Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Krüger, SPD: Ihr wollt alle zwingen. – Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fakt ist, die Landesregierung muss mehr tun, um Puten ein tierwürdiges Leben zu garantieren. Wenn einzelne Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen Initiativen starten, um beispielsweise endlich

das brutale Schnabelkürzen bei Puten zu beenden, dann erwarten wir von unserer Landesregierung, dass sie auch hier aktiv wird, entweder prophylaktisch beziehungsweise nicht auf die entsprechenden mit Schnabel gekürzten Küken zurückgreift. Einzelne Tierhalter warten glücklicherweise nicht auf die Politik und gehen aus Überzeugung voran. Ich freue mich, in unserem Bundesland solch positive Beispiele wie die Waldputenhaltung des Biohofes Zieslübbe im Landkreis Ludwigslust-Parchim zu sehen. Dies sind wahrlich Leuchttürme, die wir unterstützen müssen. Auf das Prinzip Freiwilligkeit allein zu setzen, wird aber, wie gesagt, nicht ausreichen.

(Egbert Liskow, CDU: Sind die gezwungen worden?)

Deshalb unser Antrag hier, für den ich um Unterstützung werbe. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 120 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So langsam bewegen wir uns ja in Richtung Weihnachten

(Thomas Krüger, SPD: Echt übliche Themen. – Peter Ritter, DIE LINKE: Geschenkekorb.)

und da wird es natürlich so sein, dass wir hoffentlich wieder auch ein Stück weit wertvolle Lebensmittel möglichst aus artgerechter Haltung in Mecklenburg-Vorpom- mern zu uns nehmen werden.

Frau Gerkan, ich bin Ihnen schon sehr dankbar, dass Sie eines meiner Lieblingsprojekte hier genannt haben, nämlich das Waldputenprojekt. Damit sind wir einmalig in Deutschland, weil wir im Übrigen die Bronze-Pute zurückgezüchtet haben auf die alten Bestände, die wir in Mecklenburg-Vorpommern beheimatet haben. Sie können sich vorstellen, dass wir die letzte Woche schlaflose Nächte gehabt haben, ich jedenfalls, im Zusammenhang natürlich mit der Vogelgrippe. Dankbarerweise sind Sie darauf eingegangen und deswegen möchte ich auch noch kurz in Anbetracht der Demonstration, die hier heute Morgen stattgefunden hat, ein paar Worte dazu sagen.

Zum einen ist es so, dass wir von dem Vogelpest- geschehen in Mecklenburg-Vorpommern heimgesucht worden sind, und ich möchte hier an dieser Stelle noch mal öffentlich ausdrücklich betonen: Ich bedanke mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die hier mitgeholfen haben, diese wirklich schwierige Phase so gut zu meistern. Dazu gehören natürlich die Veterinär- und Ordnungsämter, die Feuerwehren, die Polizei, aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus meinem Haus möchte ich mich sehr herzlich bedanken. Wir haben hier in kürzester Zeit diese krisenhafte Situation gemeistert. Das ist beispielgebend für Deutschland und Europa.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Auch vor den beteiligten Firmen, die professionell mit der Achtung vor dem Geschöpf in dieser schwierigen Phase die Tötung vornehmen mussten oder die diese Tiere dann letzten Endes weiterbearbeiten mussten, habe ich hohe Achtung. Auch den Tierhalterinnen und Tierhaltern, die wegen dieses Ausbruches ihre Bereitschaft erklären mussten, in dem Sperrbezirk ihre Tiere zu töten, bringe ich jedenfalls sehr, sehr große Achtung entgegen. Die Reaktion der betroffenen Menschen war im Wesentlichen von Verständnis hinsichtlich dieser Lage geprägt. Und auch das ist nicht selbstverständlich, wenn Sie sich vorstellen, dass eine Familie, die seit dem Schlüpfen diese Tiere auch über die letzten Monate gepflegt und betreut hat, dann zusehen muss, dass diese getötet werden, das ist schon eine Tragödie.

Auch das ist mir wichtig und ich bin sehr dankbar, Frau Gerkan, dass Sie angedeutet haben, der Virus, ich habe es ja mehrfach und immer wieder gesagt, unterscheidet nicht zwischen Kleinst-, Klein-, Bio- oder konventionellem Betrieb oder großem Betrieb, sondern der Virus ist plötzlich da und wir müssen damit umgehen.

(Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Dennoch sind große Betriebe anfälliger.)

Ich will an dieser Stelle dann noch unterstreichen, dass alles getan werden muss, dass wir motiviertes, gut ausgebildetes Personal haben, und in der Prophylaxe bei solchen Entwicklungen liegt eigentlich der Schlüssel. Nämlich es fängt bei der Hygiene an und geht über eine kontinuierliche und gute Betreuung der Tiere durch geschultes Fachpersonal bis hin natürlich zur Begleitung durch den Tierarzt, ob bio oder konventionell, auch hier unterscheide ich überhaupt nicht. Weiterhin muss die Tierseuchensituation weltweit ständig im Blick behalten werden. Dass es uns im Übrigen gelungen ist, dass wir kein Überspringen auf andere Geflügelbestände haben, ist tatsächlich auch eine großartige Leistung.

Und wenn Sie sich das anschauen, ich habe eine Studie gelesen, die mir vorliegt aus dem Jahr 2011, da wird das noch mal deutlich. Dort sind seit dem ersten Ausbruch bis 2011 150 Millionen Stück Geflügel von der Vogelpest betroffen gewesen. Das macht deutlich, welches Ausmaß dieses Problem hat. Und einfache Erklärungen zum aktuellen Geschehen, wie wir es in Mecklenburg-Vorpom- mern hatten, es waren die Wildvögel oder schuld ist die Massentierhaltung, sind einfach aus meiner Sicht nur billige Stimmungsmache, unsachlich und, wenn man so will, auch unehrlich.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Wir brauchen immer und immer wieder wissensbasierte und belegbare Erkenntnisse, die geeignet sind, Einschleppungen oder auch das Eindringen von Krankheitserregern zu verhindern, dazu natürlich dringend den veterinärmedizinischen, aber auch den biologischen Sachverstand.

Und deswegen finde ich es schon richtig, dass wir diese Diskussion hier heute führen, denn das Thema der Tierhaltung, des Tierschutzes beschäftigt uns ja nunmehr fast auf jeder Landtagssitzung. Eigentlich ist für diese

Spezialthematik hier im Landtag extra ein Ausschuss eingerichtet worden, das ist der Agrarausschuss. Es wäre sicherlich auch gut und hilfreich, wenn wir Details für die vielen Fragen und Anmerkungen, die mit diesem Thema in Verbindung stehen, ausführlich im Agrarausschuss behandeln.

Ich habe im Übrigen Ihrer Fraktion ja immer wieder angeboten und tue das noch mal wieder, sich von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umfassend informieren zu lassen, und ich bin auch gern bereit, Ihnen das noch mal selbst zu ermöglichen. All dies ist aus meiner Sicht so nicht passiert und deswegen haben wir dieses Thema lieber im Landtag. Das ist für mich auch ein Zeichen, dass es manchmal eben nicht um den Dialog geht – ohne Dialogbereitschaft von allen Seiten wären wir aber nicht dort, wo wir heute stehen –, sondern Ihnen geht es scheinbar doch eher darum, eine öffentliche Publicity zu erzielen. Und die Inszenierung, das meine ich jetzt auch so klar und deutlich, wie ich es hier sage, die Inszenierung, die Ihre Fraktion hier heute Morgen vor dem Landtag absolviert hat, macht es deutlich: Es geht Ihnen nicht um Dialog, sondern es geht um Konfrontation.

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bedauere das, denn die Tiere in Mecklenburg-Vor- pommern, Sie haben ja auch die Resonanz gesehen, die Tiere, um die es mir dabei geht, werden davon nichts haben. Und insofern haben Sie kein unbedingt gutes Beispiel geliefert.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass es Ihre Pflicht ist als Opposition, natürlich uns auch aufzufordern oder, wenn ich es auf Hochdeutsch sage, vielleicht auch vor uns her zu treiben, aber die Sicht, die Sie hier formulieren, dass wir katastrophale Zustände in den Tierhaltungen in Mecklenburg-Vorpom- mern haben, weise ich in aller Klarheit zurück.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

In aller Klarheit! Deutschland, Mecklenburg-Vorpommern hat die höchsten Tierschutzstandards der Welt,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und ich bin stolz darauf. Was wir – und das werde ich Ihnen gleich noch erklären, auch wenn Sie es nicht hören wollen – in den letzten Jahren für den Tierschutz und für eine bessere, artgerechtere Tierhaltung auf den Weg gebracht haben, ist einzigartig.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Im Schneckentempo! Im Schneckentempo!)

Und ich sage das hier auch der Öffentlichkeit: In Mecklenburg-Vorpommern werden bei keinen Puten deren Schnäbel gekürzt,

(Thomas Krüger, SPD: Genau. – Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aber es ist erlaubt.)

bei nicht einer Pute, sondern sie kommen aus anderen Bundesländern. Sie kommen aus anderen Bundesländern,

(Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo kommen sie denn her?)

aus Niedersachsen und insbesondere auch aus Nordrhein-Westfalen. Mit diesen Ihren Kollegen sind wir in einem sehr engen Kontakt und ich werde es Ihnen auch noch gleich darstellen.

Es geht mir ganz klar und eindeutig um die Sicherstellung des Tierschutzgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Im Paragrafen 1 heißt es: „Niemand darf einem Tier … Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen.“ Und genau darum muss es gehen.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Entwicklung haben wir im Übrigen auch angeschoben, nämlich in Mecklenburg-Vorpommern – das wissen Sie mal wieder nicht, ich hätte Ihnen ja schon alles vorher erklären können – gibt es eine Vereinbarung, und zwar freiwillige Eckpunkte, die widerspiegeln,

(Zuruf von Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass die derzeit wissenschaftlichen Kenntnisstände, die Praxiserfahrungen sowie die wirtschaftlichen Gegebenheiten in der Putenmast umgesetzt werden. Unabhängig von den Eckpunkten sind die allgemeinen Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung auch für die Puten rechtsverbindlich und somit umzusetzen. Sie können sich nicht herstellen und sagen, das sei hier alles nicht geregelt. Das stimmt so nicht. Die Eckpunkte sind auf Initiative des Verbandes der deutschen Putenzüchter gemeinsam mit dem Bundesministerium, mit den Fachministerien mehrerer Länder, wozu Mecklenburg-Vor- pommern gehört, sowie Vertretern der Wissenschaft, der anerkannten Tierschutzorganisationen und dem Deutschen Bauernverband auf den Weg gebracht worden.

(Thomas Krüger, SPD: Genau so.)

Dialog ist besser als Konfrontation.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Jutta Gerkan, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kern dieser Eckwerte ist die verpflichtende Etablierung eines Gesundheitskontrollsystems innerhalb der Putenhaltung.

Im Übrigen – ich nehme an, dass der eine oder andere Redner noch darauf eingehen wird –, wenn man sich mit der Pute oder diesen wunderbaren Geschöpfen auseinandersetzt, dann wird Forschung und Wissenschaft seit vielen Jahrzehnten, Jahrhunderten betrieben. Anhand der tierbasierten Indikatoren, und das ist mir wichtig, anhand der tierbasierten Indikatoren sollen Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand und das Wohlbefinden der Puten gezogen werden. Bei etwaigen Auffälligkeiten sind gemeinsam mit den bestandsbetreuenden Tierärzten Maßnahmenpläne zu erarbeiten und nachvollziehbar umzusetzen. Wenn das nicht geschieht, dann handeln wir.

Dieses funktioniert in Mecklenburg-Vorpommern und wir konnten das auch in der letzten Woche beweisen. Erfahrungsgemäß haben selbstverpflichtende Wirtschaftsbetriebe einen hohen Akzeptanzgrad, zumal diese Vorgaben von Zertifizierern genutzt werden und dann vom Handel auch eingefordert werden.

Im Übrigen, jeder Einzelne von uns kann beim Abstimmen an der Ladentheke damit entscheiden, auf welches Produkt er setzt. Und je besser...

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)