Protokoll der Sitzung vom 16.12.2011

Antrag der Fraktion DIE LINKE Landesplanungsgesetz ändern – Drucksache 6/162 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE Frau Lück.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auf Antrag fordern wir die Landesregierung auf, das Landesplanungsgesetz zu ändern oder neu zu fassen. Ein Gesetzentwurf soll bis Mitte des kommenden Jahres das Parlament erreichen.

Landesplanungsgesetz und Bundesraumordnungsgesetz sind die rechtlichen Grundlagen für die Fortschreibung oder Neuaufstellung von Raumentwicklungsplänen der Landes- und auch der Regionalebene. Das Landesraumentwicklungsprogramm von 2005, kurz LEP 2005 genannt, soll in dieser Legislaturperiode land- und seeseitig fortgeschrieben werden. Erstmalig soll eine unterirdische Raumordnung erfolgen und die gerade erst in Kraft gesetzten regionalen Raumentwicklungsprogramme sollen teilfortgeschrieben werden.

Das geltende Landesplanungsgesetz ist mehrfach durch Landesgesetze geändert worden. Was aber fehlt, ist eine Überarbeitung aufgrund des Bundesraumordnungsgesetzes von 2008, zuletzt geändert im Juli 2009. Das Raumordnungsgesetz ersetzt das Landesplanungsgesetz in Großteilen. Was im Raumordnungsgesetz geregelt ist, setzt entsprechende Rechtsregelungen im Landesplanungsgesetz außer Kraft. Damit ist schon wegen der Rechtsklarheit eine Gesamtfortschreibung oder auch eine Novellierung überfällig. Ändern oder neu fassen sollten wir sinnvollerweise, bevor die Verfahren zur Fortschreibung des LEP 2005 oder zur Teilfortschreibung der Regionalen Raumentwicklungsprogramme eingeleitet werden.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Gegenwärtig fassen mehrere Bundesländer ihre Landesplanungsgesetze an. Das möchte ich hier mal festhalten, weil wir im Vorfeld auch die Diskussionen dazu hatten. In Bayern und in Baden-Württemberg liegen vom Ministerrat beschlossene Gesetzentwürfe vor. Die Verbändeanhörung ist abgeschlossen beziehungsweise läuft noch. In Thüringen liegt seit Kurzem ein Referentenentwurf vor.

Die Herangehensweisen sind sehr unterschiedlich. In Bayern soll das Raumordnungsgesetz durch ein Vollgesetz abgelöst werden, davon ausgenommen sind nur die Festlegungen für den Gesamtstaat im Bundesraumordnungsgesetz. In Thüringen sollen abweichende oder ergänzende Regelungen neben dem Raumordnungsgesetz getroffen werden. In Baden-Württemberg spricht man bei der Novellierung des Landesplanungsgesetzes von einer Windnovelle. Dem Gesetzentwurf voran gingen Eckpunkte für eine windkraftfreundliche Novelle des Landesplanungsgesetzes.

Und so unterschiedlich wie das Herangehen sind auch die Inhalte der Gesetzentwürfe. So sollen in Bayern die fachlichen Inhalte des LEP und der Regionalpläne abschließend auf die Bereiche Siedlungsstruktur, Verkehr, Wirtschaft, Energieversorgung und Freiraumsicherung begrenzt werden. Andere Fachbereiche, wie Soziales, Bildung oder Kultur, sollen künftig entfallen. Man höre! Die inhaltlichen Beschränkungen stoßen natürlich bei den Regionalen Planungsverbänden auf Widerstand. Ich würde auch dagegen Sturm laufen und meine Fraktion garantiert auch.

Positiv hebt sich in Bayern die Stellung des Parlaments ab. So werden die im LEP enthaltenen Festlegungen von der Regierung mit Zustimmung des Landtages als Rechtsverordnung beschlossen. Alle fünf Jahre ist der Landtag über den Stand der Raumordnung im Freistaat Bayern, über die Verwirklichung des Landesentwicklungsplanes und über neue Planungsvorhaben von allgemeiner Bedeutung zu unterrichten.

In der Thüringer Novelle besteht die Abweichung gegenüber dem Raumordnungsgesetz darin, dass die Frist für

die erstmalige Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung zwei Monate beträgt. Was das bedeutet, wissen Sie. Damit wird die bestehende Regelung in Thüringen beibehalten, während das Raumordnungsgesetz nur eine einmonatige Beteiligungsfrist vorschreibt. Thüringen formuliert Grund- sätze der Raumordnung, die ergänzend zu den für das gesamte Bundesland geltenden Grundgesetzen gelten sollen. In Thüringen soll wie bisher der Landtag zum LEP Stellung nehmen können. Aber schließlich beschließt die Landesregierung das LEP allein als Rechtsverordnung.

Für Baden-Württemberg liegt hier der Gesetzentwurf selbst nicht vor, allerdings üben die Regionalverbände harte Kritik am Kabinettsbeschluss zum Gesetzentwurf. Mit der Windnovelle soll die Windkraftplanung vereinfacht und flexibilisiert werden. Dazu sollen per Gesetz die bestehenden Windregionalpläne aufgehoben werden. Ich betone: Der grüne Ministerpräsident, der „Stuttgart 21“ nicht will und deshalb demokratisch das Volk befragt, ignoriert bei der von ihm gewollten Windkraft den Planungs- und Gestaltungswillen der dafür zuständigen und direkt gewählten Regionalversammlungen.

Als Satzung beschlossene Regionalpläne gesetzlich aufzuheben, das halten wir nicht für demokratisch. Zudem soll es künftig nur noch Vorranggebiete geben, keine Ausschlussgebiete mehr. Damit können auch außerhalb dieser Vorranggebiete Kommunen Windparks über Bauleitpläne planen und Investoren die Privilegierung von Windkraftanlagen im Außenbereich nutzen. Das hat nach meiner Auffassung nichts mehr mit Raumordnung zu tun. Das muss ich mal klipp und klar hier sagen. Positiv hingegen ist, eine Beteiligungs- und Akzeptanzkampagne durchführen zu wollen.

Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, meine umfangreichen Vorbemerkungen verdeutlichen, wie wichtig das Landesplanungsgesetz ist. Schon im Gesetz werden die Weichen gestellt für die Raumentwicklungsprogramme.

Und nun zum Antrag:

Punkt 1 soll bezwecken, dass das Land von dem zugestandenen Abweichungs- und Ergänzungsrecht Gebrauch macht.

Mit den anderen Punkten unterbreitet meine Fraktion Vorschläge, wie wir dieses Recht in Anspruch nehmen können. Sollten Sie diese Vorschläge nicht mittragen können, können wir das im Fachausschuss für Landesentwicklung und sozusagen im Energieausschuss klären. Landes- und Regionalentwicklung dürfen nicht Spielball politischer Befindlichkeiten sein.

Im Raumordnungsgesetz heißt es, ich zitiere: „Leitvorstellung der Raumordnung … ist eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führt.“ Zitatende.

Es geht um die Menschen und die dauerhafte Zukunft des Landes. Deshalb erwarte ich zumindest eine Überweisung, aber keine Ablehnung unseres Antrages.

Kolleginnen und Kollegen, die Zukunft des Landes kann nur gemeinsam mit den Einwohnerinnen und Einwohnern und den demokratisch gewählten Volksvertretun

gen gestaltet werden. Deshalb will meine Fraktion mehr direkte demokratische Mitwirkung.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Bei den Verfahren der regionalen Raumentwicklungsprogramme beschwerten sich Bürgerinnen und Bürger, dass sie die Auslegungsfrist verpassten oder ihre Stellungnahmen zu spät kamen, um berücksichtigt zu werden. Ein Monat oder gar nur zwei Wochen sind zu kurz angesichts unserer Siedlungs- und Verwaltungsstrukturen. Für jeden, der in einer Gemeinde lebt, in einer anderen arbeitet und zum Sitz des Amtes der Auslegungsbehörde noch einen dritten Standort aufsuchen muss, führt das zu viel zu engen Fristen und damit natürlich auch zu Problemen. Deshalb sollten wir die Fristen verlängern und verspätet abgegebene Stellungnahmen nicht generell ausschließen.

Demokratische Mitwirkung ist wichtiger als straffe Verfahren oder, wie die Beamten sagen, Beschleunigung der Verfahren. Die Ministerkonferenz hat das auch genauso im Oktober formuliert. Minister Schlotmann hat es auch im Ausschuss ausgewertet: Bürgerbeteiligung so früh wie möglich.

Das Landesraumentwicklungsprogramm berührt fast alle Politikfelder und Fachressorts. Deshalb soll künftig nicht nur die Landesregierung im Benehmen mit dem Landes- planungsbeirat für Rechtsetzung des LEP verantwortlich sein. Es muss Aufgabe dieses Parlaments sein, sich an der Fortschreibung intensiv und konstruktiv zu beteiligen …

Frau Lück, kommen Sie bitte zum Ende.

… und es mit zu beschließen. Ich bitte um Zustimmung zum Antrag, zumindest aber um eine Überweisung. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat jetzt der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Herr Schlotmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich tatsächlich sehr, dass dieses Thema „Landesplanung, Raumordnung, Landesentwicklung“ hier auch mal wieder im Hohen Hause angesprochen und thematisiert wird.

Ich möchte eins vorwegschicken: Es gibt so einen Grundsatz von mir, dass ich wirklich nur bereit bin, neue Gesetze, zusätzliche gesetzliche Regelungen, Verordnungen und so weiter zu erlassen, wenn es gar nicht mehr anders geht. Wir reden hier seit Jahrzehnten, zumindest seit 1994, seitdem ich hier bin, ständig von Deregulierung und Bürokratieabbau. Wir sollten wirklich sehr genau hingucken, was beantragen wir und was bewirken wir eigentlich im Nachgang an bürokratische Regularien,

(Vincent Kokert, CDU: Genau.)

die dann wieder Zeit kosten, die uns in der Entwicklung hier im Land behindern.

(Vincent Kokert, CDU: Sehr richtiger Vorsatz. Das haben wir immer gefordert.)

Das ist so eine Art Heinz Erhardt, nicht nach dem Motto: „Noch ein Gesetz“, sondern lassen Sie uns genau hingucken, was ist zwingend notwendig.

Lassen Sie mich auf drei Bereiche in der Landesplanung und Raumordnung kurz eingehen, die sich auch in Ihrem Antrag wiederfinden:

Es geht zum einen darum, zuverlässig, rechtssicher und schnell Investoren bei der Berücksichtigung der sozialen, aber auch ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen und Auswirkungen anzusiedeln. Ich denke, es ist unstrittig, dass wir weitere Investoren hier im Land haben wollen. Aber, und das will ich hier ausdrücklich sagen, ich stehe nicht dazu, dass wir rücksichtslos Projekte ohne Sinn und Verstand und ohne den Aspekt der Nachhaltigkeit durchpeitschen, weil auch das nicht gerade positiv von den Auswirkungen für unser Land zu sehen ist.

Zweitens. Ein Thema, das mir persönlich wichtig ist, und das wissen Sie, Kollegin Lück, das ist das Thema Bürgerbeteiligung. Und alle, die mich kennen – und Frau Lück tut das, denke ich, sehr genau, zumindest was das Politische anbelangt –, wissen, dass dieses Thema Bürgerbeteiligung für mich von entscheidender Bedeutung ist und dass ich da auch Wege gehe, die für den einen unkonventionell, für den anderen sogar absolut negativ sind. Ich bin aber überzeugt davon, dass wir einen großen Schritt tun müssen. Das haben wir getan, bevor „Stuttgart 21“ öffentlich diskutiert worden ist. Ich mache das selten, aber ich möchte daran erinnern, dass mein Ministerium in der letzten Legislaturperiode das erste Ministerium bundesweit war, das ein eigenes Referat „Bürgerbeteiligung“ eingesetzt hat und seitdem intensivste Kontakte mit der Bertelsmann Stiftung, mit anderen Stiftungen von Parteien und, und, und Gespräche führt, konzeptionelle Ideen entwickelt. Und ich glaube, wir sind da auf einem sehr guten Weg.

Die spannende Frage, die man sich aber immer wieder auch stellen muss, ist: Was meine ich mit einer besseren Bürgerbeteiligung? Meine ich damit in Wirklichkeit mehr, also quantitativ, oder meine ich qualitativ? Ich bin eigentlich Anhänger der Tatsache, dass man eine deutlich qualitativ bessere Bürgerbeteiligung erleben und organisieren muss. Diese Bürgerbeteiligung muss nämlich bestimmte Kriterien erfüllen, ansonsten bleibt es hohles Gewäsch.

Einige der Kriterien sind, dass sie erstens früher sind – da sind wir d‘accord, denke ich –, dass sie, und das ist dann häufig der Streitpunkt mit Leuten, die sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen, auch ergebnisoffener sind, nämlich nicht so, dass irgendwann etwas auf den Tisch gelegt wird und dann kann man darüber reden, so nach dem Motto: „Gut, dass wir darüber geredet haben“, aber wirklich etwas zu ändern, ist dann nicht mehr möglich. Das wird mit mir in der Form in Zukunft so nicht weiter funktionieren. Sie muss stärker auf Kommunikation ausgerichtet sein und vor allen Dingen muss sie kontinuierlich stattfinden, das heißt, die Menschen, die sich dort einbrin

gen, müssen sich nicht nur ernst genommen fühlen, sondern sie müssen tatsächlich ernst genommen werden.

Das ist der Grundsatz, der dahinter steht. Oft mangelt es, das ist mein Erlebnis in den letzten drei Jahren insbesondere, an einer frühzeitigen vernünftig aufbereiteten Information an die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, damit sie sich dann tatsächlich einbezogen und nicht übergangen fühlen.

Meine Damen und Herren, das dritte Thema, auf das ich ganz kurz eingehen will, liegt, glaube ich, in der Natur der Sache, weil das das Thema ist, das am deutlichsten betroffen ist von allen Veränderungen im Bereich der Raumordnung und Landesentwicklung, und zwar ist das das Thema des Ausbaus der erneuerbaren Energien. Ich habe in der nächsten Woche die ersten Gespräche mit den Vorständen der regionalen Planungsverbände. Die Fortschreibung der regionalen Raumentwicklungsprogramme ist gerade erst durch. Denken Sie mal zurück, wie lange ein solcher Prozess dauert. Wir wollen diese regionalen Raumentwicklungsprogramme fortschreiben, und zwar in Form einer Teilfortschreibung. Wir wollen nicht im Urschleim anfangen, alles von vorne – das dauert dann nämlich wieder fünf Jahre und wir haben nichts gekonnt –, sondern wir wollen Teilfortschreibung, insbesondere für den Bereich der Windenergie, das heißt, die Kriterien, die wir im Ministerium entwickelt haben und im Moment noch abstimmen im Detail mit anderen Häusern. Wir wollen also völlig neue Kriterien oder veränderte Kriterien für die Einrichtung von Windeignungsgebieten festlegen, weil wir tatsächlich unser ehrgeiziges Ziel, die Verdoppelung der jetzt zur Verfügung stehenden Fläche Onshore – ich rede von Windenergieanlagen an Land –, erreichen wollen. Das wollen wir schaffen.

Aber, und das habe ich in diesem Haus schon des Öfteren angesprochen, da appelliere ich auch an jeden einzelnen Abgeordneten hier.

(Vincent Kokert, CDU: Ja, da sind wir schon gespannt drauf, auf die Unterstützung.)

Da bin ich wirklich gespannt,

(Vincent Kokert, CDU: Da freuen wir uns schon sehr drauf.)

und zwar bei allen Fraktionen hier, denn das erlebe ich täglich, wenn ich unterwegs bin im Land, Herr Jaeger kann da auch ein Lied von singen: Anonymisiert, abstrakt sind alle dafür, dass wir da etwas aufbauen, und da müssen wir noch mehr Windanlagen bauen und, und, und. Wenn die aber dummerweise 500 oder 1.000 Meter vor der eigenen Haustür hin sollen, dann gibt es Bürgerinitiativen, die dann richtig Stress veranstalten