Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

Herr Schubert, hören Sie mir doch erst mal gut zu. Ich wollte jetzt gerade zu meinen Vorschlägen kommen.

(Heinz Müller, SPD: Aaah! – Zuruf von Martina Tegtmeier, SPD)

Wir sind gern bereit, unser Wissen einzubringen.

Um die hausärztliche Versorgung zu sichern, muss auch die Medizinausbildung reformiert werden. Wir müssen sie für eine alternde Gesellschaft fit machen. Dafür brauchen wir mehr Ärzte in der Grundversorgung. Wir brauchen Generalisten für den ersten Kontakt der Patienten mit dem Gesundheitswesen. Das ist aber nicht Ergebnis des Medizinstudiums. Es fördert die Spezialisierung. Von den 82 Fachrichtungen, die zurzeit in Deutschland ausgebildet werden, sind 80 Subspezialisierungen. Nur zwei Fachrichtungen haben den gesamten Menschen im Blick: der Facharzt für Allgemeinmedizin und der Facharzt für Inneres. Aus beiden kommen bekanntlich die Hausärzte.

Auch ein Teil der Hochschulprofessoren will die Medizinausbildung reformieren. Adelheid Kuhlmey von der Berliner Charité fordert beispielsweise einen Pflichtabschnitt Allgemeinmedizin und ein generelles Entrümpeln der Approbationsordnung. Das empfehlen auch die Mitglieder des Sachverständigenrates Gesundheit.

Regina Feldmann, sie ist der hausärztliche Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, hält das heutige Medizinstudium für praxisfern. Das erklärt für sie die geringe Bereitschaft zur Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin. Bei einer Befragung im Frühjahr äußerten nur 9 Prozent der Medizinstudenten diese Absicht. 34 Prozent sagten aber auch, dass die Allgemeinmedizin für sie durchaus infrage käme. Das bedeutet, es gibt Potenzial. Deshalb sollten künftige Mediziner die hausärztliche Tätigkeit bereits während des Studiums kennenlernen. Das fordert übrigens auch die Bundesvertretung der Medizinstudierenden.

In der Diskussion gibt es noch weitere Vorschläge – von der Reform der Zulassung zum Medizinstudium über die Förderung der Niederlassung auf dem Lande bis zur Änderung der Facharztweiterbildung. Warum beginnt diese eigentlich immer im Krankenhaus? Erfolgt sie zunächst bei Allgemeinmedizinern, wäre es möglich, dass mehr angehende Fachärzte sich aufgrund der Vielfalt und Schönheit dieses Berufes für eine Hausarztpraxis entscheiden. Eine solche Veränderung in der Weiterbildung liegt in der Kompetenz des Landes wie die zuvor angesprochene Ausbildung. Sie wäre weitgehend kostenneutral und könnte relativ schnell umgesetzt werden.

Wir haben Möglichkeiten, den Beruf des Hausarztes in Mecklenburg-Vorpommern attraktiver zu machen. Um die hausärztliche Versorgung in den nächsten Jahren zu sichern, sollten die Möglichkeiten zusammengetragen werden in einem Strategieplan der Landesregierung. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3425. Wer dem zu- zustimmen wünscht, den oder die bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Und die Stimmenthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/3425 abgelehnt, bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion der NPD, bei Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und CDU sowie bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Fraktion DIE LINKE hat eine Auszeit von 15 Minuten beantragt.

(Heinz Müller, SPD: 15 Minuten!)

Wir setzen die Beratung um 13.45 Uhr fort.

Unterbrechung: 13.26 Uhr

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Wiederbeginn: 13.45 Uhr

Meine Damen und Herren, es ist 13.45 Uhr und wir setzen die Tagung fort.

Noch mal, meine Damen und Herren, die Fraktionen ha- ben sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 18 mit dem Tagesordnungspunkt 23 sowie den Tagesordnungspunkt 19 mit dem Tagesordnungspunkt 26 zu tauschen.

(Unruhe auf der Regierungsbank)

Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das jetzt so beschlossen, und ich würde um Ruhe auf der Regierungsbank bitten.

(Unruhe bei Thomas Schwarz, SPD, und Minister Harry Glawe – Minister Dr. Till Backhaus: Herr Schwarz, seien Sie mal leise bitte! Sonst krieg ich wieder einen Rüffel von der Präsidentin und ich bin unschuldig. – allgemeine Heiterkeit)

Genau, wenn jetzt Ruhe ist, bin ich aber zufrieden und würde die Sitzung weiterleiten wollen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Das ist die Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Haltungsbedingungen für Puten in der Nutztierhaltung verbessern, Drucksache 6/3431.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Haltungsbedingungen für Puten in der Nutztierhaltung verbessern – Drucksache 6/3431 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Gerkan von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Schade, dass so wenige Leute da sind, aber es hängt ja nicht immer nur von der Masse der Leute ab.

(Beifall Thomas Krüger, SPD – Katharina Feike, SPD: Genau. – Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig, Qualität statt Quantität.)

Wer sich heute fettarm ernähren möchte, dabei aber nicht auf Fleischkonsum verzichten will, greift häufig zu Putenfleisch. Putenfleisch gilt als sehr kalorienarm, als eiweißreich und wird deshalb gern gegessen. Es enthält viel Vitamin B6, B12 und viele, viele Mineralien wie Kalium, Magnesium, Eisen und Zink. Dieser gute Ruf von Putenfleisch hat zu einem Schub beim Konsum von Putenfleisch geführt. 1970 gab es in Deutschland einen Putenbestand von rund 850.000 Tieren, im Jahre 2010 waren es dann schon rund 11 Millionen Puten. Die Deutschen verzehren im Laufe ihres Lebens durchschnittlich 46 Puten. Das klingt erst mal nicht so viel, aber wer ein solch großes, bis zum Mastende 21 Kilogramm schweres Tier jemals gesehen hat, der bekommt eine Ahnung, von welchen Mengen wir hier reden.

Ein Aspekt bei der Bewertung der Ernährungsqualität von Putenfleisch fällt jedoch gern unter den Tisch und das sind die Qualzuchten und die Haltungsbedingungen der Tiere. Wer also auf eine gute Ernährung achtet, sollte

auch Wert auf die Haltungsform der Puten legen, denn die Haltung der Tiere bestimmt ganz entscheidend auch über die Qualität des Fleisches. Die Pute ist nämlich an sich ein freiheitsliebender Weide- und Steppenvogel.

Eine angeblich tierschutzgerechte Nutztierhaltung wird in Deutschland mit der Tierschutz-Nutztierhaltungsverord- nung geregelt. Sie ist allerdings noch lange nicht in einer Fassung, die wirklich Tierschutz garantiert. Sie sichert einen Status der Nutztierhaltung, der in erster Linie durch ökonomische Überlegungen definiert ist. Das bedeutet Tierschutz auf niedrigem Niveau. Und eine der großen noch existierenden Fehlstellen dieser Verordnung ist es, dass keine Regelungen für Puten bereitgestellt sind.

Man mag sich das einmal vorstellen: Da schreiben wir in Deutschland in der besagten Verordnung die Haltungsbedingungen von Chinchillas und Nutrias fest, aber eine am stärksten genutzte Tierart wie die Pute suchen wir vergebens. Deshalb müssen wir, wenn wir über Haltungsbedingungen reden, ganz klar an die TierschutzNutztierhaltungsverordnung ran. Da hilft kein Lamentieren, kein Verweis auf die Pflicht zur Eigenkontrolle, das wäre ja auch zu einfach, kein Verweis auf mehr Forschungsbedarf bei der Haltung von Puten. Wenn wir keine ordentliche gesetzliche Grundlage dafür haben, die beschreibt, was eine tiergemäße Putenhaltung erfordert, dann kommen wir auf dem Weg nicht weiter.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bisher sind die Zustände katastrophal. Insiderreportagen und die Forschung belegen das immer wieder, unter welch barbarischen Bedingungen Putenmast durchgeführt wird. Dazu gehören Krankheiten, die durch eine Heranzüchtung bestimmter Eigenschaften der Tiere verursacht beziehungsweise begünstigt werden. Ich nenne hier als Beispiel nur die Nekrose des Tiefenbrustmuskels, also eine Einschnürung der Brustmuskulatur der Tiere, die die Sauerstoffversorgung des Muskels einschränkt. Sie wissen, die Brustmuskulatur wurde bei Puten auf maximale Größe gezüchtet, das lässt die Tiere unter starken Schmerzen leiden.

Missstände ergeben sich nicht nur aus völlig falschen Zuchtaktivitäten, sondern auch durch Blicke in die Ställe vor Ort selbst. Der Trend bei den Haltungsbedingungen geht seit Jahren zu immer höheren Besatzdichten. Lagen sie 1969 noch bei 20 Kilogramm pro Quadratmeter, waren sie 1986 schon auf 40 bis 50 Kilogramm pro Quadratmeter gestiegen. Bei einem Hahn von gut 21 Kilogramm und einer Henne von knapp 11 Kilogramm sind das drei Hähne oder fünf Hennen pro Quadratmeter von diesen riesigen Vögeln. Die Tiere können sich also nicht fortbewegen, ohne andere Tiere zu verdrängen. Soziale Mindestabstände können nicht eingehalten werden und es kommt zu Drohungen und zu Hackschlägen. Die Kombinationen aus den Überzüchtungen und dem beschränkten Bewegungsraum durch die hohe Besatzdichte ist also ein wichtiger Grund für die hohen Verletzungsraten in der kommerziellen Putenmast. Folgeerkrankungen, Entzündungen und Geschwüre sind die fürchterlichen Folgen für die bedauernswerten Geschöpfe.

Die hohen Besatzungsdichten sind natürlich auch dafür verantwortlich zu machen, dass es in die Bestände gleich

richtig einschlägt, wenn eine Seuche grassiert, so wie im aktuellen, uns allen bekannten Fall der Vogelgrippe in einem Putenmastbetrieb mit 31.000 Tieren in Heinrichswalde. Und auch wenn es stimmt, dass Krankheiten sowohl Biohöfe als auch konventionell wirtschaftende Betriebe heimsuchen können, so lässt sich doch anhand des eigenen Antibiotikamonitorings hier im Land eindeutig feststellen, dass die Anwendung von Antibiotika in der konventionellen Haltung von Puten ein Vielfaches von dem beträgt,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, so ist das.)

was in der Biobranche zum Einsatz kommt.

(Thomas Krüger, SPD: Dafür wird es in der Biobranche aber länger gegeben.)

Wir haben es in der Begründung zu unserem Antrag bereits aufgeführt. Dazu muss man wissen, dass in Biobetrieben nur maximal 2.500 Tiere erlaubt sind, während in konventionellen Betrieben 30.000 und mehr Tiere eingestallt werden dürfen.

(Egbert Liskow, CDU: Auf welcher Fläche?)

Diese Unterschiede sprechen nicht nur in puncto Antibiotikaeinsatz für die ökologische Haltung, auch wenn es, wie gesagt, selbst in den Biobeständen Missstände gibt, die es dringend abzustellen gilt.

Wenn wir nun aber wissen, dass zu hohe Besatzdichten in der Putenmast den Tieren schaden, dann sollte man doch annehmen, dass etwas geändert wird. Jene Politiker/-innen, die keinen Handlungsbedarf sehen, verweisen einen gern auf die bundeseinheitlichen Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Jungmast- hühnern und Mastputen. Diese freiwillige Selbstverpflichtung wurde 1999 von den Geflügelhalterverbänden verabschiedet und 2013 aktualisiert.

(Egbert Liskow, CDU: Und ist das schlecht?)

Doch gestanden die Halter sowohl 1999 als auch 14 Jahre später im Jahr 2013 bis zu 5 Truthähnen nur einen einzigen Quadratmeter zu. Nicht ein Quadratzentimeter mehr ist hinzugekommen.

(Thomas Krüger, SPD: Hat der Schutzverband dem auch zugestimmt? – Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Puten müssen immer noch eng an eng liegen. Das ist eine Schande und zeigt auf, dass derartige Selbstverpflichtungen niemals durchgreifende gesetzliche Vorgaben ersetzen können.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Krüger, SPD: Ihr wollt alle zwingen. – Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)