Protokoll der Sitzung vom 14.11.2014

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Ich zitiere: „Kinder und Jugendliche sind Träger von Rechten, deren Ausgestaltung die Persönlichkeit fördert und ihren wachsenden Fähigkeiten und Bedürfnissen zu selbstständigem Handeln entspricht. Land, Gemeinden und Kreise fördern die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an der Gesellschaft.“ Zitatende. So heißt es in Artikel 14 Absatz 4 der Landesverfassung, deren Jubiläum wir in dieser Woche gefeiert haben.

Meine Damen und Herren, außer Mecklenburg-Vorpom- mern haben noch neun weitere Bundesländer Kinderrechte in ihrer Landesverfassung verankert. Der Bund hat dieses bisher nicht getan, darauf sind Sie schon eingegangen. Allerdings gibt es seit 2011 die bewusste Entschließung des Bundesrates, der auf Initiative mehrerer Länder, darunter auch Mecklenburg-Vorpommern, die Bundesregierung auffordert, Grundrechte von Kindern in die Verfassung aufzunehmen. Auf diese Umsetzung werden auch wir mit der Landesregierung weiterhin drängen. So hat sich auch die Jugend- und Familienministerkonferenz im Mai mit einem einstimmigen Beschluss dafür ausgesprochen, die Kinderrechte auf Schutz, Förderung und Beteiligung zu stärken.

Ich kann Ihnen versichern, unser Land ist auf einem guten Weg. Die Forderung Albert Einsteins erfüllen zu können, liegt wohl noch in sehr, sehr ferner Zukunft. Ihr Antrag aber, werte Fraktion DIE LINKE, hat sich schon heute erübrigt. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat nun die Abgeordnete Frau Friemann-Jennert von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die UN-Kinderechts- konvention gilt mittlerweile in 193 Staaten weltweit. Lediglich zwei Nationen haben sie nicht ratifiziert, und zwar Somalia und die Vereinigten Staaten von Amerika. Damit sind die Rechte von über zwei Milliarden Kindern nahezu weltweit festgeschrieben.

Meine Damen und Herren, mit der Ratifizierung haben sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, die Rechte der besonders Schutzbedürftigen unserer Gesellschaft in ihrem Wirkungsbereich sicherzustellen und zu stärken. Die UNKinderrechtskonvention verpflichtet also die Nationalstaaten, auf die Umsetzung der Kinderrechte hinzuwirken. Gesetze, Verordnungen sowie sonstige Regelungen und Abläufe mussten und müssen deshalb angepasst werden.

Die UN-Kinderrechtskonvention wurde am 20. Novem- ber 1989 in New York von der Vollversammlung verabschiedet. Nach der Ratifizierung durch den Bundesrat und der Hinterlegung der Urkunde bei den Vereinten Nationen gilt die UN-Kinderrechtskonvention seit 1992 auch in Deutschland, wenn auch zunächst nur unter Vorbehalt in Bezug auf ausländerrechtliche Belange. Dieser damals erklärte Vorbehalt wurde im Juli 2010 gegenüber den Vereinten Nationen zurückgenommen. Seitdem gilt die Kinderrechtskonvention in Deutschland uneingeschränkt für alle Kinder.

Meine Damen und Herren, seit der Ratifizierung der Kinderrechtskonvention wurden die Rechte der Kinder in Deutschland in vielfältiger Weise gestärkt und ausgebaut, sowohl im rechtlichen als auch im sozialen Bereich. Der Beispiele gibt es sehr viele. So wurde der Jugendschutz mehrfach an vielen Stellen verbessert, zum Beispiel durch besondere Vorschriften zum Schutz junger Menschen in der Arbeitswelt. Ich möchte hier auch daran erinnern, dass Kinder, deren Eltern nicht verheiratet sind, mittlerweile dieselben Rechte haben wie Mädchen und Jungen verheirateter Eltern. Es wurden die Straftatbestände zum sexuellen Missbrauch von Kindern mehrfach überarbeitet und verschärft, 2004 und 2008. Aktuell ist ein Gesetzentwurf über die stärkere strafrechtliche Verfolgung von Kinderpornografie und dem Handeln mit Nacktbildern in der Diskussion. Erst heute Morgen war im Radio zu hören, dass das in Berlin gerade diskutiert wird.

Mit dem Bundeskinderschutzgesetz aus 2012 wurden zahlreiche Gesetze geändert, um das Kindeswohl und deren körperliche und geistige sowie seelische Entwicklung zu fördern. Hier wurden vor allem die Sozialgesetzbücher geändert, um die Teilhabe aller Kinder am Sozialsicherungssystem klarzustellen.

Meine Damen und Herren, die von mir eben genannten Beispiele sind allesamt Bundesregelungen. Das liegt daran, dass die UN-Kinderrechtskonvention die Nationalstaaten in die Pflicht nimmt, und das bedeutet nicht, Frau Bernhardt, dass die Länder die Kinderrechte ignorieren.

Meine Damen und Herren, in der Landesverfassung von Mecklenburg-Vorpommern sind seit nun acht Jahren,

genauer gesagt, seit dem Jahr 2006 Kinderrechte in Artikel 14 gesondert enthalten. Die Achtung der Kinderrechte hat also schon eine wesentliche Bedeutung in unserer Landespolitik. So gab es aus unserem Land bereits zwei Bundesratsinitiativen, Kinderrechte auf Bundesebene im Grundgesetz zu verankern. Hierzu gab es einen entsprechenden Landtagsbeschluss in der letzten Legislaturperiode

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

auf Initiative von CDU, SPD und LINKE, Frau Bernhardt. Eine Umsetzung auf Bundesebene war allerdings nicht möglich. Dazu gibt es ja auch eine entsprechende Stellungnahme. Ein zweiter Versuch einer Bundesratsinitiative der Länder Mecklenburg-Vorpommern und NordrheinWestfalen fand im Mai 2013 bereits im Bundesrat keine Mehrheit. Sie sehen also, die Landesregierung berücksichtigt den Landtagsbeschluss der letzten Legislaturperiode und hat auch in dieser Legislaturperiode versucht, Änderungen herbeizuführen. Also brauchen wir eigentlich Ihren erneuten Antrag nicht.

Meine Damen und Herren, was den Antrag im Einzelnen betrifft, so haben sich auch die weiteren Punkte erledigt. Zum Wahlalter haben wir uns hier im Landtag bereits ausgiebig unterhalten. Ihre weite Auslegung von Artikel 12 der Kinderrechtskonvention, meine Damen und Herren von den LINKEN, wird selbst vom zuständigen UNFachausschuss nicht mitgetragen, noch nicht einmal in dessen aktuellem Bericht vom Januar 2014 überhaupt erwähnt. In diesem Bericht hat der UN-Ausschuss die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in Deutschland geprüft. Die Umsetzung wurde sogar im Wesentlichen gelobt und an der einen oder anderen Stelle Nachbesserungen, ich zitiere, „empfohlen“.

Wenn Sie nun meinen, es bestehe in Deutschland bezüglich der Kinderrechte ein strukturelles Umsetzungsdefizit, dann möchte ich auf eine weitere Neuerung hinweisen. Am 28.02.2013 ratifizierte Deutschland als weltweit dritter Staat das sogenannte 3. Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes. Mit diesem Protokoll haben Kinder in Deutschland ein Instrument in der Hand, mit dem sie selbst ihre Rechte durchsetzen können.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

War die Kinderrechtskonvention vorher lediglich nur eine Verpflichtung der Nationalstaaten, stellt die Kinderrechtskonvention für die Kinder nun einklagbare Individualrechte dar. Deutschland hat sich intensiv für die Einführung dieses Verfahrens eingesetzt und war einer der Hauptunterstützer bei dessen Durchsetzung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den LINKEN, wenn Sie nun erhebliche Defizite bei der Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland ausgemacht haben wollen oder sie nicht auf der Agenda der Bundesregierung stehen sehen oder von Fällen von Kindesrechtsverletzungen Kenntnis haben, dann möchte ich Sie ermutigen, von dem Individualbeschwerderechtsverfahren Gebrauch zu machen. Nutzen Sie das von der Bundesregierung eingeführte Verfahren, dafür ist es ja da, auch vielleicht für Ihre Kinder. Es sollte genutzt werden, wenn und soweit es notwendig ist. Bis dahin fordere ich Sie aber auf, nicht immer nur alles schlechtzureden, sondern auch ausdrücklich anzuerkennen, dass

wir in Deutschland mit das weltweit höchste Schutz- niveau nicht nur für unsere Kinder, sondern für alle Menschen haben,

(Andreas Butzki, SPD: Weil wir das beliebteste Land auf der Erde sind.)

denn das sollten wir nicht vergessen: Kinder sind in erster Linie Mensch und nicht Objekte von Stimmungsmache und Oppositionspolitik.

(Beifall Vincent Kokert, CDU: Bravo!)

Und was für Sie, Frau Bernhardt, das muss ich wirklich sagen, einen Hohn wert ist, nämlich die Arbeit von Kinderschutzbund und vielen im Jugendbereich tätigen Institutionen und Ehrenamtlern,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das habe ich nicht gesagt, Frau Friemann-Jennert.)

will ich an dieser Stelle zurückweisen.

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Das habe ich niemals behauptet.)

Ich tue das Gegenteil,

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Helmut Holter, DIE LINKE: Unmöglich!)

ich lobe an dieser Stelle ausdrücklich alle die Tätigen auf diesem Gebiet. Die CDU wird den Antrag deshalb ablehnen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Vincent Kokert, CDU: Tosender Beifall! – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Herr Suhr von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

(Ingulf Donig, SPD: Maika, du hast es auf den Punkt gebracht.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Es ist schon interessant, Frau Friemann-Jennert, wie Sie versuchen, ein eigentlich, finde ich, sehr selbstverständliches Thema in Bausch und Bogen zu reden, so nach dem Motto, die Opposition darf das hier noch nicht einmal thematisieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Im Kern geht es darum: Was haben Sie getan? Da ist nichts vorzuweisen! Aber deutlich geworden,

(Unruhe vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Vincent Kokert, CDU: Das ist eine Standardrede. Tatsächlich, das kennen wir alles schon.)

aber deutlich geworden ist bei dem, was der Innenminister – fast hätte ich gesagt, Frau Schwesig – vorgetragen hat,

(Zurufe von Maika Friemann-Jennert, CDU, und Egbert Liskow, CDU)

wo groß hier vorgetragen wurde in Richtung der LINKEN, Sie fordern nur, woran wir längst arbeiten, ohne auch nur ein Wort, einen Satz darüber zu verlieren, woran Sie denn tatsächlich praktisch arbeiten,

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Holter, DIE LINKE: Genau. Luftblasen!)

da kam überhaupt nichts vonseiten der Regierung.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Ich finde das schon interessant, wenn ich nur mal einen Rückblick auf den vorgestrigen Tag werfen darf – ich habe das mehreren gesagt und bin da unverdächtig, glaube ich, falsches Lob auszusprechen –, wo Rainer Prachtl eine sehr beeindruckende Rede gehalten hat und wo er sich insbesondere auf die Artikel 11 bis 19 unserer Landesverfassung bezogen hat. Ein Kern dieser Rede war, dass Herr Prachtl darauf aufmerksam gemacht und gesagt hat, auch in diesem Landtag, auch in diesem Land, auch in dieser Landesregierung geht es darum, diese Verfassung und die Staatsziele, die in den Artikeln 11 bis 19 gefasst worden sind, tatsächlich mit Leben zu füllen. Mit Leben zu füllen,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Ja.)

das ist der zentrale Punkt.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Da geht es nicht darum, wo schreibe ich irgendwas rein, sondern wie setze ich das um, was ich auch in der Landesverfassung gefasst habe.