Protokoll der Sitzung vom 11.04.2014

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kollege Silkeit hat doch in der Tat heute den Renz gemacht. Es hätte nur noch gefehlt, dass Sie sich an die Spitze der Atombewegung gestellt und gesagt hätten,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

vor 40 Jahren war ich schon federführend vorne.

(Thomas Krüger, SPD: Aber, Herr Suhr, das war gut, ne?)

Gut war das, keine Frage.

Es ist ja schon ein bisschen betrüblich – Johann-Georg Jaeger hat auf den Kollegen Habeck orientiert und er hat das zu Recht gemacht –, schon ein bisschen betrüblich, dass diejenigen, die heute Gott sei Dank in Verantwortung sind in den Umweltministerien, beispielsweise in Schleswig Holstein, dass sie sich um die Probleme kümmern müssen, die seinerzeit federführend die CDU mit ihrer Atompolitik gemacht hat. Das, in der Tat, meine Damen und Herren, ist schon betrüblich.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE – Vincent Kokert, CDU: Sie hatten zu Hause das Licht ja immer aus, Herr Suhr.)

Und wer Osterspaziergänge vor Ostern macht, muss sich nicht wundern, wenn er Kuckuckseier findet,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was? Wie? Wie soll ich das denn verstehen?)

aber möglicherweise sind es auch eher die eigenen, die dann irgendwo am Boden liegen.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die CDU ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Osterspaziergänge zu dieser Zeit!)

Aber, sehr geehrte Damen und Herren, das Thema,

(allgemeine Unruhe)

das Thema ist zu ernst, um nur auf die eine oder andere süffisante Bemerkung der Vorredner einzugehen, und

ich will mit der Argumentation, die hier sehr federführend war von denen, die angekündigt haben, diesen Antrag abzulehnen, auch sehr ernsthaft umgehen. Ich glaube, das ist ein ernsthaftes Argument, zu sagen, na ja, wie oft hat dieser Landtag das denn schon hier beschlossen,

(Heinz Müller, SPD: Genau.)

ist das notwendig und ist nicht eigentlich die Landesregierung geradlinig in dieser Frage. Ich sage an dieser Stelle ganz eindeutig als Oppositionspolitiker, die Landesregierung ist – da steht auch kein Zweifel im Antrag, Herr Caffier – klar, geradlinig und eindeutig, und das finde ich gut so. Das haben wir auch in der Vergangenheit immer öffentlich so kommentiert. Aber man muss sich genauso ernsthaft, finde ich, anschauen, in welcher Situation wir uns im Augenblick befinden und ob diese Situation möglicherweise eine andere, eine brisantere ist als die Situation, wie wir sie zu dem Zeitpunkt vorgefunden haben, als dieser Landtag sich auch schon mehrfach eindeutig positioniert hat. Da will ich nur mal ein paar Fakten nennen, von denen ich finde, dass es sich lohnt, sich damit auseinanderzusetzen.

Erstens. Herr Caffier hat darauf hingewiesen, dass Ostern – also sehr, sehr kurzfristig – eine Lösung für die Aufnahme der 21 Sellafield-Castoren vorgestellt werden soll. Da muss man sich mal angucken: Wie kommt denn die zustande? Die kommt zustande, indem Sie eine Zustimmung der dann betroffenen Länder haben. Mir sind bisher nur die Zustimmung aus Schleswig-Holstein und die Zustimmung aus Baden-Württemberg, die aber nicht Sellafield-Castoren betrifft, bekannt.

Dann brauchen Sie zum Zweiten, was die Einlagerung angeht, die Zustimmung der AKW-Betreiber oder Sie müssen sie zwingen.

Und dann stelle ich außerdem fest, dass es bisher, trotz mehrmonatiger Verhandlungen, keine einvernehmliche Lösung gibt. Die von Johann-Georg angesprochenen Bundesländer Hessen und Bayern haben sich nicht bewegt. Bekannt ist auch, dass das Bundesland SchleswigHolstein, welches sich über Robert Habeck, den GRÜNEN-Umweltminister, bewegt hat, überaus problematisch ist vor dem Hintergrund des Rechtsstatus, den wir in Bezug auf Brunsbüttel einfach zur Kenntnis zu nehmen haben. Das ist in der Tat eine neue Situation.

Und jetzt will ich mal zitieren, was vonseiten der Bundesregierung gesagt wird. Anfang März hat dort, ich zitiere, die Pressesprecherin des Bundesumweltministeriums, des Staatssekretärs Jochen Flasbarth, ausgeführt, Zitat: „Ich habe jedenfalls für den Bund erklärt, dass wir keinen Standort ausschließen.“ Keinen Standort ausschließen heißt auch, Lubmin nicht auszuschließen.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau.)

So ist einfach mal die Faktenlage.

Jetzt an dieser Stelle zweifle ich überhaupt nicht, nicht im Ansatz, an dem, was Herr Caffier hier in seiner inhaltlichen Positionierung gesagt hat. Ich zweifle auch nicht im Ansatz an dem, was der Ministerpräsident deutlich erklärt hat. Ich kann aber, entschuldigen Sie das harte Wort, verdammt noch mal nicht verstehen, warum Sie sich

deshalb in so einer Situation einer Zustimmung des Landtages zu Ihrer Haltung erwehren.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Genau.)

Verstehe ich nicht, das will mir sachinhaltlich nicht in den Kopf.

(Beifall Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ja.)

Und deshalb,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist doch Prinzip.)

sehr geehrte Damen und Herren …

(Vincent Kokert, CDU: Es gab doch schon paar Mal Zustimmung des Landtages zur Haltung der Landesregierung! Wir müssen doch nicht jedes Mal den Quatsch, den Sie uns hier vorlegen, erneut abstimmen. Was soll das?!)

Lieber Kollege Vincent Kokert, ich habe doch gerade die Situation erläutert, in der wir offensichtlich gemein- sam stehen, und ich erwarte auch von den Regierungsfraktionen,

(Vincent Kokert, CDU: Sie wollen auch mal einen abgestimmten Antrag haben, ist schon klar.)

dass sie an der Stelle mal über ihren Schatten springen in dieser Situation, die neu für uns ist,

(Vincent Kokert, CDU: Wir springen aber nicht über jedes Stöckchen, das Sie uns hinhalten!)

weil Gorleben entstanden ist – auch mit unser aller Zustimmung – und hier hineinfließt und wir einfach einen Standort brauchen, der abweicht von dem, was wir in der Vergangenheit hatten, nämlich dass die Castoren von den AKWs zurückgenommen werden, in denen sie produziert worden sind. Und dazu bedarf es auch der Genehmigungsverfahren, auch das ist eine neue Situation.

Insofern, sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, es würde uns allen guttun – springen Sie über Ihren Schatten! –, wenn der Landtag sich hier noch mal eindeutig positionieren würde in dieser neuen Situation und der Landesregierung eine deutliche Rückendeckung geben würde. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. André Brie, DIE LINKE)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/2836. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/2836 mit den Stimmen von SPD und CDU abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und NPD.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 31: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Patientenrechte bei elektronischer Gesundheitskarte gewährleisten, Drucksache 6/2827.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Patientenrechte bei elektronischer Gesundheitskarte gewährleisten – Drucksache 6/2827 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Stramm von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Der Mensch wird zum Datensatz. „Wenn es ein Phänomen wie das absolute Böse überhaupt gibt, dann besteht es darin, einen Menschen wie ein Ding zu behandeln“, schrieb John Brunner in seinem prophetischen Werk „Der Schockwellenreiter“. Das war 1975, fünf Jahre später war „Rasterfahndung“ das Wort des Jahres. Nun geht es um die elektronische Gesundheitskarte.

Warum das ganze Theater mit der elektronischen Gesundheitskarte? Die offizielle Variante: Das Foto soll Kartenmissbrauch vorbeugen, später sollen Notfalldaten auf der Karte Leben retten und eine elektronische Gesundheitsakte soll die Medizin revolutionieren. Tatsächlich könnte es aber um etwas ganz anderes gehen. Die Gier nach den Medizindaten der Bürger ist immens.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch jetzt schon so.)

Die privaten Klinikkonzerne scharren schon mit den Füßen. Sie könnten mit den Medizindaten ihre Profite weiter kräftig steigern, denn nur mit vielen teuren Behandlungen sprudeln die Renditen. Es besteht die Gefahr, dass der Weg direkt in die Überwachungsmedizin geebnet wird, denn die elektronische Krankenakte soll zentral in einem Rechenzentrum gespeichert werden. Zentral gespeicherte Daten sind jedoch keineswegs sicher, da es keine hundertprozentige Sicherheit für die Datenaufbewahrung gibt.

Die Erfahrung gerade auch in jüngster Zeit zeigt, dass mit dem Entstehen von Datensammlungen immer auch neue Begehrlichkeiten auf die Nutzung dieser Daten entstehen. Gefahr droht nicht nur von nicht autorisierten Nutzern, wie den Arbeitgebern, öffentlichen Dienststellen oder privaten Versicherungen, sie droht auch durch die berechtigten legalen Nutzer wie die gesetzlichen Krankenkassen. Für sie werden die Versicherten und die medizinischen Leistungsanbieter in ihrem Verhalten faktisch durchsichtig. Mit dem vorgesehenen elektronischen Rezept können Patienten beispielsweise in Risikogruppen eingeteilt werden. Eine Benachteiligung, die den Patienten ein Leben lang anhaftet und sie benachteiligt, ist nicht ausgeschlossen. Die Patienten könnten sich nicht dagegen wehren.

Mit der später vorgesehenen Ausdehnung der Anwendungsmöglichkeiten, wie etwa die Datenspeicherung von Laborbefunden, Diagnosen und Patientenakten, entstehen nicht nur riesige Datensammlungen über Patienten. Die Kassen könnten dann auch noch stärker auf die medizinischen Leistungserbringer einwirken. Die elektronische Gesundheitskarte soll schließlich Kosten sparen. Obwohl gebetsmühlenartig beteuert wird, die Daten seien