Protokoll der Sitzung vom 12.11.2014

Der Verfassungsschutz führt auch nur Befehle aus, die Innenministerien sind es, die den Verfassungsschutz steuern.

Also warum sagt das Innenministerium von Sachsen nicht die Wahrheit? Was hat es mit diesem Handy auf sich?

Und was hat es mit den geschredderten Akten auf sich? Das fing gleich an am 7. November, drei Tage nachdem die beiden tot aufgefunden wurden, wurden die ersten Akten vernichtet.

(Stefan Köster, NPD: Zufällig.)

Zufällig, weil gerade die Löschungsfristen abgelaufen waren. Und irgendwie hat da keiner mitbekommen, dass das vielleicht im Zusammenhang stehen könnte mit diesem NSU-Komplex,

(Heiterkeit bei Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ganz zufällig hat Petereit eine Danksagung vom NSU.)

obwohl die Akten sich bezogen auf die Operation „Rennsteig“, das heißt, auf die ganze Spitzelszene in Thüringen. Und das ging dann acht Monate lang. Acht Monate lang wurden systematisch Akten vernichtet. Auch das erinnert sehr an die Stasi. Als die Demonstranten vor den Stasihauptquartieren standen und sagten, Stasi in den Tagebau und so, wurden da fleißig Akten geschreddert. Und genauso hat der Verfassungsschutz das auch gemacht.

(Julian Barlen, SPD: Das sind doch alles Nebelkerzen.)

Acht Monate lang, während ein Riesenbetroffenheitszirkus veranstaltet wurde, während die Züge stillstehen mussten zu Ehren der Opfer, während eine Bundestagstrauersitzung gemacht wurde, wurde Beweismaterial vernichtet.

(Thomas Krüger, SPD: Was sagen Sie denn dazu, das Nazis Menschen ermordet haben in Deutschland?)

Wenn diese Akten bekannt wären, könnte es sein, dass sich ein ganz anderes Bild ergeben würde.

Und warum wurde das hessische Innenministerium nicht dazu gezwungen, die wahre Rolle des Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas Temme offenzulegen – was der da erzählt hat in dem Untersuchungsausschuss, das hätte jedem anderen sofort Beugehaft eingebracht und hätte dazu geführt, dass er wegen uneidlicher Falschaussage dran war – der dabei war, als der Mord in Kassel geschehen ist, und behauptet, er hätte nichts gehört? Das glaubt kein Mensch. Und solange das nicht aufgeklärt wird, haben diese Handlungsempfehlungen überhaupt keinen Wert.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Ringguth.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Lob doch mal die Aufklärungsarbeit der Baden-Württemberger und Hessen! – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verwunderung,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Verwunderung und Staunen bei mir, bei den Kollegen meiner Fraktion und bei vielen anderen: Da hatte DIE LINKE keinen entsprechenden Antrag gestellt, aber sie hatte die Chance, das Thema der Aktuellen Stunde selber zu bestimmen, eine großartige Chance. Und da gab es ein Thema. Es gibt ein Thema, das die Menschen in ganz Deutschland, aber auch gerade in unserem Land Mecklenburg-Vorpommern seit Wochen intensiv bewegt hat: das Thema des Wunders der friedlichen Revolution,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Da haben wir ja wohl beantragt, eine Aussprache dazu durchzuführen.)

das Thema der Auseinandersetzung mit dem größten Glücksfall

(Vincent Kokert, CDU: Sehr gut, Herr Ringguth.)

der jüngeren deutschen Geschichte.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Aber, Herr Holter, natürlich wählt DIE LINKE,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Wir haben den Antrag gestellt, eine Aussprache durchzuführen.)

natürlich wählt …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Eine Woche vorher.)

Ja, aber Sie hätten trotzdem die Chance gehabt, dieses Thema zu Ihrem Thema zu machen. Sie haben es nicht getan, Sie werden Ihre Gründe gehabt haben, Herr Holter.

(Helmut Holter, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, haben wir.)

Aber, es ist so, DIE LINKE wählt ihr Thema

(Peter Ritter, DIE LINKE: Vielleicht schreibt ihr uns noch vor, was wir in der Aktuellen Stunde thematisieren, oder was?!)

selbstbestimmt, Herr Ritter. Das machen Sie selbstbestimmt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist auch gut so.)

Aber ich frage mich,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Peter Ritter, DIE LINKE: Vielleicht muss ich noch die CDU fragen, was ich auf die Tages- ordnung setze! Wo kommen wir denn da hin?!)

wie auch der Innenminister frage ich mich: Wo ist jetzt der aktuelle Bezug? Also auf jeden Fall der, dass die Landtage von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württem- berg jetzt Untersuchungsausschüsse eingesetzt haben, das hat mit dem, was bei uns gelaufen ist, absolut nichts zu tun. Das ist auf unser Land nicht übertragbar, aus

dem einfachen Grund, dass der Abschlussbericht des Bundestagsuntersuchungsausschusses, der ja auch schon vom August letzten Jahres ist, 2013, den beiden Bundesländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ins Stammbuch geschrieben hat, dass sie schwere Fehler in der Sicherheits- und Kommunikationspolitik zu verantworten haben.

(Vincent Kokert, CDU: Aber das ist doch in Baden-Württemberg längst aufgearbeitet worden, Herr Ringguth.)

Wir aber nicht. Und wenn es denn so ist, dass Barbara John, eine Christdemokratin, jetzt herhalten muss, dass dies zum Thema der Aktuellen Stunde wird, dann sage ich zu mir: Weiter so! Wenn Christdemokraten irgendwo ein Buch veröffentlichen und DIE LINKE macht daraus eine Aktuelle Stunde, dann wäre das ein Novum, das wäre ganz spannend.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Also der Innenminister hat mir drei Klassen besser gefallen als Ihr Beitrag.)

Immer ganz ruhig bleiben, Herr Ritter!

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Herr Ritter verteilt nämlich jetzt Zensuren, da musst du aufpassen.)

An einer möglichen Debatte, ob DIE LINKE auch heute, 25 Jahre nach der friedlichen Revolution, vielleicht immer noch ein schwieriges Verhältnis hat zu Freiheit, zum demokratischen Rechtsstaat oder aber auch zur inneren Sicherheit, an dieser Debatte werde ich mich hier und heute nicht beteiligen. Aber, meine Damen und Herren, das liegt nicht an übergroßem Respekt gegenüber den LINKEN, sondern das liegt an großem Respekt gegenüber dem Thema, dem Thema der Aktuellen Stunde und auch den Toten des NSU-Terrors.

Meine Damen und Herren, die Frage, wie es in unserem deutschen Rechtsstaat überhaupt jemals zu der rechtsterroristischen Mordserie des NSU kommen konnte, muss doch jeden Demokraten, und zwar jeden Demokraten, genauso bewegen wie die Frage, wie ein solches Ereignis in der Zukunft irgendwie sicher auszuschließen ist. Die Gefahren des Rechtsextremismus – Herr Ritter, da muss ich einfach sagen, da widerspreche ich –, die Gefahren des Rechtsextremismus werden in unserem Land eben nicht unterschätzt. Und ich glaube – das hat uns ja der Kollege von der SPD deutlich gesagt –, gerade unser Innenminister Lorenz Caffier steht mit seiner ganzen Persönlichkeit und auch mit seinem Herzblut dafür, dass das bei uns nicht unterschätzt wird.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das glaube ich ihm sogar.)

Die NSU-Mordserie hat unseren Landtag aber schon mehrfach und immer wieder beschäftigt. Wir haben es in dieser wichtigen Sache wirklich geschafft, einen interfraktionellen Antrag abzustimmen. Wir haben es uns damals in diesem interfraktionellen Antrag, Herr Suhr, wirklich nicht leicht gemacht. Und wir haben auch deutlich gemacht, dass es bei diesem interfraktionellen Antrag nicht bleiben soll. Aber – Herr Suhr, da bin ich völlig anderer Auffassung als Sie –, genau das, dass das jetzt zum Thema einer Aktuellen Stunde gemacht wird, sorgt eben

nicht dafür, dass wir wirklich gemeinsam an diesem eminent wichtigen Thema arbeiten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Vor allen Dingen tiefgründig.)

Wir wollen hoffen, dass es bei dieser Gemeinsamkeit bleibt. Wir, meine Fraktion, werden alles dafür tun.

(Zuruf aus dem Plenum: Wir auch.)

Ein Bericht zum Umsetzungsstand der Aufarbeitung der Reformbemühungen im Bereich von Justiz, Polizei und Verfassungsschutz ist damals verlangt worden. Dieser Bericht, Herr Suhr – und das wundert mich ein wenig –, es ist in Ihrer Kleinen Anfrage genauso angekündigt worden, nämlich dass dieser Bericht kommt,