Ich finde, dass wir uns auch intensiv noch einmal darüber unterhalten müssen, ob es angemessen ist, dass gewählte Vertreter und Vertreterinnen wesentliche Sachauseinandersetzungen – wie gesagt, nur zu Regierungsvorlagen – in Ausschüssen halten, und das sind nicht öffentliche Sitzungen. Ich finde, sie sind der Öffentlichkeit und den Bürgerinnen und Bürgern auch dort in ihrem Tun Rechenschaft schuldig.
Selbstverständlich ist es Aufgabe der Opposition, sich mit den Gesetzesvorlagen gerade auch in den Fach- ausschüssen intensiv auseinanderzusetzen. Ich will an einem Beispiel deutlich machen, dass es mir auch manchmal an der Auseinandersetzung fehlt. Ich möchte erinnern an die Auseinandersetzung zum Justizvollzugsgesetz und zum Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz. Die Opposition brachte über 70 Anträge ein. Nicht einer wurde diskutiert, zu keinem gab es eine Auseinandersetzung, alle Vorlagen wurden von vornherein abgebügelt.
Ich will an dieser Stelle relativierend sagen – weil mich der Kollege Krüger heute Morgen darauf angesprochen hat –, es gibt Ausschüsse, das gestehe ich Ihrem Aus
schuss zu, in denen es in der Tat diese Sachauseinandersetzung zu den Initiativen der Opposition gibt. Das ist aber nicht die Regel und es betrifft nicht die Anträge, Herr Krüger, die hier von vornherein im Parlament abgeblockt werden, wo wir die sachliche Auseinandersetzung in den Ausschüssen überhaupt nicht führen können.
Dahinter, sehr geehrte Damen und Herren, steht ein Selbstverständnis. Und dieses Selbstverständnis will ich auch mal an einem Beispiel deutlich machen. Sie erinnern sich sicherlich gut an die lange Auseinandersetzung zum Thema Gerichtsstrukturreform und Sie erinnern sich an die Auseinandersetzung – ich glaube, es war die letzte Sitzung des Parlaments – zu der Frage der öffentlichen Auslegung der Listen für das entsprechende Volksbegehren in öffentlichen Institutionen. Ich fand es schon bemerkenswert, dass die Justizministerin dort interveniert hat. Ich habe es hier deklariert als Angst vor der Auseinandersetzung und als Begrenzen des Bürgerwillens.
Aber ich will es noch mal an einem Punkt deutlich machen: Ich habe hier einen Auszug aus der Monatszeitschrift des Städte- und Gemeindetages,
hat er interveniert an der Stelle, und zwar in dem Punkt, dass dies nur zulässig ist, wenn dies vorher abgelehnt worden ist. Sie hatten zugestimmt, aber den Sinn der Volksinitiative völlig verklärt. Das ist Ihr Selbstverständnis vom Annehmen von demokratischen Initiativen.
Es ist nicht unser Selbstverständnis und wir erwarten an dieser Stelle eine Veränderung in den nächsten zweieinhalb Jahren.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Suhr hat uns in der Einleitung seiner Rede gestanden, dass ihn der letzte Tagesordnungspunkt natürlich nicht, wie der Zwischenruf suggeriert hat, sprachlos gemacht hat, aber doch zumindest beeindruckt hat.
Lassen Sie mich in ähnlicher Weise am Anfang meiner Ausführungen sagen, Herr Suhr, Ihre Ausführungen haben mich überrascht, sehr überrascht. Denn wenn ich
Ich hatte erwartet, dass Sie zu unserem Umgang mit der Opposition Kritik üben. Das haben Sie nur zum Teil getan, ansonsten haben Sie Ihre Darstellungen hier dargeboten, wie sich denn eine Regierungsfraktion verhalten möge, und uns gesagt, dass wir leider Ihren Vorstellungen von der Arbeit einer Regierungsfraktion nicht entsprechen.
(Vincent Kokert, CDU: Das ist ja fast ein Lob für uns. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist ein Unterschied, das stimmt.)
Das tut mir leid, wenn wir Ihren Ansprüchen nicht entsprechen. Aber ich würde gerne mal in Landtage gucken, in denen die GRÜNEN Regierungspartei sind, wie es denn dort mit dem Verhalten ist, wie viele Initiativen dort von den Regierungsfraktionen kommen und wie viele von der Landesregierung kommen.
Oder wir können auch mal gern in den Deutschen Bundestag gucken, wie viel denn da von den Regierungsfraktionen in rot-grüner Zeit gekommen ist und wie viel von der Bundesregierung.
Natürlich können wir staatsrechtlich beklagen, dass hier eine Verschiebung innerhalb der Gewalten zugunsten der Exekutive stattfindet. Das ist vielleicht eine berechtigte Klage, aber uns von den Fraktionen von SPD und CDU dies zuzurechnen, geht, glaube ich, komplett vorbei und deswegen halte ich eine solche Ausführung für nicht zielführend.
Aber lassen Sie mich auf das, was der Titel Ihres Antrages oder Ihres Aussprachebegehrens anspricht, kommen und lassen Sie mich auf das kommen, was wir in den letzten Tagen auch in den Medien erlebt haben und was wir vor allen Dingen hier in diesem Hohen Hause erlebt haben. „Umgang mit der Opposition ist Maßstab für demokratische Kultur“ – so ist der Titel unseres Tagesordnungspunktes.
„Umgang mit der demokratischen Opposition ist Maßstab für demokratische Kultur.“ Ich denke, Herr Suhr – und Ihr Nicken sagt mir, dass wir uns da einig sind –, dass wir hier sehr wohl einen Unterschied machen zwischen dem Umgang unter Demokraten und dem Umgang mit Antidemokraten. Ich hätte es begrüßt, wenn das auch im Titel dieses Tagesordnungspunktes zum Ausdruck gekommen wäre.
Ein Zweites: Sie sagen – grammatikalisch geht das, sagt der Deutschlehrer in mir – „Umgang mit der Opposition ist Maßstab für demokratische Kultur“. Sie haben es vermieden zu sagen, „der“ Maßstab, „ein“ Maßstab. Ich sage Ihnen, es ist „ein“ Maßstab, denn sicherlich gehört es zu einer guten und einer funktionierenden Demokratie, dass man die Rechte der Opposition achtet und dass man mit einer Opposition in vernünftiger Weise umgeht. Aber dieses ist weiß Gott nicht der einzige Maßstab, meine sehr verehrten Damen und Herren, für demokratische Kultur. Da gibt es eine Menge weiterer Maßstäbe.
Ich würde Ihnen gerne, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, noch einmal ein Zitat von Gustav Heinemann – Sie merken, ich zitiere ihn gerne – vortragen.
Heinemann hat einmal sinngemäß gesagt, dass jemand, der mit dem Finger auf einen anderen zeigt, um ihm etwas vorzuwerfen, daran denken soll, dass drei Finger dieser Hand auf ihn selber zeigen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie hier beklagen, dass das Verhältnis von Koalition und Opposition nicht so ist, wie es Ihren Wünschen entspricht, dann sollten Sie vielleicht auch mal nach Ursachen schauen.
(Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Dann landen wir ja wieder bei den Regierungsfraktionen, Herr Kollege Müller.)
Ach ja? Kollege Ritter, das, glaube ich, stimmt nur zum Teil, denn in solch einem Verhältnis gibt es immer zwei oder in diesem Falle vier. Und wer glaubt, er selbst sei ohne Schuld und die Schuld liege nur bei den anderen, der geht, glaube ich, an der Realität vorbei.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Andreas Butzki, SPD: Das sehe ich aber auch so.)
Lassen Sie mich mal mit einem Thema anfangen, dass Sie, Herr Suhr, in Ihren Ausführungen gar nicht genannt haben, das aber im Vorfeld eine erhebliche Rolle gespielt hat, weshalb ich eigentlich erwartet habe, dass es hier kommt.
Wir haben über die Medien gehört – und Sie haben es selber transportiert –, dass Sie ein Schreiben an den Ministerpräsidenten gerichtet haben, weil dieser Ihnen, den Fraktionsvorsitzenden der Opposition, in der Ver
gangenheit vertrauliche Informationen zu schwierigen, zu komplizierten Sachverhalten im Zusammenhang mit unseren Werften hat zukommen lassen. Der Ministerpräsident hat Ihnen mitgeteilt, dass dies zukünftig nicht mehr der Fall sein werde, und hat Sie auf die normalen parlamentarischen Wege verwiesen.