Protokoll der Sitzung vom 14.03.2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich über die fröhliche Atmosphäre, aber ich darf Sie doch nun bitten, die Plätze einzunehmen. Wir wollen mit der Sitzung beginnen.

Ich begrüße Sie zur 64. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratung vereinbarungsgemäß fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Altenpflegehelferausbildung in Mecklenburg-Vorpommern reformieren, auf Drucksache 6/2748.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Altenpflegehelferausbildung in Mecklenburg-Vorpommern reformieren – Drucksache 6/2748 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Stramm für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! In Mecklenburg-Vor- pommern steigt der Anteil der Älteren, das ist allgemein bekannt. Der Landtag hat deshalb die Enquetekommission eingerichtet, die die Auswirkungen des Älterwerdens auf unser Land näher bestimmen soll.

Mit höherer Lebenserwartung wird die Pflegebedürftig- keit steigen. Wir werden in Mecklenburg-Vorpommern mehr Pflegebedürftige mit höherem Pflegebedarf haben. Gleichzeitig schrumpfen die Unterstützungsmöglichkeiten der Familien. Wir haben weniger Kinder, fragilere Familienstrukturen und einen wachsenden Anteil von Singlehaushalten. Wer beruflich flexibel und mobil sein muss, kann seine Eltern nicht persönlich pflegen. Zudem verändern sich die Werte und Ansprüche. Vieles, was vorherige Generationen eigenverantwortlich leisteten, wird heute von der Gesellschaft erwartet. Die nachlassenden Möglichkeiten der Familien können durch nachbarschaftliches Engagement nicht ausgeglichen werden. Fast alle Experten gehen davon aus, dass sich der Bedarf an professioneller Pflege erhöhen wird. Dies bedeutet, wir brauchen mehr professionelle Pflegekräfte. Dabei ist der Bedarf bereits heute nicht gedeckt. Vertreter der Berufsverbände berichten übereinstimmend, dass der Markt für Pflegekräfte in Mecklenburg-Vorpommern weitgehend leer gefegt ist.

Um hier Abhilfe zu schaffen, muss die Politik die Ausbildung fördern, denn hier kann das Land pflegepolitisch handeln. Ich habe das hier im Parlament bereits mehrfach betont. So habe ich darauf hingewiesen, dass die Landesregierung die dreijährige Ausbildung der examinierten Pflegefachkräfte reformieren muss und auch kann. Heute verweise ich auf den Reformbedarf bei der Ausbildung der Kranken- und Altenpflegehelfer. Mecklenburg-Vorpommern hat sich 2004 für eine generalis- tische Ausbildung der Pflegehelfer entschieden. Die Zusammenführung der Berufe des Kranken- und des Altenpflegehelfers in eine Ausbildung entsprach den Anforderungen der Pflegewissenschaft und war der Wunsch der Berufsverbände. Durch diese generalistische Ausbildung haben die Absolventen breitere Ein

satzmöglichkeiten und bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Zum Vergleich: Bundesländer wie Hessen, NordrheinWestfalen und Baden-Württemberg bilden bis heute nur reine Altenpflegehelfer aus.

Was sich bewährt hat, wollen wir erhalten. Seit dem Erlass der Ausbildungsverordnung sind jedoch fast zehn Jahre ins Land gegangen. Da sich die fachlichen In- halte und die Anforderungen an die Pflegehelfer seitdem geändert und vielfach erhöht haben, fordern wir eine grundlegende und zeitnahe Reform der Verordnung. Wir schlagen eine Verlängerung der Ausbildungszeit von bisher 18 auf 24 Monate vor.

(Minister Harry Glawe: Warum nicht gleich 36?)

Damit würden die Ausbildungseinrichtungen mehr Zeit für Lehre und Erziehung erhalten.

Wenn Sie bedenken, was eine Pflegehelferin oder ein Pflegehelfer heute können müssen, unterstützen Sie unseren Antrag. Pflegehelfer üben keineswegs nur an- geleitete Tätigkeiten aus, sondern sie arbeiten selbstständig im Bereich der Grundversorgung. Sie wirken mit bei der Wundversorgung, der Arzneimittelausgabe und dem Umgang mit Hilfsmitteln. Sie erheben Patienten- daten, führen die Pflegedokumentation und sie müssen die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen ihres Berufes kennen.

Auf die gestiegenen Anforderungen an den Beruf des Pflegehelfers haben einige Länder in der EU – unter den deutschsprachigen ist das Österreich –, aber auch deutsche Bundesländer, beispielsweise Sachsen, mit einer Verlängerung der Ausbildungszeit auf zwei Jahre reagiert. Wir sollten die Landesregierung beauftragen, es dem gleichzutun. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Stramm.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Birgit Hesse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Viele Bundesländer haben separate Regelungen entweder für den Beruf eines Altenpflegehelfers oder den des Krankenpflegehelfers erlassen. Namhafte Berufsverbände – Frau Stramm führte es bereits aus – fordern jedoch seit Jahren eine generalistische Ausbildung der beiden Berufsbilder. Deshalb hat sich das Sozialministerium bereits vor zehn Jahren dazu entschlossen, beide Berufsbilder zum Beruf des Kranken- und Altenpflegehelfers zusammenzufassen. Das entspricht auch modernen pflegewissenschaftlichen Ansprüchen. Die im Antrag der Fraktion DIE LINKE geforderte Erhöhung der Ausbildungszeit für Kranken- und Altenpflegehelfer ist fachlich

nachvollziehbar, eine Realisierung ist aber zurzeit aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll.

Erstens. Der Bundesgesetzgeber hat zugesagt, noch Ende dieses Jahres einen Referentenentwurf für ein neues Pflegeausbildungsgesetz vorzulegen. Solange die Rahmenbedingungen für die Fachausbildung nicht bekannt sind, ergibt es keinen Sinn, die Helferausbildung zu novellieren.

Zweitens. Schülerinnen und Schüler, die eine Erstausbildung zum Kranken- und Altenpflegehelfer anstreben, erhalten zurzeit keine Ausbildungsvergütung. Das liegt an den unterschiedlichen Finanzierungssystemen. Für viele Familien ist es mit einer großen Belastung verbunden, während der Ausbildung für den Unterhalt ihrer Kinder zu sorgen. Mein Ziel ist es, mich im Zusammenhang mit der Neuordnung der Pflegeberufe dafür einzusetzen, dass bei der Neuregelung der Ausbildungsfinanzierung auch die Helferberufe in der Pflege berücksichtigt werden. Es muss endlich möglich sein, bei der generalistisch ausgerichteten Helferausbildung den Auszubildenden eine Vergütung zu zahlen.

(Minister Harry Glawe: Richtig.)

Drittens. Für Absolventen mit dem Abschluss als Kranken- und Altenpflegehelfer, die nach der Verordnung des Sozialministeriums ausgebildet werden, ist anschließend die Kranken- oder Altenpflegeausbildung möglich. Die Ausbildung kann bis zu einem Jahr verkürzt werden, sodass die Kranken- und Altenpflegehelfer nur noch eine zweijährige Ausbildung zur Fachkraft absolvieren müssen. Das ist eine wichtige und gute Möglichkeit, den Fachkräftenachwuchs zu sichern. Eine Erhöhung der Ausbildungszeit der Kranken- und Altenpflegehelfer auf zwei Jahre würde diese Perspektive unattraktiver machen, denn es müssten in zwei Jahren die Ausbildung zum Kranken- und Altenpflegehelfer und anschließend noch einmal in zwei Jahren die Fachausbildung absolviert werden. Ich fürchte, das könnte zu einem Rückgang bei der Weiterqualifizierung von Pflegehelfern und somit zu einer Verschärfung des Fachkräftemangels führen.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mein Ziel ist es deshalb auch, dass im neuen Pflegeausbildungsgesetz entsprechende Anrechnungsregelungen für Pflegehelfer aufgenommen werden.

(Minister Harry Glawe: Das ist sehr vernünftig. Das fordert die CDU schon seit Jahren.)

Ich denke, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern schon gute Regelungen haben. Mit dem neuen Pflegeausbildungsgesetz möchte ich weitere Verbesserungen erreichen. Diese Entwicklung gilt es abzuwarten. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schubert für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hatte beim Lesen des Antrages richtig Spaß, wenn die Sache nicht so ernst wäre. Da gehen doch unsere Kolleginnen und Kollegen von der Partei des sozialen Gewissens, als die sie sich doch stets verkaufen, hin und sprechen dem eigenen Nachwuchs, den jungen Menschen in unserem Land gerade die soziale Kompetenz ab, und darum müsste die Berufsausbildung verlängert werden.

Zu viele Berufsschüler und Berufsschülerinnen haben keine soziale Ader, keine Empathie für die Menschen, die sie umgeben. Das ist für mich schon verwunderlich. Vor zwei Tagen hat man darüber gesprochen, das Wahlalter auf 16 festzulegen, und jetzt spricht man den jungen Leuten keine soziale Ader und keine Er- fahrungen im Leben zu, und das ist für mich verwunderlich. Also in zwei Tagen ändert sich die Meinung der LINKEN.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Wie heißt es doch: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Nach Ansicht der LINKEN müssten diese jungen Menschen – ja, Entschuldigung – sich ganz schön selbst anstinken. Und offen gestanden war ich nicht nur über diese zweifelhafte offene Kritik überrascht, sondern auch über die Konsequenzen, die daraus gezogen werden. Wer nicht lieb ist oder denkt, der geht halt länger in die Schule. – Da wird bestimmt auch der letzte Schüler sein soziales Gewissen entdecken!

Zweierlei gebe ich zu bedenken: Zum einen ist der Ansatz, dass Berufsschulen prägungsmäßig ausbügeln sollen, was nach Ansicht der Antragschreiber offenkundig lange zuvor versäumt wurde, falsch. Prägung und soziale Kompetenz finden wir zu Recht bei der frühkindlichen Erziehung. Da ist die Berufsschule Jahre zu spät und im Übrigen auch pädagogisch um Altersklassen entfernt. Und ich frage mich natürlich auch, warum eine staatliche Ausbildung auffangen soll, was das soziale Netzwerk, das Umfeld und die Familien verpasst haben, den Kindern zu vermitteln. Schule kann und wird nicht der Ort sein, an dem diese Defizite abgearbeitet werden. Eine weitere Verstaatlichung zur Entlastung elterlicher Verantwortung ist ein interessanter Gedanke, mit uns jedoch nicht zu machen.

Zum anderen halte ich es für fatal, in Zeiten akuten, ja chronischen Fachkräftemangels solche Zeichen zu setzen. Wir können uns gar nicht erlauben, Ausbildungszeiten im Bereich der Pflegeberufe zu verlängern. Das bedeutet für den Arbeitsmarkt Verzögerungen, obwohl Mann und Maus gebraucht werden. Ich erspare uns allen weitere Ausführungen zum demografischen Wandel und der sich daraus ergebenden, sich noch weiter zuspitzenden Arbeitsmarktsituation. Für den Ein- zelnen bedeutet es eine Verlängerung, die in anderen Ländern nicht üblich ist, und da komme ich noch mal zu den Zahlen.

Frau Stramm hatte hier nur die Zahl aus Sachsen genannt. Ich finde ein Bundesland, das längere Ausbildungszeiten hat, das ist Hamburg mit zwei Jahren. Alle anderen haben weniger Ausbildungszeiten für den Altenpflegehelferberuf und Krankenpflegehelferberuf wie in unserem Land.

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Als!)

Und da ist es schon verwunderlich, dass man sich gezwungen sieht, weil andere Bundesländer längere Ausbildungszeiten haben, hier einen Ansatz zu sehen, um die Ausbildungszeiten für Altenpflegehelfer und Krankenpflegehelfer zu erweitern. Einen Ansatz hat Frau Stramm ja schon gefunden. In ihrem Antrag steht eigentlich nur der Begriff „Altenpflegehelfer“ drin. Sie hat aber jetzt in der Begründung noch mal gesagt, es trifft auch für die Krankenpflegehelfer zu. Die Ministerin hat schon gesagt, dass wir bereits vor zehn Jahren diese Vereinheitlichung in der Berufsausbildung gemacht haben. Insofern, glaube ich, stimmt der Ansatz nicht, dass wir unbedingt handeln müssen, weil es in anderen Bundesländern eine längere Ausbildungszeit gibt.

Ein weiterer Grund ist – den nannte auch schon die Ministerin –, dass es keine Ausbildungsvergütung gibt. Meines Erachtens wäre das Ausbeutung – das, glaube ich, wollen die LINKEN nicht –, wenn wir den Auszubildenden aufbürden wollen, dass sie noch ein halbes Jahr länger ihre Berufsausbildung machen, und das unentgeltlich. Wir haben viele private Schulen, und auch darüber haben wir schon mal gesprochen, dass man dort ein Schulgeld bezahlen muss. Das kann nicht im Sinne der Auszubildenden …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Da haben Sie doch unsere Anträge abgelehnt, Herr Schubert. Erzählen Sie doch nicht so einen Quatsch hier!)

Das hat aber nichts damit zu tun,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Doch, das hat damit zu tun.)

dass Sie die Ausbildungszeiten auf dem Rücken der Auszubildenden erweitern wollen und dass sie diese Kosten tragen müssen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, Maßnahmen, die wir vorgeschlagen haben, haben Sie abgelehnt.)

Die haben wir nicht abgelehnt,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Doch, die haben Sie abgelehnt. Gucken Sie ins Protokoll, dass Sie alle Anträge ablehnen!)

darüber haben wir diskutiert und nach Lösungswegen gesucht. Sie greifen aber wieder aus dem vollen Ausbildungskatalog einen bestimmten Berufszweig auf, der ausgebildet werden soll, und dafür wollen Sie sich einsetzen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch in Ordnung.)