Protokoll der Sitzung vom 29.01.2014

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Mit diesem zum damaligen Zeitpunkt richtigen Argument hat im Übrigen – das sollten Sie wissen, meine Damen und Herren – Frau von der Leyen noch im Januar 2013, also erst vor Kurzem,

(Egbert Liskow, CDU: Vor einem Jahr.)

die hier im Antrag geforderte Rücknahme der Vorfälligkeit abgelehnt.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Die damals wichtige und richtige Entscheidung zum Ausgleich der Mindereinnahmen in der Sozialversicherung hat aber auch eine Kehrseite.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Sagen Sie doch mal Ihre Position dazu! – Jochen Schulte, SPD: Sie hat keine.)

Je nachdem, wie gut sich das Geschäft zum Monatsende entwickelt, sind nämlich entsprechende Nachzahlungen fällig oder es werden gar Überschüsse verrechnet. Viel schmerzhafter als dieses ganze Hin und Her trifft viele Betriebe aber die frühzeitige Vorauszahlung. Sie müssen für Arbeiten, die noch gar nicht erbracht worden sind und für die sie vom Kunden noch gar kein Geld bekommen haben, entsprechend Geld verauslagen. Hinzu kommt der große bürokratische Aufwand für die Unternehmen, und für viele Betriebe ist eine Doppelabrechnung unabwendbar. Besonders betroffen sind hiervon Betriebe mit entsprechenden Schichtzuschlägen, Überstunden und anderen monatlich variablen Entgeltanteilen.

Die recht gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat der Sozialversicherung in den letzten Jahren kräftige Überschüsse beschert. Es ist also der richtige Zeitpunkt gekommen, zu der früheren gesetzlichen Regelung zurückzukehren. Danach ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag bis zum 15. des Folgemonats zu entrichten. Die Sozialversicherungsträger verlieren dadurch insgesamt keine Beitragseinnahmen, sondern erhalten diese, wie bis zum Jahre 2005 üblich, erst dann, wenn auch der Arbeitnehmer seinen Lohn erhalten hat.

Meine Damen und Herren, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben bereits vor der letzten Bundestagswahl eine Rücknahme der Regelung gefordert, doch die schwarzgelbe Bundesregierung wollte offensichtlich nichts ändern.

(Harry Glawe, CDU: Was? Was?)

Wir sind gespannt, ob dieser Antrag hilft. Die Forderung ist inhaltlich richtig und wir stimmen dem Antrag zu. Wenn Sie damit in Berlin vorstellig werden, können Sie gern berichten, dass Sie die Zustimmung vonseiten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus Mecklenburg-Vorpom- mern mit im Gepäck haben.

(Harry Glawe, CDU: Kriegen wir hin.)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der NPD der Fraktionsvorsitzende Herr Pastörs.

(Heinz Müller, SPD: Ach du lieber Gott!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Wir haben die Argumente ausgetauscht. Meine Fraktion wird diesem Antrag zustimmen

aus folgenden Gründen: Das, was 2006 beschlossen wurde, war einer Notlage geschuldet, sozusagen einer temporären, notwendigen Liquiditätsstärkung der Sozialversicherungsträger. Das kann aber nicht langfristig auf Kosten der Liquidität der mittelständischen Unternehmen fortgeschrieben werden. Wir sind der Auffassung, dass acht Jahre zinslose Refinanzierung auf Kosten der Liquidität der Unternehmen genug sind.

Noch den einen oder anderen Hinweis auf die Ausführungen von Herrn Holter von der LINKEN: Herr Holter, es gibt sozusagen ein keynesianisches Prinzip, wenn die Konjunktur wieder anspringt, dass man dann zurückführen muss. Und was Sie hier verlangt haben, ist nämlich die Konterkarierung dieses Prinzips, das ich für richtig halte, dass man, wenn es eng wird, hilft, und wenn es dann wieder gut geht, zurückgezahlt wird beziehungsweise Maßnahmen zurückgefahren werden, weil sich sonst eventuell Folgendes einstellen könnte: Sie wollen es beibehalten eventuell, Sie wollen es überprüfen und wenn Sie das tun, dann können wir in zwei oder drei Jahren wieder in eine Situation kommen, dass die Sozialversicherungsträger sagen, wir brauchen dringend Liquidität. Und dann ist die Gefahr sehr, sehr groß, dass man hergeht, wieder ein Gesetz strickt und an dieser Schraube dreht, aufsattelt auf das Niveau, was wir im Moment festklopfen würden.

Das kann nicht Sinn und Zweck der Übung sein. Das tun wir nämlich im Haushalt schon seit Jahrzehnten auf Kosten der zukünftigen Generationen. Wir sollten hier nicht den gleichen Fehler machen im Bereich der Belastung der mittelständischen Wirtschaft. Insofern ist das von der CDU und SPD vorgelegte Papier schlüssig und auch notwendig.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Inkonsequent ist das. Inkonsequent ist das.)

Das ist absolut notwendig. Wir werden selbstverständlich Ihren Antrag auf Überweisung in die Ausschüsse ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Waldmüller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aufgrund des Verlaufs der Debatte kann ich das relativ kurz machen. Es ist, denke ich mal, von allen gesagt worden, die Bedeutung für jeden Einzelnen, was der Mittelstand bedeutet. Immerhin gehören 69,6 Prozent aller Unternehmen im Land zum Mittelstand. Sie sind Arbeitgeber und beschäftigen 81,3 Prozent der Beschäftigten. Und deswegen ist es immer gut, wenn man auf die Sorgen der Handwerker und der Wirtschaft hört.

Und, Herr Holter, ich denke mal, dass es völlig fehl am Platze ist, wenn Sie sagen, wir müssen das Gesicht wahren. Wir hören schon ganz genau zu, was gewünscht ist draußen, welche Sorgen die Unternehmen …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Wir auch.)

Sie haben uns nur noch Scheinheiligkeit unterstellt.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, natürlich, weil Ihr Antrag inkonsequent ist.)

Wissen Sie, Sie sagen hier mein Plädoyer ab und sagen, ja, die Wirtschaft ist Ihnen wichtig und so weiter. Sie kritisieren das Wirtschaftsförderungsgesetz und jetzt, wo wir einen konstruktiven Beitrag dazu machen, zur Ent- bürokratisierung, stellen Sie sich hin: So will ich das aber nicht haben!

(Helmut Holter, DIE LINKE: Wir haben eine gesamtgesellschaftliche Sicht.)

Also Sie widersprechen sich selbst. Und wenn ich Ihren Ausführungen hier zuhöre, dann sagen Sie nichts an- deres als, na ja, weil das alles ein bisschen schwierig ist, dann machen wir lieber gar nichts. Nichts anderes tun Sie.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das machen wir gar nicht.)

Wer hier scheinheilig ist, das sind Sie, Herr Holter, weil Sie die Wirtschaft propagieren, aber letztendlich nichts tun.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Wir haben also intensivste Gespräche geführt mit der Wirtschaft, gerade in der letzten Woche mit den Handwerkskammern, mit dem Bauverband und dergleichen.

Es ist jetzt schon öfter gesagt worden: Was drückt also die Unternehmen? Es ist genau dieser Moment der Vorfälligkeit und ich will das mal an einem Beispiel machen, abgesehen davon, dass die Vorfälligkeit um 14 Tage zurückgezogen wird. Aber ich will ein Beispiel mit Zahlen bringen, was das bedeutet: Bei einem Handwerksbetrieb mit zehn Beschäftigten bedeutet die Vorfälligkeit, dass rund 5.000 Euro Sozialversicherungsbeitrag für 14 Tage im Vergleich zur früheren Regelung vorfinanziert werden müssen. Wir reden also in dem Fall nicht nur von Mehrbelastungen, wir reden auch von Zinsverlusten, von erheblichem bürokratischem Aufwand und letztendlich von einer Liquiditätsbelastung.

Und wenn ich sage, dass wir natürlich mit der vorliegenden Landtagsinitiative zweifelsohne dicke politische Bretter bohren müssen, dann sind es eben die Argumente der Gegner, die eine solche Rückführung nicht wollen. Die sind uns ja bekannt. Unter anderem wird die am 26. August 2006 in Kraft getretene Vereinfachungsregelung ins Feld geführt. Die wird immer noch mit dazugesagt, also da ist schon eine Vereinfachung durchgeführt worden. Aber Fakt ist, auch wenn es da in der Tat eine Vereinfachung gibt, das will man nicht gern zugeben, letztendlich haben wir trotzdem die Zinsbelastung, trotzdem den Liquiditätsverlust und trotzdem die Bürokratie. Aufgrund dessen, dass die Zahlen nicht vorliegen, müssen sie die Zahlen zweimal anfassen, und es ist einfach nur logisch, dass man Zahlen dann anfasst, wenn sie vorliegen. Allein deswegen ist diese Vorfälligkeit überholt und muss abgeschafft werden.

Herr Schulte hat mich unterstützt, weil Sie sagten, es ist ein bisschen aberwitzig, wo sind denn die Initiativen, gehen Sie mal lieber zum Minister. Ich halte es da mit Herrn Schulte. Letztendlich geben wir als Land ein ganz klares Bekenntnis. Und Sie wissen selbst, dass bei der Bauministerkonferenz das eindeutig ein Thema ist, dass es in Bayern ein Thema ist, dass es in Niedersachsen ein Thema ist, dass es in Sachsen ein Thema ist. Also be

gleiten wir das wohlwollend und sind dabei, wenn es darum geht, das zurückzuführen! – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Ums Wort gebeten hat noch mal für die Fraktion DIE LINKE der Fraktionsvorsitzende Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Debatte in einem Fachausschuss hat in der Regel eine eingeschränkte Sicht: im Wirtschaftsausschuss die wirtschaftspolitische Komponente, im Sozialausschuss die sozialpolitische Komponente. Das ist normal, das ist auch vernünftig so. Wenn wir im Landtag über diese Fragen debattieren, sollten wir schon eine gesamtgesellschaftliche Sicht entwickeln. Das ist meine Kritik an den Redebeiträgen, die hier gehalten wurden.

Der Antrag lautet, ich will ihn noch mal kurz verlesen: „Die Landesregierung wird gebeten, auf Bundesebene Initiativen zur Rückführung der vorgezogenen Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge zu unterstützen.“

Herr Waldmüller, Sie hatten mir nach Ihrer Rede im Gang gesagt, Sie würden hier darlegen, welche Initiativen es auf Bundesebene geben würde. Ich habe eben nichts davon gehört.

(Zuruf von Wolfgang Waldmüller, CDU)

Es gibt nämlich keine Initiativen auf Bundesebene.

Natürlich möchte auch meine Fraktion die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Mecklenburg-Vor- pommern entlasten. Selbstverständlich, das ist allgemein gut und das habe ich hier auch ausgeführt.

(Wolfgang Waldmüller, CDU: Dann stimmen Sie zu!)

Ich möchte aber, dass wir sie nicht nur kurzzeitig entlasten, sondern dauerhaft entlasten. Und deswegen halte ich es für geboten, um nicht zu sagen notwendig und für erforderlich, dass wir die Folgen und Nebenwirkungen, wie es in der Medizin heißt, dieser Entscheidung beurteilen. Wir gehen nämlich bei solchen Behandlungen nicht nur mit einer eindimensionalen Betrachtung an diese Frage ran, sondern mit einer gesamtgesellschaftlichen Sicht. Deswegen auch die Frage: Welche Auswirkungen hat das auf die Sozialversicherungssysteme? Das eine ist der Bürokratieabbau sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Kassen, die sich damit beschäftigen müssen. Das ist eine Frage. Aber die 25 Mil- liarden Euro, die als Verlust da sein werden – gar nicht mal mathematisch, denn das, was 2006 als 13. Beitrag eingezahlt wurde, wird jetzt, wenn die Entscheidung fallen würde, nicht in die Systeme fließen, dann fehlen nämlich 25 Milliarden –, das hat konkrete Auswirkungen.