gewinner- thema der SPD bei den Bundestagswahlen herausgezogen und aufgegriffen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Was für ein Gewinnerthema denn?)

Die Logik kann ich da nicht so richtig nachvollziehen, weil wir alle das Ergebnis der Bundestagswahl kennen.

(Egbert Liskow, CDU: Ach so? – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss auch in dem Zusammenhang sagen: Eine inhaltliche Auseinandersetzung hat ja –