Zweifelsfrei gibt es regionale Aspekte. Wenn ich mir beispielsweise die Sozialraumanalyse unseres Landkreises anschaue, sehe ich sehr wohl die Brennpunkte und muss mir überlegen, was können wir im Spannungsfeld von sozialer Verantwortung und dem Finanzrahmen tun. Entschuldung, die Entwicklung des Arbeitsmarktes, Stärkung des Mittelstandes, Vermeidung der Altersarmut, ökonomische und soziale Teilhabe – alles Themen, an denen das Land und auch der Bund unablässig arbeiten.
Um für die nachfolgenden Generationen zu agieren, setzen wir auf Bildung von Anfang an, für alle Mitglieder der Gesellschaft gleichermaßen organisiert. Das ist das, was wir brauchen – beginnend im Kindergarten, über die Schule, Ausbildung, Studium und weiterführend in den Betrieben, sogar bis ins Alter hinein, Bildung ein Leben lang. Solche Wege aufzuzeigen und zu ermöglichen, das ist Aufgabe der Politik und der Gesellschaft, denn dadurch wird soziale Mobilität ermöglicht und einer Verfestigung des Risikos von Armut entgegengewirkt.
Wir in Mecklenburg-Vorpommern haben genau deshalb ein gut und, ich darf sagen, überdurchschnittlich gut ausgebautes Netz zur Betreuung von Kindern. Dieses Betreuungsnetz ist an einen Qualitätsstandard gekoppelt. Wir bilden individuell und von Anfang an aus, um eine Chancengleichheit so weit wie möglich unabhängig vom Einkommen der Familie zu erarbeiten.
Ich erlaube mir aber auch, Ihre Tendenz, immer nur den Staat in die Verantwortung nehmen zu wollen, nicht mitzutragen. Die Möglichkeit der Teilhabe setzt voraus, dass diese Chance auch von jedem, der sie braucht, wahrgenommen wird. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Armut im Alter wächst schneller als Armut bei allen anderen sozialen Gruppen.
Selbst wer ein Leben lang gearbeitet hat, ist vor Armut im Alter nicht sicher. Das ist das übereinstimmende Ergebnis von Wissenschaftlern.
Ein Beispiel ist Frau Krüger aus meinem Wahlkreis. Von der Verwaltungsangestellten hat sie sich erfolgreich zur Buchhalterin qualifiziert. Sie hat 32 Beitragsjahre auf ihrem Rentenkonto. Für ihre 3 Kinder erhält sie nach dem Koalitionsvertrag 6 Rentenpunkte. Sie erhält 6 und nicht 9 Rentenpunkte, da sie ihre Kinder vor 1992 geboren hat. Wenn ihr Arbeitgeber sie weiterhin beschäftigt, kann sie in 5 Jahren mit einer Altersrente von 840 Euro rechnen.
Abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge verbleiben ihr 750 Euro zum Leben. Das übersteigt den Regelsatz der Grundsicherung. Berücksichtigt Frau Krüger Miete und Heizkosten, hat sie Anspruch auf Grundsicherung im Alter, unabhängig davon, ob sie diesen Anspruch geltend machen wird. Anhand von Frau Krüger wird deutlich, dass Armut im Alter längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.
Wer nach der aktuellen Rentenstatistik in MecklenburgVorpommern erstmals nach 45 Versicherungsjahren Rente bezieht, erhält im Durchschnitt als Mann 894 Euro und als Frau 754 Euro.
Diese Bruttorenten schrumpfen nach dem Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen auf 798 beziehungsweise 673 Euro.
Der Fall von Frau Krüger ist demnach charakteristisch für die neuen Altersrentner. Nicht von ungefähr können wir schon wieder überall lesen, dass Rentner dringend Arbeit suchen. Die wachsende Altersarmut lässt sich nicht länger leugnen. Wir von der Linkspartei warnen seit Jahren davor. Mit den Maßnahmen des Koalitionsvertrages wird sie jedoch nicht einzudämmen sein, denn eine Rente muss auch zum Leben reichen. Wir fordern deshalb neben der schnellen Angleichung der Rentenberechnung Ost an West, wovon im Koalitionsvertrag für die nächsten vier Jahre trotz der vollmundigen Ankündigungen unseres Ministerpräsidenten und der ehemaligen Sozialministerin nichts mehr zu finden ist, auch die Rückkehr zur lebensstandardsichernden Rente.
Viele Renten liegen heute bereits unter der Armutsgrenze von derzeit 848 Euro. Die Ursachen liegen in der Arbeitswelt und in der verfehlten Sozialpolitik.
Ich nenne hier nur die Umstellung der Rentenberechnung vom Brutto- auf den Nettolohnbezug, die Einführung der verschiedenen Minderungsfaktoren, den Wegfall der Ausbildungsanrechnung und die Erhöhung des Renten
eintrittsalters – alles Eingriffe, die bei den neuen Rentnern die Zahlbeträge verringern. Diese Tendenz wird sich fortsetzen.
Nach einem jetzt bekannt gewordenen Bericht aus dem Bundesarbeitsministerium werden die Zahlbeträge sogar noch schneller sinken als bisher angenommen. Dass Altersarmut zum Massenphänomen wird, ist auch den Eingriffen der Politik in die Beitragszahlungen geschuldet.
So wurden die Zahlungen aus dem Bereich der Arbeitslosen- an die Rentenversicherung drastisch gekürzt. Für Langzeitarbeitslose wurden sie ab dem Jahr 2011 ersatzlos gestrichen. Wer im Hartz-IV-Bezug ist, erhält für diese Zeit keinen Cent Rente. Er oder sie muss nach dem 63. Geburtstag aber damit rechnen, vom Jobcenter in die Altersrente gedrängt zu werden. Das ist nach Einführung des Paragrafen 12a in das SGB II gängige Praxis. Es entlastet die Sozialhilfe, ist aber volkswirtschaftlich ein Nullsummenspiel. Die Betroffenen zwingt es in eine Rente mit dauerhaft hohen Abschlägen und vermehrt so die Zahl der Armen im Alter.
Das Ausmaß der Altersarmut kann für MecklenburgVorpommern nur geschätzt werden. Nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit steigt die Zahl der Arbeitslosen ab 55 Jahren und es wächst die Zahl der Empfänger von Grundsicherung im Alter. Um die Armut in unserem Land wirksam zu bekämpfen, brauchen wir detaillierte Zahlen, verlässliche Angaben über die Situation der Menschen, die in den nächsten Jahren Altersrentner werden. Wir brauchen den von meiner Fraktion schon mehrfach geforderten Armuts- und Reichtumsbericht für Mecklenburg-Vorpommern.
Wir brauchen eine kreative und initiativreiche Politik, die auch auf Bundesebene Rückgrat beweist. Die Landesregierung muss hier endlich tätig werden – für Frau Krüger und die vielen anderen Menschen in MecklenburgVorpommern und damit sich Armut im Alter nicht verfestigt. – Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich will zunächst aufgreifen, was hier von Herrn Koplin vorgetragen worden ist, nämlich, dass sich unser Ministerpräsident Erwin Sellering dem Thema Armutsbekämpfung nicht stellt. Dem muss ganz entschieden entgegengetreten werden. Ich will das an zwei Punkten festmachen.
Unser Ministerpräsident hat in einer seiner ersten Regierungserklärungen zwei Dinge gesagt: Wir müssen die Leute fit machen für den ersten Arbeitsmarkt, wir brauchen die Leute auf dem ersten Arbeitsmarkt. Das ist Ziel und muss Ziel unserer Arbeitsmarktpolitik sein. Das war die erste Aussage.
Die zweite Aussage, die ich noch im Kopf habe, ist, dass unser Ministerpräsident gesagt hat, wir müssen die An
zahl der Schulabbrecher deutlich minimieren. Wir müssen den Kindern in unserem Lande bessere Bildungsmöglichkeiten eröffnen und wir müssen gewährleisten, dass das auch funktioniert, dass wir hier deutlich besser werden, weil wir auf jeden hier im Land angewiesen sind bei der Situation, die wir am Arbeitsmarkt künftig vorfinden werden. Das ist aktive Armutsbekämpfung und das sind Aussagen zur aktiven Armutsbekämpfung.
Ich finde, wenn man hier in die Debatte einsteigt, Herr Koplin, ist es doch zunächst erst mal vonnöten zu klären: Was versteht man unter Armut? Also Bourdieu differenziert drei Formen von Armut: symbolische Armut, das heißt, der einzelne Mensch erfährt nicht genug Anerkennung, das Thema kulturelle Armut, zu der auch Bildungsarmut gehört, und das Thema Einkommensarmut.
Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Frau Stramm, dann bewegen Sie sich hier ausschließlich bei dem Thema der Einkommensarmut. Sie sagen, den Leuten fehlt es an Geld. Aber auch da unterlassen Sie es, zu klären, was Sie unter Einkommensarmut verstehen. Wer ist denn arm?
Es gibt die eine Gruppe, die sagt, derjenige, der auf Transferleistungen angewiesen ist, ist arm. Es gibt die andere Gruppe, die sagt, derjenige, der weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens, Nettomedianeinkommens, monatlich in der Tasche hat, der ist als armutsgefährdet zu bezeichnen, und derjenige, der weniger als 50 Prozent hat, gilt als arm. An dieser Stelle will ich darauf aufmerksam machen, wenn Sie diese Definition zur Anwendung bringen, dann werden die Leute in Griechenland immer reicher, weil da sackt im Grunde das Einkommen von allen nach unten durch.
weil das gilt natürlich im anderen Sinne ganz genauso. Das heißt, wenn Sie welche haben, die immer reicher werden, dann sackt natürlich das Niveau einer großen Schicht ab, obwohl man keine Aussagen daraus ablesen kann, wie viel Geld denen tatsächlich zur Verfügung steht. Auf solche Dinge müssen Sie eingehen.
Ich finde es schwierig, sich nur auf das Thema der Einkommensarmut zu beschränken, und dann vermisse ich heute in Ihrer Debatte überhaupt den finanziellen Kontext. Wenn man das Thema Armutsbekämpfung angehen will, dann muss man doch die Frage beantworten, wie viel Geld haben wir denn zur Verfügung für Armuts- bekämpfung. Und wenn ich das weiß, dann kann ich mir die Frage stellen, was will ich denn eigentlich inhalt
lich. Ist es mein sozialpolitscher Ansatz, mich auf Geldleistungen zu reduzieren, oder verfolge ich andere Ziele?
Die SPD-Fraktion und die SPD-geführte Regierung hier in Mecklenburg-Vorpommern haben sich einen anderen Schwerpunkt gesetzt. Sie haben gesagt, sie wollen sozialpolitisch die Partizipationsmöglichkeiten von Menschen verbessern, und ich beschränke mich hier auf Dinge in unserem Land und will Ihnen dazu ein paar wirklich herausragende Beispiele bringen.
Wenn Sie sich das Thema Kindertagesförderungsgesetz bei uns im Lande ansehen: Wir stellen jedem Kind eine wöchentliche Stundenbetreuung von 30 Stunden zur Verfügung, völlig unabhängig davon, ob die Eltern arbeiten oder nicht.
Schauen Sie mal in andere Bundesländer! Wir haben bei uns im KiföG eine Regelung getroffen, in der wir sagen, für sozialräumliche Brennpunkte stellen wir zusätzliches Geld zur Verfügung. Das heißt, da, wo wir davon ausgehen, dass sich die Zahl der armen Kinder konzentriert, machen wir deutlich mehr. Ich bin hier aus Schwerin, mein Wahlkreis ist der Große Dreesch. Da haben wir solche Einrichtungen, die deutlich mehr Geld als andere kriegen, um den Kindern, die mit dem Klotz am Bein ins Leben starten, eine bessere Förderung zuteil werden zu lassen. Das ist eine Form von aktiver Armutsbekämpfung.