Protokoll der Sitzung vom 29.01.2014

Wenn man sich jetzt einfach darauf zurückzieht und sagt, ja, das ist ein hohes Gut, das wurde in der Verfassung festgeschrieben und dabei haben sich die Initiatoren der Landesverfassung auch etwas gedacht, das ist wohl richtig, aber Demokratie muss doch auch weiterentwickelt werden können. Und wenn wir heute sagen, dass in zehn Landesparlamenten die Öffentlichkeit schon hergestellt wird, warum verweigern wir uns dieser Argumentation? Warum öffnen wir uns nicht? Es ist doch gang und gäbe, wenn wir gemeinsam im Ausschuss die Tagesordnung festlegen und aufgrund bestimmter Hinweise von Ministerien oder von Fraktionen sagen, diesen Tagesordnungspunkt möchten wir nicht öffentlich beraten, dann müssen Sie auch mit Argumenten kommen. Aber ich glaube, da wird sich auch niemand verschließen, wenn es wirklich genug Tatsachen und Argumente dafür gibt, eine Nichtöffentlichkeit herzustellen.

Meine Damen und Herren, Herr Müller, vielleicht gucken Sie einfach mal in anderen Ländern, wo Ihre Fraktionen viel offener sind, sich in diesen Prozess weit besser einzubringen beziehungsweise auch Änderungen vorzunehmen. Gucken Sie sich Niedersachsen an! Niedersachsen hat im vergangenen Jahr die Geschäftsordnung geändert auf Wunsch der SPD und der GRÜNEN. Da gab es Argumente, und Sie können sich sicherlich die Parlamentsdokumente auch noch mal genau an- gucken. Aber Ihr Kollege Landtagsabgeordneter der SPD, Herr Grant Hendrik Tonne, sagte, seine Fraktion wolle unter anderem diese Änderung, ich zitiere, „weil“ man sich „einen modernen, einen transparenten und bürgernahen Landtag“ vorstelle. Und er sagte weiter: „Nach unserer Einschätzung steht es der Politik gut zu Gesicht, offen und transparent zu beraten und eben nicht Entscheidungen in Hinterzimmern zu treffen.“ Zitatende.

Im Übrigen gleicht die Argumentation in der Debatte innerhalb des Landtages Niedersachsen auch den Argumenten, die wir hier vorgetragen haben – sowohl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch wir als Fraktion DIE LINKE –, also insbesondere denen Ihrer eigenen Fraktion im Landtag Niedersachsen.

Unterm Strich würde ich mir wünschen, dass die Koalitionsfraktionen über das Gesagte nachdenken und entsprechend entscheiden. Wir haben uns in der letzten Europa- und Rechtsausschusssitzung darauf verständigt, dass wir aus den demokratischen Fraktionen uns gemeinsam über mögliche Verfassungsänderungen verständigen, dass wir das mal abgleichen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das kann dauern! Das kann dauern!)

Ich hoffe, dass vielleicht insbesondere die Frage der Transparenz der Politik einen hohen Stellenwert einnimmt, und bin deshalb noch etwas frohen Mutes, wobei mir die Debatte heute, die bis jetzt stattgefunden hat, dazu nicht viel Anlass gibt. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

(Heinz Müller, SPD: Ah, jetzt kommt der Oberdemokrat! – Peter Ritter, DIE LINKE: Das allein spricht für öffentliche Ausschusssitzungen, damit man mal sieht, was das für Flachzangen sind.)

Ja, um Ihrem Gewäsch zuzuhören. Das wäre unterhaltsam, das ist wahr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ausschusssitzungen können gerne öffentlich sein. Bürger, die sich das ansehen, würden dann beobachten können, dass der Parlamentarismus unter den Bedingungen einer Großen Koalition Pause macht beziehungsweise Winterschlaf hält.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So wie Herr Andrejewski regelmäßig in den Ausschusssitzungen.)

Parlamentarismus war ursprünglich für ganz andere Verhältnisse gedacht, als es noch richtige Gegensätze gab, zum Beispiel König von Preußen und Preußischer Landtag – das war ein richtiger Gegensatz.

Im Parteienstaat, wenn ein und dieselben Parteien Regierung und Parlamentsmehrheit kontrollieren, wird es schon schwieriger. Dann kann echter Parlamentarismus nur überleben, erstens bei einer Minderheitsre- gierung, das ist aber in Deutschland selten wegen des hier herrschenden Stabilitätsfimmels, zweitens bei knappen Mehrheitsverhältnissen, wenn auch schon mal ein Abgeordneter, der krank ist, auf der Bahre reingetragen werden muss, damit die knappe Mehrheit gewährleistet ist, oder drittens, wenn es das freie Mandat denn wirk- lich gäbe. In der Theorie existiert es, es steht sogar im Grundgesetz: Der Abgeordnete – steht da – ist „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“, sondern „nur“ seinem „Gewissen unterworfen“.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Oder folgt dem Föhrer.)

So weit die Lyrik.

In der Praxis wurde das freie Mandat von den sogenannten demokratischen Parteien mit den für sie typischen Winkeladvokatentricks ausgehebelt. Der Abgeordnete ist nur seinem Gewissen unterworfen. Ja, sagen die selbsternannten Superdemokraten, aber nur bei Gewissensfragen, und was eine Gewissensfrage ist, bestimmt jeweils die Fraktionsführung. Das wird dann extra angesagt als seltene Ausnahme, dass ausnahmsweise der Fraktionszwang mal aufgehoben ist, der verfassungswidrig ist, und zwar durch und durch. Renitente Abgeordnete bekommen mitgeteilt: Dann lassen Sie sich doch von Ihrem Gewissen das nächste Mal für die Wahl aufstellen. Die Partei macht das nicht, wenn Sie nicht spuren. Darauf vertrauen wenige, und so kommt es, dass bei eindeutigen, erdrückenden Mehrheitsverhältnissen der Parlamentarismus zu mehr oder weniger gelungenen Theatervorstellungen mutiert.

Entscheidungsprozesse vollziehen sich in irgendwelchen Dunkelgremien der Großen Koalition – sowohl hier in Mecklenburg-Vorpommern als auch in Berlin – und werden dann noch mal im Parlament und in den Ausschüssen nachgespielt, so, wie ein historisches Ereignis nachgespielt wird: Wenn gerade keine Kamera da war, wird das noch mal nachgestellt, damit es dann in die Ge

schichtsbücher kommt. Mehr ist das nicht. Das ist auch überflüssig.

Im Bundestag ist es schon möglich, Reden einfach zu Protokoll zu geben und gar nicht erst zu halten, was durchaus konsequent ist, denn was die Opposition sagt, ist sowieso nicht von Interesse für die Großen Koalitionen.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Die Opposition kann Fragen stellen, die werden beantwortet oder auch nicht. Wenn nicht, kann der Oppositionsabgeordnete beim Landesverfassungsgericht – wie in Mecklenburg-Vorpommern – feststellen lassen, dass sein Fragerecht verletzt wurde, wie es gerade dem NPDAbgeordneten Petereit gelungen ist. Das ist schön, dass man das bescheinigt bekommt, aber das wars dann auch. Die Opposition kann in den Ausschüssen Anhörungen beantragen. Das wird auch genehmigt, die finden dann auch statt. Die Große Koalition heuchelt Interesse, hört sich das an und peitscht das durch, was sie sich schon längst vorgenommen hat.

Der Parlamentarismus in Mecklenburg-Vorpommern

liegt auf Eis, solange die Große Koalition mit diesen erdrückenden Mehrheitsverhältnissen besteht. Öffentliche Ausschusssitzungen würden das auch noch sichtbar machen. Deswegen stimmen wir dafür.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Texter von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mehrere Vorredner sind darauf schon eingegangen, aber ich möchte das an dieser Stelle eben auch wirklich noch mal aufgreifen. Herr Müller hat sehr viel über die Änderung der Geschäftsordnung gesprochen, aber in der Tat handelt es sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf um eine Änderung der Landesverfassung und nicht etwa um eine einfache Gesetzesänderung in einem ganz normalen Gesetz unseres Landes.

Ich meine, die Verfassung ist die Grundlage – sowohl rechtlich als auch politisch gesehen – unserer Demokratie. Die Verfassung ist auf Langfristigkeit angelegt, und ich finde, man ändert sie nicht einfach mal eben so. Ich habe die Thematik im letzten Europa- und Rechtsausschuss angesprochen. Herr Suhr, wir haben uns darüber ja auch schon mal unterhalten. Es müssten in der Tat besondere Gründe und eine besondere Rechtfertigung vorliegen, wenn man die Landesverfassung ändern will, dies zu tun.

An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass es aus meiner Sicht eine ganze Reihe von Anliegen gibt, die in der Landesverfassung geregelt sind, und dass von verschiedenen demokratischen Fraktionen Änderungswünsche bestehen. Das ist auf der Seite der Fraktion DIE LINKE der Fall. Da gibt es also mehrere Punkte. Der Punkt „Änderung der Quoren zu Volksbegehren und Volksentscheid“ ist schon angesprochen worden. Auch das ist so ein Punkt. Es wäre doch in der Tat richtig, wenn man sich zusammensetzt,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Europäische Union, der liegt schon ein halbes Jahr bei Ihnen. Dazu haben Sie sich auch noch nicht geäußert.)

dass man sich in der Tat zusammensetzt, Frau Bor- chardt, und das haben Sie selbst ausgeführt, und darüber berät, an welcher Stelle man einmalig in der Legislatur, in der laufenden Legislatur, die Landesverfassung aufmacht und an welchen Stellen man sie ändert.

Herr Müller hat in seinem Redebeitrag darauf hingewiesen, dass sich daraus auch Änderungen in der Geschäftsordnung ergeben würden. Wir haben eine Reihe von Vorstellungen aus den verschiedenen Fraktionen vorliegen, welche Änderungswünsche es bei der Geschäftsordnung gibt. Aber ich denke, hier reden wir ganz besonders über die Landesverfassung. Und in der Tat, das ist ja auch kein Geheimnis, unsere Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Es ist ja so, dass die Macher der Verfassung – Frau Bor- chardt, Sie haben es selber gesagt – sich grundsätzlich für die Regelung Nichtöffentlichkeit/Öffentlichkeit aussprechen, also die Regel ist die Nichtöffentlichkeit und die Ausnahme kann die Öffentlichkeit sein. Ich erkenne im Moment keine Notwendigkeit, diese Regel umzukehren.

Ich will an dieser Stelle einige Beispiele nennen, wo wir gemeinsam Öffentlichkeit vereinbart haben. Gerade jüngst, in der letzten Sitzung des Europa- und Rechtsausschusses, ging von den Koalitionsfraktionen die Initiative aus, am 5. März eine öffentliche Ausschusssitzung durchzuführen. Da geht es inhaltlich um das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, wobei uns ein Vertreter …

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben wir sehr begrüßt, Herr Texter. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Ja, habe ich zur Kenntnis genommen.

… der Bundesregierung über den aktuellen Stand der Verhandlungen informieren wird. Ich möchte das doch an dieser Stelle mal ganz selbstbewusst erwähnen dürfen.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, das passiert so selten, das lohnt sich dann auch, das hier vorzutragen.)

Das lohnt sich in jedem Fall, das vorzutragen, Herr Suhr.

(Beifall Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Jawoll!)

Ebenfalls hat es Öffentlichkeit bei Ausschusssitzungen des Landwirtschaftsausschusses gegeben, Sie wissen das. Es hat auch öffentliche Sitzungen des Energieausschusses gegeben. Da ging es um die Besichtigung einer Windkraftanlage in Güstrow. Dort hat es auch öffentliche Ausschusssitzungen gegeben.

Herr Suhr, Sie haben die Sitzung an der Ölanlage angesprochen. Ich wollte darauf eigentlich gar nicht eingehen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Was peinlich war, ja.)

aber ich will es an dieser Stelle doch tun, denn ich habe in der Tat den Eindruck, dass gerade dort sehr deutlich zutage gekommen ist, dass es vielleicht hinderlich ist, wenn man Ausschusssitzungen öffentlich macht zu einem bestimmten Thema. Da ist es aus meiner Sicht

so gewesen – gut, ich war nicht dabei, das gebe ich zu, das sage ich auch ganz öffentlich, aber die mediale Darstellung war recht umfangreich –, dass es gerade dort den Eindruck gab, man hätte ja so eine halböffentliche Sitzung gehabt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ja, wars ja auch.)

Also draußen waren Leute dabei und als sich dann der Ausschuss in den Sitzungsraum zurückgezogen hat, war die Öffentlichkeit nicht mehr zugelassen. Diese Unstimmigkeiten haben doch gerade zum Verdruss geführt.

(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nee, das sehe ich anders, Herr Texter. – Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also ich finde, es muss einem Ausschuss bei so einem wichtigen Thema auch möglich sein, das in geschlossener Sitzung zu beraten, sich vor Ort zu informieren,

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

sich dann in nicht öffentlicher Sitzung darüber auszutauschen und danach von mir aus in einem gesonderten Termin die Öffentlichkeit zu beteiligen. Gerade das macht doch auch Parlamentarismus aus. Insofern finde ich, wäre gerade an der Stelle, wenn wir das zur Regel machen und irgendein Ausschuss dieses Hohen Hauses bewegt sich in die Öffentlichkeit, und grundsätzlich ist die Öffentlichkeit zugelassen,