Protokoll der Sitzung vom 29.01.2014

ganz schlüssige Frage stellen dürfen, man müsse vielleicht mal in den Ausschüssen über den richtigen Weg verhandeln können – ich erfahre das übrigens nicht in den nicht öffentlichen Ausschusssitzungen, dass das so gehandhabt wird –, ich glaube, die sind allein dadurch zu entkräften, dass offensichtlich inzwischen schon 10 von 16 Bundesländern mit grundsätzlich öffentlichen Sitzungen – das wird überall ein bisschen unterschiedlich gehandhabt, darüber hätten wir gerne in den Ausschüssen geredet – dies anders handhaben. Und sie machen gute Erfahrungen damit, da treten nicht die Befürchtungen ein, die Sie im Rahmen der Einbringung in der Ersten Lesung hier vorgetragen haben, sondern das ist ein wichtiger Beitrag zu gelebter Demokratie.

Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren – ich erwarte ja die Ablehnung heute in der Zweiten Lesung, was sollten wir anderes erwarten –, kann ich nur an Sie appellieren, sollten wir – es deutete sich zumindest im letzten Rechtsausschuss an, dass das eine Option ist – in den nächsten Monaten die Landesverfassung aufmachen

(Peter Ritter, DIE LINKE: Beruhigungspille.)

zu der Fragestellung der Quoren bei Volksentscheid und Bürgerentscheid, dann habe ich die herzliche Bitte, dass wir uns auch die Frage der Öffentlichkeit und der Nicht- öffentlichkeit wirklich noch mal ausdrücklich ansehen. Ich glaube, es wäre ein wichtiger, guter Beitrag zu gelebter Demokratie hier in diesem Hause und diesem Bundesland. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Suhr.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heinz Müller für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn, wie wir das heute mehrfach auf der Tagesordnung haben, ein Gesetzentwurf in der Ersten Lesung nicht an die zuständigen Ausschüsse überwiesen worden ist und nach ein paar Monaten erneut auf die Tagesordnung kommt, dann wird eine Ablehnung – und in der Tat, Herr Suhr, Ihre Erwartung ist die richtige, wir werden diesem Gesetzentwurf auch heute unsere Zustimmung nicht geben –, dann wird diese Ablehnung ganz oft damit begründet, dass man sagt, in diesen drei Monaten sind keine neuen Fakten eingetreten, keine neuen Argumente aufgetaucht, von daher kann es keine andere Meinung geben als damals.

(Jochen Schulte, SPD: Das ist auch richtig so.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist in vielen Fällen richtig, aber bei dem hier vorliegenden Entwurf ist es vielleicht nicht ganz so. Ich denke nämlich, dass seit dem 13. November – und das war die erste Beratung dieses Gesetzentwurfes – sehr wohl neue Tatsachen aufgetreten sind. Allerdings führen diese Tatsachen nicht dazu, dass wir zu einem anderen Ergebnis kommen, im Gegenteil, vielleicht verstärken sie das Nein noch ein wenig.

Aber lassen Sie uns zunächst einmal auf die Debatte vom 13. November zurückkommen. Ich habe seinerzeit

in der Debatte ausgeführt, dass wir über das Thema reden können und reden wollen, und es ist ein Thema, das auch in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Natürlich wollen wir uns einer solchen Diskussion nicht entziehen.

(Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe aber damals, und ich bleibe bei dieser Position, deutlich gesagt, dieses ist eine Frage der Geschäftsordnung und wir sollten nicht einzelne Punkte aus dieser Debatte, wie wir zukünftig unsere Geschäftsordnung strukturieren wollen, herauspicken und sozusagen durch Beschluss vorwegnehmen, sondern wir sollten alle Dinge, die wir zur Geschäftsordnung diskutieren möchten, zusammentragen und sie gemeinsam diskutieren, um dann einen geschlossenen Entwurf für eine Änderung der Geschäftsordnung in diesem Hause zu beschließen, und zwar beschließen mit den Stimmen aller demokratischen Fraktionen.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Ich glaube, ich habe es damals gesagt, ich sage es heute wieder: Ich halte es für sehr, sehr wichtig, wenn derartige Verfahrensregeln nicht im Streit entschieden werden, nicht die Mehrheit gegen die Minderheit hier etwas durchsetzt, sondern wenn wir dafür einen Konsens finden. Aber diesen Konsens können wir nur finden, wenn wir darüber reden, und zwar nicht über einzeln herausgegriffene Punkte, sondern über das gesamte Paket, das da heißt „Änderungsbedarf bei der Geschäftsordnung dieses Landtages“.

Und wir haben im November eine Situation gehabt, dass es zwar eine Liste von wünschenswerten, von einzelnen für wünschenswert gehaltenen Punkten gab, dass aber drei der vier demokratischen Fraktionen sich dazu noch keine Meinung gebildet hatten. Lediglich die SPD hatte diese Position den anderen Fraktionen mitgeteilt. Die anderen Fraktionen hatten zu diesem Zeitpunkt eine solche Meinungsbildung nicht abgeschlossen. Sie hatten zwar alle Ihre Vorschläge mit in den Topf eingebracht, aber noch keine abschließende Meinungsbildung über die Vorschläge der anderen vollzogen. Von daher haben wir damals abgelehnt zu sagen, wir greifen jetzt einen Punkt aus diesem Topf heraus und entscheiden den schon mal vorweg, sondern wir haben damals gesagt, lasst uns über den ganzen Topf reden. Bei dieser Argumentation bleibe ich selbstverständlich. Und das, was sich inzwischen geändert hat, ist, dass wir inzwischen Winterklausuren der Fraktionen gehabt haben und nach meiner Kenntnis auch die anderen Fraktionen über diese insgesamt zur Änderung der Geschäftsordnung vorliegenden Vorschläge diskutiert haben, sich eine Meinung gebildet haben.

Ich denke deshalb, dass es jetzt an der Zeit ist und dass wir jetzt wesentlich bessere Möglichkeiten haben, mit allen demokratischen Fraktionen über diese Vorschläge insgesamt zu reden und dann einen Vorschlag aus einem Guss zu erarbeiten, den wir diesem Hohen Hause zur Beschlussfassung vorlegen. Das ist unser Vorschlag zur Verfahrensweise, dabei bleiben wir, und der beinhaltet selbstverständlich, dass wir das Vorwegnehmen einzelner Punkte und eine Beschlussfassung über einzelne Punkte hier nicht für sinnvoll halten und deswegen einem solchen Antrag unsere Zustimmung verweigern.

Herr Abgeordneter Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Fraktionsvorsitzenden von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN?

Sehr gerne.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter.

Meine Frage lautet wie folgt: Können Sie, Herr Müller, denn bestätigen, dass – wollte man über die Geschäftsordnung das Ziel der Herstellung der Öffentlichkeit in den Sitzungen erreichen – dazu eine Änderung der Verfassung, des Paragrafen 33 der Landesverfassung erforderlich ist?

Herr Suhr, mit dieser Frage haben Sie selbstverständlich recht. Das ist ja das, was wir auch in der ersten Sitzung – nicht nur ich, sondern auch andere Redner – betont haben, dass wir hier eine besondere Situation vorliegen haben, dass wir etwas, was eigentlich eine Regelung der Geschäftsordnung ist, in Mecklenburg-Vorpommern – das ist historisch so entstanden – in der Verfassung geregelt haben. Wenn wir also zu einem solchen Geschäftsordnungspaket kommen – und ich hoffe, dass wir dazu kommen –, dann wird es nicht reichen, die Geschäftsordnung durch Beschluss zu ändern, sondern dann werden wir durch Beschluss auch die Landesverfassung ändern müssen, wenn wir uns denn darauf verständigen, dieses zu wollen. Völlig richtig.

Danke schön.

Natürlich, meine Damen und Herren, müssen wir das, wenn wir dies wollen, dadurch tun, dass wir die Verfassung ändern. Doch auch da, lieber Herr Suhr, sage ich Ihnen, auch da hat sich in den letzten Monaten etwas getan – Sie haben es selbst angesprochen –, auch da gibt es inzwischen eine Diskussion. Im Rechtsausschuss gibt es eine Diskussion zwischen den Obleuten – den demokratischen Obleuten des Rechtsausschusses – über Änderungen zur Verfassung. Es wäre von daher vom Verfahren her sehr wohl möglich, diese Frage auch dort mit einzubinden und aus all dem ein Paket zu machen.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, es bleibt dabei: Wir wollen nicht einzelne Punkte herauspicken und vorwegnehmen, sondern wir wollen eine Gesamtlösung und daran werden wir arbeiten. Ich hoffe sehr, dass auch Ihre Fraktion sich daran beteiligen wird. Ich gehe allerdings nach den bisher gemachten Erfahrungen davon aus, dass hier alle demokratischen Fraktionen zusammenwirken und wir gemeinsam etwas hinbekommen.

Und dann, Herr Suhr, sage ich Ihnen mal zu Ihrer Rede, die Sie hier eben vor wenigen Minuten gehalten haben: Das, was Sie an Argumenten vorbringen, ist ja nicht so, dass ich es mit einem Federstrich einfach wegwischen könnte. Natürlich sind das gewichtige und ernst zu nehmende Argumente. Ich würde mich nur freuen, wenn Sie die Argumente, die von der anderen Seite gegen eine solche Öffnung vorgebracht werden, auch sehr ernst nehmen würden und in Ihre Überlegungen sehr ernsthaft mit einbeziehen würden. Ich glaube, wir tun hier gut daran, die Argumente des anderen nicht einfach runterzuziehen, sondern sie sehr ernst zu nehmen und vernünftig darüber zu reden.

Dieses, meine sehr verehrten Damen und Herren, wollen wir tun, dieses wollen wir tun in einem Gesamtpaket. Dazu fordere ich Sie auf und ich hoffe, dass wir in absehbarer Zeit vernünftige Ergebnisse bekommen werden.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und, Herr Saalfeld, im November ist gesagt worden: Ja, wann soll denn das passieren, am Sankt-NimmerleinsTag? – Nein, weiß Gott nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag. Und wir haben in den zwei Monaten seither dadurch erhebliche Fortschritte bekommen, dass hier Meinungsbildungsprozesse abgelaufen sind. Lassen Sie uns auf diesem Weg weitergehen! Den Gesetzentwurf lehnen wir heute ab, den Diskussionsprozess wollen wir führen. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Herr Müller,

(Heinz Müller, SPD: Hier!)

es bleibt natürlich nach wie vor die Frage: Wie stehen Sie denn zu dem Gesetzentwurf?

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

Welche Position hat denn die SPD zur Öffnung dieser Klausel? Sie haben sich wieder nur auf ein Argument, nämlich auf die formellen Geschichten zurückgezogen.

(Heinz Müller, SPD: Nein, Frau Borchardt. Sie müssen zuhören!)

Doch, haben Sie! Haben Sie! Und ich will Ihnen dazu auch sagen, neue Argumente – ich glaube, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und auch die Fraktion DIE LINKE sind natürlich sehr aufgeschlossen für Pro- und Kontraargumente. Nur wenn wir nicht einmal mehr solche Gesetzentwürfe in die Fachausschüsse überweisen, wo wir über Pro und Kontra diskutieren können, woher sollen wir dann Ihre Argumente kennen? Die CDU hat in der letzten Aussprache teilweise ihre Argumente hier dargestellt. Von Ihnen habe ich nicht ein Argument dagegen oder dafür gehört. Sie haben rumlaviert,

(Heinz Müller, SPD: Sie haben es nicht begriffen. Sie haben es nicht begriffen.)

wie immer rumlaviert. Nein also, ich meine, es haben ja andere Abgeordnete hier auch gefragt: Herr Müller, welche Position hat denn nun die SPD? Offensichtlich haben wir alle nicht richtig zugehört, nur Sie haben wieder das gehört, was Sie wollten oder was Sie hier angeblich gesagt haben.

(Torsten Renz, CDU: Herr Müller hat ja noch Redezeit.)

Das ist eigentlich vom Prinzip her das große Problem, was wir hier haben. Auf der einen Seite argumentieren Sie gegen die Nichtöffentlichkeit unter dem Gesichtspunkt, nur in den Ausschüssen kann man fachlich, sachlich, vernünftig reden, da kann man auch mal aussprechen, was man will, da kann man andere Fragen stellen und sich in einem Meinungsbildungsprozess eine eigene Meinung erarbeiten. Aber der findet doch nicht mehr statt! Sie lassen es ja nicht mehr zu, parlamentarisch darüber zu reden – und nicht nur bei diesem alten Antrag.

Dann gucken wir uns doch mal ganz genau unsere Ausschusssitzungen in den letzten Wochen und Monaten an. Das, was ich erlebe im Europa- und Rechtsausschuss ist Folgendes: Die SPD-CDU-Koalition lässt sich überhaupt nicht mehr auf Argumente und Anträge der Opposition ein. Die wischen Sie einfach vom Tisch! Und wenn wir Sie nicht zum größten Teil dazu zwingen würden, sich mal zu positionieren, dann würde überhaupt nichts mehr dabei rauskommen. Also wie wollen Sie denn einen Meinungsbildungsprozess, den Sie ja gerne haben wollen, vom Prinzip her weiter befördern, wenn Sie sich nicht an einem Meinungsbildungsprozess beteiligen? Wenn das die Kultur in diesem Landtag für die Zukunft sein soll, dann finde ich das schon sehr bedenklich.

Im Moment haben wir den Eindruck, dass vom Prinzip her die Regierung der Regierungskoalition sagt, wo es langgeht, dass Sie überhaupt keine eigenen Positionen mehr haben und nur noch absegnen, was die Regierung von Ihnen will. Und wenn es Änderungsanträge gibt, bei Gesetzentwürfen zum Beispiel, dann läuft es darauf hinaus, dass die Regierung eventuell formelle Fehler gemacht hat. Das haben wir ja im Europa- und Rechtsausschuss nicht nur einmal erlebt beziehungsweise bei der Haushaltsdebatte, dass da aufgrund der politischen Diskussion noch mal geändert wird und Änderungsanträge gestellt werden. Aber zu Argumenten, die Sie gehört haben, ein Für und Wider abzuwägen und deswegen noch mal bestimmte Gesetzentwürfe zu ändern, davon sind wir weit entfernt. Und dazu gibt es innerhalb des Landtages der 6. Wahlperiode, Legislaturperiode, hier sehr, sehr gute Beispiele. Da brauchen wir uns nur die Anhörung zum Amtsgerichtsstrukturreformneuordnungsgesetz und viele andere Sachen anzugucken, die wir hier gemeinsam auf den Weg gebracht beziehungsweise es versucht haben.

Und deswegen frage ich Sie: Wovor haben Sie eigentlich Angst? Haben Sie Angst davor, dass die Bürgerinnen und Bürger vielleicht mitbekommen, dass es nur ideologische Argumente gegen einen bestimmten Ansatz, den wir als Oppositionsfraktion einbringen, gibt? Haben Sie Angst davor, dass Sie sich wirklich inhaltlich, fachlich mit einer bestimmten Geschichte auseinandersetzen müssen, dass Sie Argumente finden müssen für und wider, also inhaltlich besser arbeiten müssen? Davor haben Sie vielleicht Angst. Oder haben Sie auch Angst davor, dass die Bürgerinnen und Bürger mitbekommen, dass Sie in Ihren Wahlkreisen A sagen und in den Fachausschüssen B sagen

(Egbert Liskow, CDU: C! C!)

und sich daraus Widersprüche ergeben? Also wovor haben Sie Angst, das frage ich mich wirklich.

Wenn man sich jetzt einfach darauf zurückzieht und sagt, ja, das ist ein hohes Gut, das wurde in der Verfassung festgeschrieben und dabei haben sich die Initiatoren der Landesverfassung auch etwas gedacht, das ist wohl richtig, aber Demokratie muss doch auch weiterentwickelt werden können. Und wenn wir heute sagen, dass in zehn Landesparlamenten die Öffentlichkeit schon hergestellt wird, warum verweigern wir uns dieser Argumentation? Warum öffnen wir uns nicht? Es ist doch gang und gäbe, wenn wir gemeinsam im Ausschuss die Tagesordnung festlegen und aufgrund bestimmter Hinweise von Ministerien oder von Fraktionen sagen, diesen Tagesordnungspunkt möchten wir nicht öffentlich beraten, dann müssen Sie auch mit Argumenten kommen. Aber ich glaube, da wird sich auch niemand verschließen, wenn es wirklich genug Tatsachen und Argumente dafür gibt, eine Nichtöffentlichkeit herzustellen.