Also muss ich in der Summe sagen, der Antrag „Strategieplan zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung vorlegen“ ist alles andere als rund und blendet die maßgeblichen Prozesse, die im Land stattfinden, aus. Ich bin der Meinung, so einfach kann sich die Opposition das Thema nicht machen, und deshalb lehnen wir den Antrag ab. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Strategieplan klingt natürlich so ein bisschen nach staatlichem Gesundheitssystem, als ob man Ärzte irgendwo stationieren könnte.
Aber es geht heute natürlich marktwirtschaftlich, das heißt, man muss um Ärzte konkurrieren. Ärzte, auch Allgemeinmediziner, sind zwar kein knappes Gut, es gibt
genug, sie sind nur ungleich verteilt über die Republik, aber sie sind ein begehrtes Gut und es gibt eine Menge Konkurrenten. Viele Ärzte beispielsweise wollen gar nicht praktizieren nach Abschluss ihres Studiums, sondern sie gehen gleich zu Verbänden, zu Pharmaverbänden der Industrie oder der Kassenärztlichen Vereinigung, zu Bürojobs oder in die Forschung, was ihre freie Entscheidung ist. Es dürfte unrealistisch sein, solche Leute dazu zu bringen, die da unterkommen, als Landärzte zu praktizieren, weil die da eben ein gutes Gehalt haben und auch auskömmliche und relativ angenehme Arbeitszeiten.
Es gibt auch diejenigen, die unbedingt selbstständig sein wollen. Die werden natürlich einen starken Drang haben, in die Metropolen nach Hamburg, nach Berlin zu gehen. Da gibt es viel mehr Privatpatienten, da haben sie ihre Kredite schneller abgezahlt und haben auch nicht so lange Wege bei Hausbesuchen. Wenn ich Arzt in Wandsbek bin, dann gibt es da genug Ärzte, die sich das teilen können, da gibt es genug Patienten, während ich hier 30 bis 40 Kilometer durch die Nacht fahren muss, wenn ich vielleicht einen Hausbesuch machen will im ländlichen Raum.
Was es gibt, das sind die Ärzte, die gar nicht selbstständig sein wollen, die aber trotzdem praktizieren wollen, und zwar in Krankenhäusern. Wenn ich solche Ärzte haben will, dann kann ich denen auch vorschlagen, dass sie statt in einem Krankenhaus in einem ländlichen Gesundheitszentrum arbeiten, wo vielleicht vier, fünf Ärzte sind, die hausärztliche Aufgaben erfüllen, die sich das aufteilen und die entsprechend den ländlichen Raum versorgen. Man kann ja auch und muss wohl wahrscheinlich auch von diesem alten Konzept des Hausarztes abgehen und kann so etwas etablieren. Aber da gerate ich in Konkurrenz etwa mit den Norwegern, die deutsche Krankenhausärzte systematisch abwerben, weil im Krankenhaus die Arbeitsbedingungen miserabel sind. Die Leute werden schlecht bezahlt, sie werden mörderischen Doppel- und Dreifachschichten unterworfen, sie werden ausgepresst bis zum Letzten.
(Heinz Müller, SPD: Na, dann machen Sie mal! Keine Ahnung von Nichts. – Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, das ist eine Rede, was Sie da halten?!)
und wenn das so ist und wenn sie in Konkurrenz etwa mit den Skandinaviern, besonders mit den Norwegern sind, dann müssen Sie den Ärzten eben ein besseres Angebot machen.
Dann müssen Sie ein besseres Angebot machen, ansonsten müssen Sie sie eben per Ukas dahin befehlen. Das geht wohl kaum. So.
Die Norweger bieten ihnen nicht nur höhere Gehälter, sie bieten ihnen vor allen Dingen bessere Arbeitsbedingungen. Das werden Sie ja wohl nicht bestreiten, dass die Arbeitsbedingungen für Krankenhausärzte knallhart sind, dass dort sehr viele Schichten geschoben werden müssen, dass die Leute ausgepowert sind bis zum Gehtnichtmehr, dass ein Familienleben verdammt schwierig ist. Und das bieten ihnen die Norweger. Da müssen Sie eben ein ähnlich gutes Angebot machen, dass die nicht nach Norwegen gehen.
Und wer bereit ist, sich das anzutun, in ein fremdes Land zu gehen, auch den Kindern zuzumuten, die fremde Sprache zu lernen, die nicht gerade einfach sein soll, der wäre auch bereit, in so ein Gesundheitszentrum in den ländlichen Raum zu gehen in Mecklenburg-Vorpommern, denn so schrecklich ist ländlicher Raum hier auch nicht. Wir sind ja nicht in Kanada, wo ich tausend Meilen entfernt bin vom nächsten Laden, sondern ländlicher Raum heißt hier in Vorpommern, ich bin in anderthalb Stunden in Berlin oder hier in Mecklenburg, ich bin in anderthalb Stunden in Lübeck oder in Hamburg. Das wäre also denkbar. Aber wie gesagt, das kostet Geld und das ist einfach zu machen. Sie analysieren einfach, was die Norweger bieten, und bieten mindestens genauso viel oder mehr, auch was die Arbeitsbedingungen betrifft. Anders geht es nicht, anders kriegen Sie die Leute hier nicht hin. Und Sie können sie natürlich dann auch dazu bringen, dass sie ihre Ausbildung auf Allgemeinmedizin umstellen, wenn sie schon von vornherein nicht wollen, dass sie eine selbstständige Praxis betreiben. Nur so gehts. Wenn Sie das nicht machen, haben Sie eben keine Ärzte, ganz einfach.
Und was natürlich gar nicht geht, ist die Ausplünderung fremder Gesundheitssysteme in personeller Art und dass man den armen Leuten in den armen Ländern die Ärzte wegnimmt,
die osteuropäischen Länder leer plündert, wo dann keine Ärzte mehr sind, und das als multikulturelle Großtat feiert.
Ja, Herr Schubert, seit 2008 dürfen Ärzte über das 65. Le- bensjahr hinaus weiterpraktizieren. Aber das kann ja wohl nicht die Lösung gegen den Fachkräftemangel sein, wenn man bedenkt, dass die Ausbildung zum Facharzt für All
gemeinmedizin in Deutschland durchschnittlich 14 Jahre dauert, aber mindestens 11 Jahre, vorausgesetzt der- oder diejenige schafft das alles in der Regelstudienzeit und in der Regelzeit für die Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin.
Und, Frau Gajek, nur weil sich die Enquetekommission ebenfalls mit dem Thema „Pflege und Gesundheit“ in der gesamten Breite beschäftigt, sind Sie irritiert? Heißt das, DIE LINKE darf keine gesundheitspolitischen Anträge mehr stellen?
(Stefan Köster, NPD: Nein. – Julian Barlen, SPD: Sie dürfen schon. – Peter Ritter, DIE LINKE: Müssen aber damit rechnen, dass sie gelegentlich abgelehnt werden.)
Was spricht eigentlich gegen unseren Antrag? Was spricht eigentlich gegen unseren Antrag, dass die Landesregierung einen Strategieplan vorlegt?
Und, Frau Gajek, Sie sehen einen unterschiedlichen Versorgungsschlüssel in Stadt und Land als Lösung?
Da bin ich aber irritiert, denn das würde bedeuten, dass sich die Versorgung im ländlichen Bereich weiter verschlechtern würde, und das kann aus meiner Sicht nicht die Lösung sein.
Natürlich können wir bei der Sicherung der hausärztlichen Versorgung die Bundesebene nicht ausblenden. Nur, die hier entwickelten Instrumente – wir haben schon viel von den Instrumenten gehört – zur Nachwuchsgewinnung auf dem Lande haben bisher weitgehend das Ziel verfehlt. Weder das GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom Dezember 2011 noch die geänderte Bedarfsplanung haben den Rückgang der Hausarztpraxen in ländlichen Regionen aufgehalten. Und hier habe ich eben gehört, dass das eigentlich die Lösung sein sollte. Appelle und Geld allein reichen offenbar nicht aus, um junge Mediziner für eine Weiterbildung zum Hausarzt und zur Niederlassung im stadtfernen Raum zu gewinnen.
Nach den Untersuchungen des Berliner Forschungsinstituts IGES, die dem Faktencheck „Gesundheit 2014“ der Bertelsmann Stiftung zugrunde liegen, wird die neue Bedarfsplanung die Situation kaum ändern. Bisherige Disproportionen wie das Stadt-Land-Gefälle oder die höhere Arztdichte in den westlichen Bundesländern bleiben erhalten. Man mag über solche Vergleiche unterschiedlicher Meinung sein. Ich halte sie für nützlich, um die eigene Position zu bestimmen. Deshalb hat mich verwundert, dass Mecklenburg-Vorpommern – aber eigentlich machen Sie ja schon alles – in dem erwähnten Faktencheck nicht vorkommt. Alle anderen Bundesländer haben der Bertelsmann Stiftung die geforderten Daten geliefert, nur Mecklenburg-Vorpommern nicht. Aber vielleicht erklärt uns das die Ministerin.
Zurzeit ist die Relation der Einwohnerzahl pro Hausarzt in unserem Bundesland noch relativ gut. Ich sage „relativ“, denn es handelt sich um Durchschnitte, aber auch das haben wir hier heute schon gehört. Bei uns teilen sich 1.326 Einwohner einen Hausarzt. Das sind 200 weniger als im Durchschnitt der Bundesländer und fast 350 weni
ger als nach der neuen Bedarfsplanung. In Zukunft droht jedoch der Mangel, wenn wir keine Lösung finden. Dabei stehen wir im Wettbewerb mit den anderen Bundes- ländern. Nach den Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung werden bis 2020 etwa 80 Prozent der Hausärzte altersbedingt ausscheiden, bundesweit. Das sind 48.000 Ärzte. Sie alle suchen einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin.
Für potenzielle Hausärzte könnte das das Paradies bedeuten. Sie können Bedingungen stellen. Dem müssen wir in Mecklenburg-Vorpommern Rechnung tragen. Wenn wir den Hausarztmangel verhindern wollen, brauchen wir schnelle wirksame Lösungen. Ich begrüße, dass sich die Mitglieder der Konzertierten Aktion Gesundheitswesen jetzt zu den Grundbedingungen für die künftige medizinische Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern verständigt haben und dass die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in unserem Land im Landkreis VorpommernGreifswald modellhaft entwickelt und erprobt werden soll. Ich frage allerdings, ob die Mitglieder der Konzertierten Aktion mit Vorpommern-Greifswald eine repräsentative Region gewählt haben. Die meisten Landkreise verfügen über kein Universitätsklinikum.
Haben wir für ein Modellvorhaben noch die Zeit? Die jetzt tätigen Ärzte gehen in fünf bis zehn Jahren in den Ruhestand. Ich frage auch, ob ein solches Modellprojekt notwendig ist. Bekanntlich hatten wir schon einige Projekte, auch in Vorpommern-Greifswald, und die notwendigen Daten müssten eigentlich vorliegen, zumindest bei der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen.
Angesichts des Problemdrucks schlägt meine Fraktion vor, dass die Landesregierung, gestützt auf die anderen Partner der Konzertierten Aktion, bis zum Juni 2015 einen Strategieplan für die Sicherung der hausärztlichen Versorgung im gesamten Land vorlegt.
Herr Schubert, hören Sie mir doch erst mal gut zu. Ich wollte jetzt gerade zu meinen Vorschlägen kommen.