Protokoll der Sitzung vom 15.05.2014

Nein. Es geht darum, dass es einzelne Unternehmen gibt, die sich auf diese Art und Weise auch unzulässigerweise einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, weil Arbeitsschutz Geld kostet.

(Bernd Schubert, CDU: Woher wissen Sie denn das?)

Ich hoffe, wir sind uns einig darin, dass der seit drei Jahren entgegen des Bundestrends zu beobachtende Anstieg tödlicher Arbeitsunfälle in Mecklenburg-Vorpom- mern auf 14 Tote im vergangenen Jahr nicht nur eine traurige, sondern tatsächlich eine bedenkliche Entwicklung darstellt.

Unsere zweite Forderung betrifft das betriebliche Wiedereingliederungsmanagement. Der Landtag hatte 2010 einen Leitfaden zum Aufbau eines präventiven und wirksamen Gesundheitsmanagements in der Landesverwaltung beschlossen. Ein Bestandteil des Gesundheitsmanagements ist das betriebliche Eingliederungsmanagement.

Ich weiß aus Gesprächen mit Vertretern der zuständigen Einzelgewerkschaft, dass es dazu Dienstvereinbarungen gibt, zum Beispiel bei der Landesforstanstalt. Interessant für uns ist aber, ob das Ziel, ein professionelles Gesundheitsmanagement flächendeckend in der Landesverwaltung an den Start zu bringen, nach nunmehr fast vier Jahren erreicht wurde, was auf dem Weg dorthin vereinbart wurde und vor allem, mit welchem Erfolg die Regelungen Anwendung finden.

Und da sage ich Ihnen: Erste Gespräche in Landesbehörden ergeben ein durchwachsenes Bild. Und wenn der deutsche Beamtenbund in seiner Güstrower Erklärung vom 6. März 2014 explizit auch noch einmal fordert, endlich ein tief greifendes Gesundheitsmanagement für die Ministerien und Landesbehörden zu etablieren, dann scheint es ja tatsächlich noch Handlungsbedarf zu geben. Damit wir das auch seriös miteinander diskutieren können, brauchen wir einen aktuellen Sachstandsbericht.

Mit dem dritten Anstrich fordern wir Sie, Frau Ministerin, auf, in einen Dialog mit den gesetzlichen Krankenkassen einzutreten und die Frage aufzuwerfen, wie es gelingen kann, die betriebliche Gesundheitsfürsorge auch auf Klein- und Kleinstunternehmen auszudehnen,

(Zuruf von Burkhard Lenz, CDU)

denn die Ausgaben für die betriebliche Gesundheitsförderung sind zwischen 2000 und 2012 bundesweit zwar von 14,88 Millionen Euro auf 46,12 Millionen Euro im Jahr angestiegen, die Zahl der in Maßnahmen einbezogenen Betriebe ist gleichzeitig jedoch gesunken.

Der Dienstleistungsbereich, nicht unwichtig in diesem Land, ist mit 16 Prozent aller Maßnahmen völlig unterrepräsentiert und es dominieren altbekannte verhaltenspräventive Maßnahmen wie Rückenschule oder Stressbewältigungsseminare, während verhältnispräventive Maßnahmen, die auf bessere Arbeitsbedingungen zielen, unterbleiben. Ganz einfach kann man sagen, dass sich die Maßnahmen der gesetzlichen Krankenkassen nach Paragraf 20a und b SGB V zur Prävention und Vermeidung arbeitsbedingter Gesundheitsverfahren auf große Produktionsbetriebe konzentrieren. Ich hatte Ihnen gesagt, wie sich das betriebsgrößentechnisch hier im Land darstellt.

Generell gilt, eine gute betriebliche Gesundheitsfürsorge rechnet sich auch für die Unternehmen. Experten sagen, 1 Euro, den man investiert, bringt 2 Euro zurück. Und selbst, wenn das nicht eins zu eins nachzuweisen ist, ein störungsfreies Arbeiten und ein gutes Betriebsklima tragen immer dazu bei, dass nicht nur effizienter, sondern auch mit weniger Arbeitsausfall gearbeitet wird.

Allzu oft erschöpfen sich aber die Vorstellungen der Arbeitgeber von präventiven Gesundheitsmaßnahmen darin, dass ein wenig Obst in den Bistros, eine Massage am Arbeitsplatz, ein wenig auf dem grünen Ball herumhopsen oder die jährliche Grippeschutzimpfung ausreichen würden. Tendenziell wird eher an das Verhalten der Beschäftigten appelliert: Treib Sport! Iss gesund! Stell deinen Stuhl richtig ein! Und so weiter. Die tatsächlichen Verhältnisse im Betrieb, also das Vorhandensein von Entscheidungsspielräumen, die Arbeitsorganisation, die Arbeitszeiten oder auch der wertschätzende Umgang von Führungskräften und Mitarbeitern treten dabei oft in den Hintergrund.

Eine Möglichkeit, Arbeitsplätze zu beurteilen, bietet die Gefährdungsbeurteilung. Das BAG hat schon im Jahr 2008 klargestellt, dass durch selbige nicht primär unmittelbare Gesundheitsgefahren verhütet, sondern bereits im Vorfeld Gefahren ermittelt werden sollen. Und diesen Gefahren soll dann durch Maßnahmen wirksam begegnet werden, wobei die Bandbreite groß ist. Sie reicht von Fragen der Ergonomie, der Beleuchtung, über Lärm- und Schallschutz bis hin zum Umgang mit Gefahrstoffen oder psychischen Belastungen. Und trotzdem muss man sagen, dieses Instrument wird viel zu wenig genutzt und besonders schwer tun sich Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten.

Im Jahr 2012 gaben laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin nur ganze 38 Prozent an, überhaupt damit zu arbeiten, und wir wissen, in kleineren Unternehmen existieren zudem häufig keine Arbeitnehmervertretungen, die ihrerseits auf die Einhaltung von Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz drängen und mitbestimmen könnten.

(Regine Lück, DIE LINKE: Leider.)

Deshalb bin ich durchaus der Meinung, dass den Unternehmen auch Hilfe zuteil werden sollte. Und hier greift

unsere vierte Forderung: Wir halten es für notwendig, dass ein neues Arbeitsmarktprogramm auch einen Baustein zur Förderung des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes enthält, zum Beispiel durch unterstützende Beratungsangebote oder Freistellungsüberprüfungs- und Investitionsbeihilfen.

Letzte Forderung vielleicht noch: In die Betriebe, die bei Kontrollen auffällig geworden sind, sollten wir nicht auch noch Arbeitslose vermitteln. Weitere Details nachher in der Debatte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat zunächst die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Hesse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich stimme der Fraktion DIE LINKE zu: Gute Arbeit bedeutet mehr als eine faire Entlohnung, gute Arbeit bedeutet auch Arbeits- und Gesundheitsschutz. Das haben auch die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer erkannt. Schon in ihrem eigenen Interesse gilt, die Sicherung von Qualitätsstandards geht mit der Sicherung von Fachkräften einher. Soweit gesetzliche Pflichten zu erfüllen sind, kontrollieren dies die staatlichen Arbeitsschutzbehörden. Bei der Prävention von arbeitsbedingten Erkrankungen und Berufskrankheiten sind aber vor allem Sozialversicherungsträger wie Krankenkassen und Berufsgenossenschaften gefragt.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Au!)

Hier besteht schon eine gute Zusammenarbeit, auf deren Verbesserung in einzelnen Punkten wir aber auch hinwirken.

Mit dem im Jahr 2010 erarbeiteten Leitfaden für ein betriebliches Gesundheitsmanagement ist für die Dienststellen der Landesregion ein Anstoß gegeben worden, Arbeitsschutz und betriebliche Gesundheitsförderung in Richtung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements weiterzuentwickeln. Die Kernpunkte sind ganz überwiegend in den Ressorts umgesetzt. Die Häuser haben zu diesem Zweck Steuerungsgruppen oder einzelne Beauftragte bestellt. Um mit den immer knapperen Personalressourcen die Aufgaben des Arbeitsschutzes auch künftig nachhaltig erfüllen zu können, wurde die Organisationsstruktur der Abteilung im LAGuS angepasst und mit der Einführung eines risikobasierten Aufsichtskonzeptes begonnen. Der Prozess der Umsetzung wird durch mein Ministerium stetig begleitet.

Generell lässt sich sagen, dass die Beanstandungsquote bei Betriebskontrollen über die Jahre eine eher sinkende Tendenz aufweist.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Trotzdem sind es immer noch Dreiviertel.)

Die besondere Situation der Klein- und Kleinstbetriebe hier in Mecklenburg-Vorpommern hat die Landesregie

rung erkannt und gemeinsam mit Akteuren aus dem Bündnis für Arbeit darauf reagiert. So wurde, wie von Herrn Foerster auch gefordert, mit Mitteln des ESF im vergangenen Jahr ein Aktionsprogramm zur Stärkung der betrieblichen Gesundheitsförderung aufgelegt,

(Henning Foerster, DIE LINKE: Und was wird da draus? Und was machen wir bis 2020? – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das schon einige Erfolge verzeichnen kann, zum Beispiel das Netzwerk Arbeit und Gesundheit, bei dem sich Sozialversicherungsträger aller in M-V vertretenen Krankenkassen und Sozialpartner bei den Unternehmen für die Etablierung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements einsetzen. Flankiert wird das proaktive Vorgehen der beiden Netzwerkmitarbeiterinnen in den Unternehmen durch ebenfalls mit ESF-Mitteln geförderte Weiterbildungsmaßnahmen.

Auch das Operationelle Programm für den ESF in der Förderperiode 2014 bis 2020 enthält an mehreren Stellen Formulierungen, die es ermöglichen, gesundheitsfördernde Maßnahmen finanziell zu unterstützen.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Machen wir es oder machen wir es nicht?)

So sollen zum Beispiel Integrationsprojekte und Klein- projekte gesundheitsfördernde Maßnahmen zum Gegenstand haben. Die konkrete Umsetzung wird über Richtlinien erfolgen, die derzeit in Erarbeitung durch die Fachreferate sind. Insofern – ja, wir machen es!

Zu dem Wunsch der Linksfraktion im Rahmen von Konsultationen mit der Bundesagentur für Arbeit darauf zu bestehen, dass bei schweren Verstößen gegen gesetzliche Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz keine Vermittlung von Erwerbslosen stattfinden soll, kann ich nur auf die Rechtslage verweisen. So gestattet das Arbeitsschutzgesetz nur in klar umgrenzten Fällen die Weitergabe von bestimmten Daten an andere Behörden. Die von den LINKEN beschriebene Situation lässt sich darunter nicht einordnen. Gleichwohl handeln die Vertreter der Bundesagentur, wenn sie aus anderen Quellen auch Hinweise auf Verstöße gegen Gesetze oder die guten Sitten haben.

Zu Ihrer letzten Forderung, dem Wunsch nach einer Antistressverordnung, ist bereits, Sie sagten es, im Oktober 2012 an dieser Stelle beraten worden. Damals war eine solche Verordnung im Rahmen der 89. Arbeits- und Sozialministerkonferenz thematisiert worden.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Und gibt es sie jetzt inzwischen?)

Ziel war es, die notwendigen Rechtsgrundlagen für eine angemessene Überwachung und Beratung der Betriebe zur arbeitsbedingten psychischen Belastung zu schaffen.

Zwischenzeitlich wurde im Oktober 2013 im Arbeitsschutzgesetz klargestellt, dass Gesundheit bei der Arbeit auch immer die seelische Gesundheit mit umfasst.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das ist aber was anderes als eine Antistressverordnung.)

Es stehen auch jetzt schon auf Fachebene praktische Handreichungen des Länderausschusses für Arbeitsschutz und technische Sicherheit ausreichend zur Verfügung: das Konzept zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und zur möglichen Prävention, die Handlungsanleitung für die Arbeitsschutzverwaltung der Länder zur Ermittlung psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz und zu Möglichkeiten der Prävention sowie die Integration psychischer Belastungen in die Beratungs- und Überwachungspraxis der Arbeitsschutzbehörden der Länder.

Darüber hinaus wird Ende 2014, Anfang 2015 das Programm „Psyche“ im Rahmen der gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie anlaufen. Hierbei werden bundesweit von den Unfallversicherungsträgern und den staatlichen Arbeitsschutzbehörden Beratungen und Kontrollen zum Thema „Psychische Belastungen am Arbeitsplatz“ als Schwerpunktaufgabe über mehrere Jahre durchgeführt und die Ergebnisse im Anschluss evaluiert.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Ja, aber Sie können es nicht sanktionieren, das Fehlverhalten.)

Beim Umsetzen der Handlungshilfen hier in Mecklenburg-Vorpommern wird das Arbeitsschutzpersonal durch eine Arbeitspsychologin im Landesamt für Gesundheit und Soziales geschult und begleitet.

Sie sehen, wir nutzen schon jetzt unsere Handlungsmöglichkeiten und wir werden weiterhin den Erlass einer Verordnung zum Schutz der seelischen Gesundheit am Arbeitsplatz auch unterstützen. Mir ist aber in diesem Zusammenhang wichtig, dass das Thema „Psychische Belastung am Arbeitsplatz“ gesamtgesellschaftlich diskutiert wird.

(Henning Foerster, DIE LINKE: Das wird es längst.)

Wir sollten zum Beispiel aufhören, uns nach wie vor darüber zu definieren, wer am längsten im Büro bleibt. Wichtig ist, dass jeder Mensch einen Ausgleich zu seiner Arbeit hat – Stichwort: Balance der Lebensbereiche.

(Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich wünsche auch jedem den Mut zu sagen, ich nehme mir Zeit für Familie und ich nehme mir auch Zeit für mich.

Ich danke der Fraktion DIE LINKE daher dafür, dass sie dieses wichtige Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat, und hoffe, gezeigt zu haben, dass auch die Landesregierung Beschäftigte besser schützen will. Dass das Thema „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ auch bei mir ein persönliches Anliegen ist und insbesondere in meinem Haus gelebt wird, wird bewiesen, indem das Sozialministerium unlängst erfolgreich an dem Schweriner Nachtlauf teilgenommen hat. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)