Protokoll der Sitzung vom 14.11.2014

dass sich junge Menschen für dieses demokratische Verfassungssystem engagieren und dass man damit so früh wie möglich anfängt?

(Vincent Kokert, CDU: Wie machen Sie denn das, Herr Suhr?)

Das ist die zentrale Frage

(Vincent Kokert, CDU: Wie machen Sie denn das?)

und das unterscheidet uns.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Und deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, bin ich dankbar für den Antrag der LINKEN, den wir selbstverständlich unterstützen werden.

(Egbert Liskow, CDU: Wir haben nichts anderes erwartet.)

Ich habe die große Befürchtung, dass das nicht dazu führen wird, dass die Landesregierung sich auch nur an irgendeiner Stelle bewegen wird.

(Vincent Kokert, CDU: Nur Sie sind für Kinder, wir sind dagegen. Ist das nicht fürchterlich?)

Aber es ist deshalb richtig, das immer wieder öffentlich zu thematisieren. Wir werden diesem Antrag zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vincent Kokert, CDU: So einen Blödsinn zu erzählen!)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Tegtmeier von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Suhr, wenn ich dieses hier so gehört habe, oder auch Frau Bernhardt, dann muss ich eigentlich zu dem Schluss kommen, dass Sie in den letzten Jahren hier einfach viel verschlafen haben.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Vincent Kokert, CDU: Sehr gut, Frau Tegtmeier.)

Und Sie, Herr Suhr,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE – Vincent Kokert, CDU: Das Schnarchen hören wir heute noch.)

haben eben die Diskussion wieder hauptsächlich auf das Wahlalter 16 eingeengt, was in diesem Antrag selber ja auch eigentlich der größte Knackpunkt ist.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Ich denke mal, die vorherigen Redebeiträge haben die Sinnhaftigkeit und auch die Zustimmbarkeit dieses Antrags bereits ausgiebig entlarvt.

Sehr geehrte Damen und Herren, die am 20. Novem- ber 1989 in der Generalversammlung der Vereinten Na- tionen verabschiedete UN-Kinderrechtskonvention hat selbstverständlich auch nach 25 Jahren nichts von ihrer hohen Bedeutung gewonnen, nein, verloren, verloren natürlich. Den Schutz und die Förderung gerade der jüngsten Mitglieder unserer Gesellschaft völkerrechtlich zu fixieren, war ein außerordentlich wichtiger Schritt einer Entwicklung, die bereits im 19. Jahrhundert während der Industrialisierung mit politischen Initiativen zur Regulierung von Kinderarbeit ihren Anfang genommen hat und spätestens mit der Genfer Erklärung des Völkerbundes vor mittlerweile 95 Jahren auch die internationale Politik erreichte.

25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention sollte Anlass sein, sich vor Augen zu führen, dass die an und für sich erfolgreichste Konvention in der Geschichte der Vereinten Nationen – und das erwähnte Frau Friemann-Jennert – lediglich von zwei Staaten noch nicht unterzeichnet wurde, ratifiziert wurde.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und trotzdem kann sie immer noch nicht wirksam verhindern, dass weltweit knapp 200 Millionen Kinder und Jugendliche der Kinderarbeit nachgehen müssen. Auch das ist leider ein Fakt. Hauptursache für die Kinderarbeit ist heute wie vor hundert Jahren die Armut. Wenn wir Schokolade im Supermarkt kaufen, ist das Risiko groß, dass der Kakao unter Ausbeutung der Arbeitskraft von Kindern hergestellt wurde,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Gucken Sie sich erst mal die Situation in Mecklenburg- Vorpommern an, was Kinderarmut betrifft! – Heinz Müller, SPD: Also das finde ich ja nun wirklich heftig, Frau Bernhardt!)

und dies ist bei Weitem nicht der einzige Industriebereich, für den dies zutrifft.

(Egbert Liskow, CDU: Ein Skandal!)

Aber es ist genau der Bereich, in dem das Wortspiel, dass der süße Genuss der Ersten Welt oft den bitteren Beigeschmack der Dritten Welt trägt, sehr schön passt.

Und übrigens, bereits vor dem Ersten Weltkrieg schrieb die englische Kinderbuchautorin Edith Nesbit in der Geschichte „Billy der König“ folgende Worte, ich zitiere: „Eigentlich, sagte Billy der König zu Elisabeth, wollten sie uns ja dem Drachen vorwerfen, um ihr eigenes Leben zu retten.“

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Schwach, sehr schwach.)

„Das ist nicht gerade edel. Aber ich weiß wirklich nicht, ob es schlimmer ist als das, was die Leute bei uns machen: Arbeiter an Bleivergiftung sterben zu lassen, weil

sie Teller mit einem ganz bestimmten Glanz haben wollen, oder Leute an Phosphorvergiftung sterben zu lassen, damit sie sechs Schachteln Streichhölzer für einen Groschen kaufen können. Hier sind die Leute nicht wirklich schlechter dran als in England.“

Edith Nesbit, deren Arbeit bis heute Autoren wie Cornelia Funke oder J. K. Rowling beeinflusst hat, war ihrer Zeit weit voraus. Sie verdiente als Frau genug, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Sie prangerte soziale Missstände an, was ich äußerst bemerkenswert finde und was auch der Grund ist, warum sie ihren Weg in diese Rede fand. Nesbit prangerte soziale Missstände in Kinderbüchern an. Sie nahm ihre kleinen Leser nicht als unselbstständige Wesen wahr, sondern als Gleichberechtigte, denen man keine heile Welt vorgaukeln muss, sondern mit denen man auch ernste Themen besprechen kann. Sie setzte die UN-Kinderrechtskonvention quasi schon um, als noch nicht einmal die Vorgänger der heutigen Vereinten Nationen gegründet waren. Es ist also auch nicht alleinige Aufgabe einer Landesregierung, die UN-Kinderrechtskonvention mit Leben zu erfüllen, sondern das ist angelegt in der Gesamtgesellschaft.

Meine Damen und Herren, es mag aus heutiger Sicht paradox wirken, dass die ersten Initiativen zur Regulierung von Kinderarbeit einzig und allein aus dem Grund ergriffen wurden, dass für die Armeen nicht mehr ausreichend gesunde Rekruten zur Verfügung standen.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Das Wohl von Kindern spielte damals nur indirekt eine Rolle, weil es direkt die Gesundheit und die Leistungskraft der jungen Erwachsenen, des Kanonenfutters, beeinflusste. Diese Sichtweise ist sowohl in der gesellschaftlichen als auch in der politischen Diskussion in unserem Land Gott sei Dank überwunden. Politische Initiativen wie die UN-Kinderrechtskonvention haben ihren Beitrag hierzu geleistet. Diesen kleinen Rückblick gestatte ich mir sehr wohl, weil der Zusammenhang ja besteht und man ab und zu doch auch mal einen Blick zurückwerfen muss.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

In Mecklenburg-Vorpommern sind die Kinderrechte, das haben wir mehrfach gehört, seit 2006 in unserer Landesverfassung verankert. Und auch, wenn die Bemühungen bislang nicht von Erfolg gekrönt waren, den gemeinsamen Antrag von SPD, CDU und LINKE aus der 5. Legislaturperiode zur Aufnahme von Kinderrechten im Grundgesetz auf Bundesebene umzusetzen, so wird meine Fraktion dieses Ziel weiterhin verfolgen.

Ihnen ist wahrscheinlich nicht entgangen, dass gerade diese Woche im Bundestag wieder ein Antrag vorliegt, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen. Die GRÜNEN haben den eingebracht. Ich glaube, ein paar Unterstützer von den LINKEN haben sie dabei auch gefunden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Auch von der SPD?)

Es ist natürlich nicht erstaunlich, dass sich viele Textpassagen hier im Antrag der LINKEN fast wortgleich wiederfinden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Gibt es dafür auch Unterstützer von der SPD?)

Ich möchte darauf hinweisen, ohne noch mal die letzten Legislaturperioden, wie das Frau Friemann-Jennert schon gemacht hat, vor diesem Hohen Haus Revue passieren zu lassen: Auch im Regierungsprogramm der SPD stand die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz drin. Den Eingang in die Koalitionsvereinbarung hat sie leider nicht gefunden.

(Patrick Dahlemann, SPD: Es ist noch nicht aller Tage Abend.)

Ich sage, schade, schade, schade! Ich hätte es mir wirklich gewünscht, und ich denke, es wäre auch Zeit.

Wir wissen natürlich auch, als das damals auf Bundesebene Anfang der 90er-Jahre ernsthaft untersucht wurde, da hat das Bundesverfassungsgericht Stellung genommen und, und, und – und ist ja selber zu der Überzeugung gekommen, dass die Kinderrechte ausreichend geschützt seien, weil die existenziell vorhanden wären mit den gesetzlichen Regelungen. Gleichwohl finde ich, dass sie sehr wohl auch in unserem Grundgesetz ihren Niederschlag hätten finden können.

Aber – ich hatte es vorhin schon mal angedeutet – der Antrag, der uns hier vorliegt, zum einen finde ich den wieder etwas unter der Gürtellinie mit den ganzen Vorwürfen,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

die darin rumschwappen: Es ist nichts gemacht, es ist nichts gemacht. Also das hatte ich ja vorhin schon gesagt, da muss man ganz schön viel versäumt haben.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Wo lesen Sie das denn immer, Frau Tegtmeier?! Sie müssen immer andere Anträge vorliegen haben.)