(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Das kannst du deinen Kameraden an den Kopf werfen, aber nicht hier im Parlament!)
Betrachten Sie das als Teil der Gesundheitsvorsorge. Hier sitzen bereits genug Pflegefälle. Und wir wollen uns da nicht noch mit einreihen. – Vielen Dank. Ich ziehe meinen Antrag hiermit zurück.
(allgemeine Unruhe – Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ihr seid schon lange einer.)
Im Übrigen möchte ich Ihnen auf den Weg geben, dass Sie bitte künftig solche Unterstellungen unterlassen, dass hier die Fraktionen unterschiedlich behandelt werden.
(Udo Pastörs, NPD: Oh, oh, das wird nicht fruchten bei ihm! Ich kenne ihn, Frau Präsidentin. Also der ist irgendwie schwierig.)
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen.
Und mit diesem zweiten Ordnungsruf mache ich Sie darauf aufmerksam, dass Ihnen bei einem dritten Ordnungsruf das Wort entzogen wird.
(David Petereit, NPD: Ich merke mir das gut. – Zuruf von Heinz Müller, SPD – Stefan Köster, NPD: Ach, Herr Müller!)
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 28: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Armut von Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern erfas- sen, analysieren und bekämpfen – für eine chancengleiche Entwicklung aller Kinder und Jugendlichen, Drucksache 6/2749.
Antrag der Fraktion DIE LINKE Armut von Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern erfassen, analysieren und bekämpfen – für eine chancengleiche Entwicklung aller Kinder und Jugendlichen – Drucksache 6/2749 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Armut ist in unserer Gesellschaft ein aktuelles Problem, das sich durch alle Alterskohorten zieht und viele Bevöl- kerungsgruppen trifft – von Kindern, über Erwachsene in prekären Beschäftigungen oder unter Hartz IV bis hin zu SeniorInnen, Menschen mit Behinderungen und MigrantInnen.
Ganz aktuell wurde das erneut für Kinder und Jugendliche festgestellt. Am 11. Januar 2014 erschien der Bericht der Hans-Böckler-Stiftung zur Kinderarmut in Deutschland unter dem Titel „Wie ,relativ‘ ist Kinderarmut?“. „Als armutsgefährdet“ gilt, wem „weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Einkommens zur Verfügung“ stehen, so heißt es im Bericht. Armut ist relativ und für die Koalitionäre Auslegungssache. Für uns sind die Zahlen eindeutig und alarmierend.
Mecklenburg-Vorpommern ist das Land mit dem größten Anteil an Kinderarmut in Ostdeutschland. Im Bundesvergleich rangiert Mecklenburg-Vorpommern nach Bremen an zweiter Stelle, und das seit Jahren in so einem reichen Land wie der Bundesrepublik Deutschland.
Diese unterschiedliche und für Mecklenburg-Vorpom- mern so nachteilige Entwicklung ist beschämend. Es zeigt, dass wir bei Chancen und Möglichkeiten für Kinder im Bundesvergleich am hinteren Ende liegen.
Mangellagen für armutsgefährdete Familien wirken sich auf Bereiche wie Wohnen, Nahrung, Kleidung, aber auch soziale Aktivitäten aus. In all diesen Bereichen müssen Abstriche gemacht werden. Konkret sind dies zum Beispiel eine schlechte Wohnlage, wenig Wohnfläche und schlechter Wohnzustand wie feuchte Wände. Bei der Nahrung wird zugunsten günstiger, industriell gefertigter Lebensmittel eher auf Ausgewogenheit, gesundes und frisches Essen verzichtet. Auch auf kostenpflichtige soziale Aktivitäten in den Bereichen Sport, Kultur und Musik, welche die Entwicklung der Kinder fördern, muss weitgehend verzichtet werden. Da hilft auch nicht das Bildungs- und Teilhabepaket, das solche Vorhaben nur zu einem Bruchteil finanziert und für das ein aufwendiges Antragsverfahren notwendig ist.
Die finanziell benachteiligten armen und armutsgefährdeten Kinder und Jugendlichen werden von ihren Altersgenossen abgehängt. Dieser Zustand besteht seit Jahren in Mecklenburg-Vorpommern. Seit Jahren sind die Kinderarmutsquoten in Mecklenburg-Vorpommern auf ähnlich schlechtem Niveau. 2005 waren es in MecklenburgVorpommern noch 34,2 Prozent der Kinder, die armutsgefährdet waren. 2009 waren es 32,8 Prozent, 2010 29,9 Prozent, 2011 30,1 Prozent und 2012 33,5 Prozent. 33,5 Prozent der Kinder in Mecklenburg-Vorpommern gelten als armutsgefährdet. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 18,9 Prozent. Mecklenburg-Vorpommern ist überdurchschnittlich von Armut geprägt.
Nun habe ich gerade in der letzten Landtagssitzung von Frau Hesse vernehmen können, dass die eben aufgeführte Studie der Hans-Böckler-Stiftung nur Stichproben von circa 8.000 Befragten in Mecklenburg-Vorpommern enthielte. Ich möchte hier nicht darüber streiten, welche Studie repräsentativ ist und welche nicht. Aber wenn wir im Land Mecklenburg-Vorpommern den Kampf gegen Kinderarmut angehen wollen, dann brauchen wir als Erstes eine Analyse der Istsituation, die nicht infrage gestellt wird. Und als Zweites, da sehe ich als Erstes die Landesregierung in der Pflicht.
Nun werden Sie mir entgegenhalten, dass es 2009 einen Bericht zur Lebenssituation von Haushalten mit Kindern in Mecklenburg-Vorpommern gab. Zum einen ist dieser Bericht fünf Jahre alt. Zum anderen scheint sich die Datenlage der Landesregierung verschlechtert zu haben. Diese Erkenntnis muss sich einem aufdrängen, wenn man sich die Antworten der Landesregierung auf die Kleine Anfrage durchliest. Nach den Antworten der Landesregierung sind „erhöhte Risiken einer Armutsgefährdung im Lebensverlauf von Kindern“ und „Jugendlichen …, wenn Eltern Langzeitarbeitslose und/ oder Alleinerziehende sind, … Geringverdienerinnen und Geringverdiener sind, in wirtschaftlich schwach entwickelten Regionen leben, über mangelnde Mobilität verfügen … beziehungsweise einen Migrationshintergrund“ haben. Alles richtig.
Fragt man dann aber konkret nach, erhält man Antworten wie: „Landesspezifische Daten zur Armutsgefährdung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund in Mecklenburg-Vorpommern liegen der Landesregierung nicht vor.“ Oder: „Daten für Landkreise und kreisfreie Städte liegen nicht vor“, bezogen auf die konkrete Frage, wie viele Kinder und Jugendliche in den Regionen von Armut betroffen sind. Ich könnte weitere solche Antworten aus der Kleinen Anfrage liefern.
Sie benennen die Risikofaktoren, liebe Landesregierung, ohne aber zu wissen, wer wie davon betroffen ist. Deshalb bleibt nur die Konsequenz, dass wir in unserem Antrag in Punkt 1 niedergeschrieben haben: Legen Sie uns bis Ende des Jahres einen Bericht vor, der die Situation von Kindern und Jugendlichen in MecklenburgVorpommern darstellt. In diesem Bericht sollten die bisher ergriffenen Maßnahmen analysiert und auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Denn mit dem 2009 erschienenen Bericht der Landesregierung hatte „die Landesregierung einen umfänglichen Handlungskatalog beschlossen und die entsprechenden Maßnahmen ergriffen“, so berichteten Sie uns, Frau Hesse, in der letzten Landtagssitzung.
Aber die damals ergriffenen Maßnahmen scheinen nicht geholfen zu haben. Das ist jedenfalls die Schlussfolgerung, wenn ich mir die anhaltend hohe Quote von von Armut betroffenen Kindern über die Jahre hinweg anschaue. Ich hatte sie vorhin bereits angeführt. Deshalb bleibt die Forderung an die Landesregierung: Wenn wir Kinderarmut offensiv angehen wollen, müssen wir die Ausgangssituation kennen, die bereits getroffenen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin überprüfen und Handlungsempfehlungen daraus ableiten.
Aber nicht nur auf Landesebene müssen wir der Kinderarmut begegnen, auch auf Bundesebene müssen wir für Sensibilisierung bei diesem Thema sorgen. Zwar kommt die Bundesfamilienministerin Frau Schwesig aus unserem Bundesland und kennt die Probleme, allerdings konnte ich auf Bundesebene bisher nicht erkennen, dass die Bekämpfung von Kinderarmut zu den Topthemen gehört. Denn schauen wir uns den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD an. Da steht kein Wort über die Bekämpfung von Kinderarmut. Kinderarmut als solche scheint noch nicht einmal als Problem wahrgenommen zu werden. Dabei sind nach Berechnungen des Deutschen Kinderhilfswerkes derzeit rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland von Armut betroffen. Keine andere gesellschaftliche Altersgruppe ist so stark von Armut betroffen wie Kinder und Jugendliche.
Da noch nicht einmal das Problem als solches erkannt wird, ist auch nicht damit zu rechnen, dass das Problem mit dem notwendigen Nachdruck angegangen wird. Unsere Landesregierung könnte da Impulsgeber sein, dass der Bund zusammen mit den Ländern konkrete Ziele zur Überwindung von Kinderarmut erarbeitet.
Ebenfalls auf der Bundesebene in einem ersten Schritt werden die Hartz-IV-Regelsätze endlich unter Einbeziehung der tatsächlichen Bedürfnisse von Kindern berechnet werden. Dies ist schon längst überfällig. In solch einen kindergerechten Regelsatz müssten auch die Kosten für eine gesunde Ernährung, Kleidung, Schulbesuch und die Teilnahme an kulturellen Angeboten einbezogen werden, wobei ich einmal sagen muss, dass es nur wirklich der erste Schritt sein kann.
Kinder als kleine Langzeitarbeitslose zu behandeln, ist wirklich realitätsfern. Es war ein langer Kampf, Kinder als eigene Träger von Rechten zu sehen, als Subjekte zu betrachten. Das muss weiter ausgebaut werden. Und da das so ist, haben sie auch ein Recht auf eine eigene Existenzsicherung. Das muss das langfristige Ziel sein. Das sind beide Lösungsansätze auf Bundesebene, für die Sie sich, Frau Hesse, hoffentlich an den geeigneten Stellen einsetzen werden.
Und noch ein paar Worte zum Schluss. Dass wir Kinderarmut nicht von heute auf morgen bekämpfen können, ist klar. Allerdings ist die Zeit gekommen, die Maßnahmen auf Landesebene noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls umzusteuern. Dass all diese Maßnahmen Geld kosten, ist mir bewusst. Aber unsere Einwohnerinnen und Einwohner sind schon weiter und ziehen sich nicht auf dieses Argument zurück. Wie die repräsentative Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerks Anfang 2014 belegt, wären 66 Prozent der Bundesbürgerinnen und -bürger bereit, mehr Steuern zu bezahlen, wenn sie damit das Problem der Kinderarmut in Deutschland wirksam bekämpfen würden. Alle zeigen ihre Bereitschaft. Lassen Sie uns gemeinsam die Kinderarmut in Mecklenburg-Vorpommern angehen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es gibt in Mecklenburg-Vorpommern zu viele arme Kinder, denn jedes Kind, das in Armut lebt, ist eins zu viel.
Sie erinnern sich vielleicht, zum Thema Kinderarmut habe ich erst am 30. Januar dieses Jahres hier im Landtag gesprochen. Ich wiederhole es auch gern noch mal: Wir benötigen keinen neuen Bericht. Es gibt den Bericht zur Lebenssituation von Haushalten mit Kindern in Mecklenburg-Vorpommern der Prognos AG. Wir haben damit einen guten Überblick zur Einkommenssituation und zum Armutsrisiko, zur Inanspruchnahme sozialer Sicherungsleistungen und zur Selbsteinschätzung der wirtschaftlichen Lebenssituation. Wir haben also die Armut von Kindern und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern erfasst und analysiert, wie DIE LINKE es in ihrem Antrag fordert. Mit dem Bericht liegen der Landesregierung Daten zu vielen Untersuchungsfeldern vor, wie demografische Entwicklung, Wohnverhältnisse von Kindern und Jugendlichen, Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen, Armutsrisiko für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund und so weiter und so weiter.
Sehr geehrte Abgeordnete, sicher stimmen Sie mit mir überein, dass entscheidend ist, wie wir mit konkreten Maßnahmen den Menschen helfen können, damit es ihnen tatsächlich besser geht. Oberstes Ziel der Landesregierung dabei ist immer die Verhinderung von Armut. Fakt ist, Mecklenburg-Vorpommern hat nach wie vor bundesweit das geringste Nettoeinkommen bei den privaten Haushalten. Dass wir bei den Armutsgefährdungsquoten nicht besonders gut aussehen, kann daher nicht überraschen. Das durchschnittliche Nettovermögen der Ostdeutschen war 2012 um mehr als die Hälfte niedriger als das der Westdeutschen.
Sehr geehrte Abgeordnete, Kinderarmut kann vor allem mit bundespolitischen Mitteln bekämpft werden. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung sind viele Dinge vereinbart, die Kinderarmut mittelbar entgegenwirken. Ich nenne gerne Beispiele: Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, ein Entgeltgleichheitsgesetz, mehr Geld für Kitas, Schulen und Hochschulen, die Mietpreisbremse sowie die stärkere Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.
Mecklenburg-Vorpommern setzt aber auch die von Ihnen geforderten eigenen Akzente, um Kinderarmut wirkungsvoll entgegenzutreten. Arme Kinder haben arme Eltern. Deswegen versuchen wir in Kooperation mit der Bundes- agentur für Arbeit,