Protokoll der Sitzung vom 11.04.2014

Mit der später vorgesehenen Ausdehnung der Anwendungsmöglichkeiten, wie etwa die Datenspeicherung von Laborbefunden, Diagnosen und Patientenakten, entstehen nicht nur riesige Datensammlungen über Patienten. Die Kassen könnten dann auch noch stärker auf die medizinischen Leistungserbringer einwirken. Die elektronische Gesundheitskarte soll schließlich Kosten sparen. Obwohl gebetsmühlenartig beteuert wird, die Daten seien

verschlüsselt und daher absolut sicher, sind Zweifel an der Datensicherheit nicht ausgeschlossen. Daher ist ein Umdenken erforderlich.

Der Landtag sollte deshalb die Landesregierung auffordern, sich noch 2014 im Bundesrat für die Gewährleistung der Grundrechte auf informelle Selbstbestimmung und Vertraulichkeit bei der elektronischen Gesundheitskarte einzusetzen. Stimmen Sie unserem Antrag zu! – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Hesse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich kann die im vorliegenden Antrag formulierten Befürchtungen ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Auch mir sind die Patientenrechte wichtig, doch im Gegensatz zu der Fraktion DIE LINKE bin ich überzeugt, dass die elektronische Gesundheitskarte diese Rechte sogar stärkt.

Kaum eine Gesundheitsministerkonferenz kam in der Vergangenheit ohne dieses Thema aus und wir sind froh, das möchte ich auch noch mal ganz deutlich betonen, dass die elektronische Gesundheitskarte nun endlich nach und nach eingeführt wird.

Viele von uns haben sie schon in ihrem Portemonnaie, doch was bringt sie? Sie verbessert die Qualität der medizinischen Versorgung, weil der Arzt oder die Ärztin einen sicheren und schnellen Zugang zu allen notwendigen Informationen über den Patienten erhalten kann, sofern der Patient dies wünscht. Befunde können schnell und sicher von Arzt zu Arzt übermittelt und müssen nicht mehr per Post versandt werden. Die gespeicherten Notfalldaten, also Angaben der Vorerkrankungen und Allergien, könnten lebensrettend sein. Der Versicherte kann auf der Karte auch seine Bereitschaft zur Organspende dokumentieren. Die Rückseite kann als Europäische Krankenversicherungskarte genutzt werden, was wiederum bürokratische Hürden abbaut. Ungültige, gestohlene oder verlorene Karten können besser als bisher identifiziert werden. Missbrauchsmöglichkeiten werden so eingedämmt.

Nach Aussage des Bundesbeauftragten für den Datenschutz wird die elektronische Gesundheitskarte sogar zu einer Verbesserung des Datenschutzes in den Arztpraxen führen, denn bei der elektronischen Gesundheitskarte steht das uneingeschränkte Selbstbestimmungsrecht des Versicherten im Mittelpunkt. Die Versicherten können darüber entscheiden, welche ihrer Gesundheitsdaten aufgenommen und welche gelöscht werden. Sie können auch entscheiden, ob und welche Daten sie einem Leistungserbringer zugänglich machen. Ferner haben sie das Recht, die über sie gespeicherten Daten zu lesen und die Löschung der freiwillig erhobenen Daten zu verlangen.

Für die Übermittlung der sensiblen Gesundheitsdaten wird ein sicheres Gesundheitsnetz geschaffen. Die Daten

werden dort verschlüsselt eingespeist und können nur dann wieder entschlüsselt werden, wenn der Heilberufsausweis des behandelnden Arztes sowie die Gesundheitskarte des Patienten gleichzeitig in das Kartenlesegerät gesteckt werden. Der Patient muss darüber hinaus der Entschlüsselung seiner Daten durch Eingabe seiner PIN zustimmen. Ausgenommen von dieser Regelung sind die Notfalldaten.

Die einzige Anwendung, die gesetzlich vorgeschrieben ist, ist das elektronische Rezept, alle anderen Anwendungen und somit auch alle medizinischen Daten dürfen nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Versicherten auf freiwilliger Basis gespeichert werden.

Die datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte sind ausreichend geregelt, insbesondere im Bundesdatenschutzgesetz. Sollte es Missbrauchsfälle geben oder sollten andere Probleme auftauchen, hat jeder Versicherte die Möglichkeit, sich mit Fragen und Beschwerden an die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder zu wenden. Ich sehe aus den vorgetragenen Gründen daher überhaupt keine Veranlassung, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD und Marc Reinhardt, CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Schubert von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was für ein spekulativer Antrag der LINKEN! Sie arbeiten mit Unterstellungen weitreichender Art, dass einem Hören und Sehen vergehen kann. Jede komplexe Datensammlung birgt nach Ihrer Auffassung Gefahr von Missbrauch,

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ja, genau. Das merken wir gerade, wenn es um NSA geht, dass wir da wirklich völlig vertrauen können. – Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

also auch die elektronische Gesundheitskarte. Auch die testweise Nutzung weckt bereits Begehrlichkeiten, Missbrauch strömt aus allen Ecken. Ein ganzes gesellschaftliches System voller Misstrauen und Begehrlichkeiten, ja, so ist Ihr Weltbild, meine Damen und Herren von den LINKEN.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Und nicht unberechtigt, Herr Schubert, wie wir ja alle wissen.)

Nicht unberechtigt? Ich denke, die Ministerin hat ausführlich berichtet. Es gibt Pflichtanwendungen und es gibt freiwillige Anwendungen. Und die meisten Anwendungen sind freiwillig, sodass jeder Patient entscheiden kann, was soll an Daten auf diese Karte. Einen besseren Datenschutz gibt es überhaupt nicht. Dann gibt es die PINNummer, so wie bei der Bankkarte, sodass man auch vor einem Zugriff sicher ist. Diese PIN-Nummer muss der Patient auch freigeben, sodass der Arzt dort Eintragungen vornehmen kann. Also ich weiß nicht, und das hat die Ministerin, glaube ich, sehr ausführlich dargestellt, was da für Datenschutzverfehlungen vorliegen. Auch das hat sie noch mal gesagt, dass die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder von Anfang an – bereits

seit den 90er-Jahren – da mit eingebunden waren. Insofern sehe ich keine Möglichkeit, Ihrem Antrag zuzustimmen. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Gajek, Vizepräsidentin des Landtages. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Frau Hesse hat vieles gesagt,

(Heinz Müller, SPD: Genau.)

Frau Stramm hat vieles gesagt und auch Herr Schubert.

(Marc Reinhardt, CDU: Na, der hat nicht so viel gesagt.)

Ich denke, es gibt viele Punkte. Ein Punkt, der uns immer wieder umtreibt, ist natürlich die Frage des Datenschutzes. Wir wissen, dass nicht mal die Handys gesichert sind, also stellt sich schon die Frage: Wie weit ist dann eine elektronische Gesundheitskarte geschützt?

Aber ich möchte auf zwei Punkte aufmerksam machen. Der erste Punkt ist, es gibt nämlich mündige Patientinnen und Patienten, zumindest sollte es sie geben.

(Heinz Müller, SPD: Aha!)

Ich denke, das, was in dem Zusammenhang nicht vergessen werden darf und sollte, ist die Aufklärung, was kann ich freiwillig machen, welche Daten möchte ich reinstellen, welche nicht. Ich denke, das ist eine Auseinandersetzung, die hier im Land geführt wird, die auch im Bund geführt wird und die wichtig ist, weil Patientenrechte dürfen nicht nur eine Worthülse sein, sondern müssen perspektivisch, gerade im Zuge des demografischen Wandels, eingehalten werden.

Ich möchte aber auch für einige positive Punkte sprechen. Ich denke, da gibt es auch keinen Widerspruch. Vielleicht habe ich, wenn ich jünger bin, gesund bin, nicht das Bedürfnis, dass bestimmte Daten auf meiner Gesundheitskarte sind. Wenn ich aber krank werde, eine chronische Erkrankung habe, wo es möglicherweise Nebenwirkungen gibt durch Medikamente, oder ich meine, ich müsste einen anderen Arzt mal fragen, sag mal, ist das, was ich zu mir nehme, eigentlich das, was ich brauche, dann, denke ich, kann so eine Karte auch nützlich sein, insbesondere wenn man durch das Land fährt oder einen Facharzt in einer anderen Stadt aufsuchen muss. Ich denke, diese Chance sollte genutzt werden.

Frau Stramm, auch ich sehe die Ökonomisierung unseres Gesundheitswesens, auch ich kritisiere das immer und insbesondere die Kommerzialisierung, aber – und da ist der Bürger gefragt und die Bürgerin – wir müssen laut sein und wir als Bürgerinnen und Bürger, als Patientinnen oder Patienten dürfen uns auch nicht alles auftischen lassen. Ich denke, daran müssen wir arbeiten. Da ist diese Gesundheitskarte ein kleines My in dem ganzen Kontext.

Aber wir Bündnisgrüne stehen immer wieder für Datenschutz, für Bürgerrechte. Wir werden Ihren Antrag unter

stützen, obwohl ich natürlich weiß, dass dieser heute hier abgelehnt wird. Aber ich denke, diese Diskussion muss weitergeführt werden. Patientenrechte/Patientenpflichten, da muss einiges mehr getan werden als mit der elektronischen Gesundheitskarte. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Wippermann von der Fraktion der SPD.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Susann Wippermann‚ SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich bin jetzt etwas verwirrt, Frau Gajek spricht erst dagegen und dann sagt sie, sie stimmt trotzdem zu. Also, na ja.

Wir freuen uns jedenfalls zusammen mit der Sozialministerin darüber, dass die elektronische Gesundheitskarte nun endlich eingeführt wird. Die meisten von uns haben sie in der Tasche.

Was wir feststellen, ist, dass erst mal ein Foto drauf ist. Was die meisten aber von uns vielleicht gar nicht wissen, ist, dass auch ein Mikroprozessor drauf ist. Der Mikroprozessor hat natürlich die Aufgabe, Daten zu speichern. Letztendlich sollen diese Daten auch verarbeitet werden. Hier beginnt nun die Angst der LINKEN, die ein Schreckgespenst an die Wand malen, also meines Erachtens, das ich so nicht nachvollziehen kann, denn aus datenschutzrechtlicher Sicht wurde alles dafür getan, der Datenschutzbeauftragte hat sein Okay gegeben, der Landesdatenschutzbeauftragte hat sich mir gegenüber auch dahin gehend geäußert, dass das alles in Ordnung ist und die Daten sicher sind.

(Heinz Müller, SPD: Na also! Was solls dann?)

Eben.

Die Datenübertragung selbst entspricht den neuesten Erfordernissen und Standards sicherer IT-Technik und des Datenschutzes, die durch gesetzliche Vorschriften und technische Maßnahmen sichergestellt wurden und werden. Eigens zu diesem Zweck, nämlich für den sicheren Austausch sensibler medizinischer Daten, wird ein sicheres, vom Internet getrenntes elektronisches Gesundheitsnetz, das sogenannte Telematikinfrastrukturnetz, geschaffen.

(Karen Stramm, DIE LINKE: Das ist schon geschaffen.)

Zugriff zu diesem Netz haben ausschließlich bekannte und berechtigte Nutzer, die ihre Identität elektronisch nachweisen müssen. Dies sind einerseits die Versicherten selbst, die sich mit elektronischer Gesundheitskarte und PIN ausweisen, und andererseits berechtigte Leistungserbringer, also Ärzte und Zahnärzte, die sich ebenfalls mit einem elektronischen Heilberufsnachweis und einer PIN als zugriffsberechtigt autorisieren und legitimieren müssen. Dritte, wie zum Beispiel Arbeitgeber oder

Versicherungen, haben somit keine Zugriffsmöglichkeit auf die medizinischen Daten.

Durch den Einsatz der sicheren Telematikinfrastruktur verbunden mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung der Daten während der Datenübertragung und mit dem Zweischlüsselprinzip – das wurde hier auch schon erwähnt, das ist diese Geschichte mit dem PIN während des Einlesens der Daten – kann im Ergebnis festgestellt werden, dass wir uns mit dem System der elektronischen Gesundheitskarte datenschutzrechtlich auf der sicheren Seite befinden und nach meiner Meinung auch einen ausgesprochen hohen Standard von sicherer IT-Technik erreichen.

Die medizinischen Daten der Versicherten werden wirksam vor unberechtigten Zugriffen geschützt. Alle Maßnahmen zum Datenschutz wurden, wie ich bereits sagte, mithilfe des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit abgestimmt, entwickelt und werden auch weiterhin an neueste Standards angepasst.

(Heinz Müller, SPD: Na da können wir doch zufrieden sein.)