Protokoll der Sitzung vom 14.11.2014

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 82. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratung vereinbarungsgemäß fort.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich unserer Präsidentin Sylvia Bretschneider ganz herzlich zu ihrem heutigen Geburtstag gratulieren und von hier aus die besten Genesungswünsche senden.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – 25 Jahre UN-Kinder- rechtskonvention – Kinderrechte umsetzen, Drucksa- che 6/3426.

Antrag der Fraktion DIE LINKE 25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention – Kinderrechte umsetzen – Drucksache 6/3426 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Bernhardt von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Kinder haben Rechte. Diese wurden am 20. November 1989 in der UN-Kinderrechtskonvention mit der Verabschiedung durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen umfassend festgeschrieben. Das war historisch neu und ist auch heute noch im Bewusstsein vieler Erwachsener nicht fest verankert. Kinder und Jugendliche werden auch heute oft noch als Objekte, statt als Subjekte wahrgenommen. Dies hängt sicherlich auch mit dem überlieferten Bild vom Kind zusammen: Über Jahrtausende hinweg galten Kinder als noch nicht vollwertige Menschen. Zum Glück sind wir da heute weiter.

Mit der UN-Kinderrechtskonvention wurde ein Menschenrechtsvertrag von historischer Bedeutung geschaffen, welcher die Rechte des Kindes umfassend kodifiziert. Auch Deutschland unterschrieb 1992 trotz weiterer Proteste die UN-Kinderrechtskonvention, jedoch nur unter ausländerrechtlichen Vorbehalten, nach denen das deutsche Ausländerrecht Vorrang vor Verpflichtungen der Konvention hatte. Im Juli 2010 erfolgte dann die Rücknahme der Vorbehaltserklärung von Deutschland. Ab diesem Zeitpunkt gilt die Kinderechtskonvention uneingeschränkt für alle Kinder in Deutschland. Doch wie stellen sich die Umsetzung und die Beachtung der Konvention nach 25 Jahren ihres Bestehens in Deutschland und konkret in Mecklenburg-Vorpommern dar?

Damit Kinder und Jugendliche ihre Rechte wahrnehmen können, ist es wichtig, dass sie sie überhaupt kennen beziehungsweise kennen können. Das ist aus meiner Sicht der erste Punkt, wo die Landesregierung tätig werden muss.

Ich hatte zu diesem Thema eine Kleine Anfrage gestellt. Diese finden Sie unter der Drucksachennummer 6/3210.

In der ersten Frage ist nach der Bekanntmachung der UN-Kinderrechtskonvention gefragt. Nach dem Verweis auf die Verantwortung der Bundesregierung in diesem Bereich folgen allgemeine Floskeln, wie zum Beispiel, dass sich die in der UN-Kinderrechtskonvention verbrieften Rechte in verschiedenen bundes- und landesgesetzlichen Regelungen wiederfänden. Der Inhalt der in den Gesetzlichkeiten verbrieften Rechte sei regelmäßig Bestandteil von Aus-, Fort- und Weiterbildungen. Diese Antwort geht aus meiner Sicht an der Frage vorbei und belegt nur, wie wenig sensibel mit dem Thema der Bekanntmachung der UN-Kinderrechtskonvention umgegangen wird.

Ja, für die Bundesregierung ist die UN-Kinderrechts- konvention verpflichtend, aber auch die Bundesländer sind gefragt. Ich sehe bei Ihnen immer nur ein Abschieben der Verantwortlichkeiten. Wenn die Landesregierung das „Kinderland M-V“ endlich als Prinzip ihres Handelns anerkennen würde, würde sie anders mit diesem Thema umgehen,

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

so, wie es beispielsweise Rheinland-Pfalz tut. Dort wird dieser Anspruch gelebt. So veröffentlicht die Landesregierung auf ihren Ministeriumsseiten die Textfassung der UN-Kinderrechtskonvention.

Wieso gehen so einfache und wenig kostenintensive Maßnahmen, wodurch Kinder und Jugendliche ihre Rechte kennenlernen würden, nicht auch in Mecklenburg-Vorpommern? Weil Sie einfach nicht den Willen dazu haben beziehungsweise die UN-Kinderrechtskon- vention für Sie so nebensächlich sein muss, dass Sie noch nicht einmal so eine kleine Maßnahme ergreifen, wie zum Beispiel die UN-Kinderrechtskonvention auf den Ministeriumsseiten darzustellen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Aber auf der LPK darüber reden! – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Weitaus mehr Kraft würde es kosten, wenn man wie in Rheinland-Pfalz eine Woche der Kinderrechte einführen würde, wo konkrete Maßnahmen seitens des Landes unterstützt werden und so zur Bekanntmachung der UNKinderrechtskonvention beigetragen wird. Für mich ist Rheinland-Pfalz ein Beleg, dass, wenn die Landesregierung der UN-Kinderrechtskonvention wirklich den ihr zustehenden Stellenwert einräumen will, dies auch möglich ist, ohne sich auf den Bund zurückzuziehen. Wenn ich diesen Willen bei der Landesregierung erkennen würde, dann wären wir wirklich auf dem Weg, irgendwann mal „Kinderland M-V“ zu werden. Solange das nicht geschieht, ist es für mich jedes Mal ein Hohn, wenn Sie den Titel „Kinderland M-V“ verwenden.

Zeigen Sie endlich mal den Willen und handeln Sie nach Ihrem eigenen Anspruch, „Kinderland MecklenburgVorpommern“ zu sein, indem Sie den ersten Schritt tun, wie es unser Antrag im Punkt I anspricht, die UNKinderrechtskonvention als Verpflichtung Ihres eigenen Handelns anzuerkennen und sie in Ihrem Wirkungsbereich bekanntzumachen.

Aber ich sehe auch einen Wandel. Immerhin ist es gelungen, dass das Thema auf der Landespressekonferenz am nächsten Dienstag behandelt wird.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Da kann ja keiner widersprechen.)

Ja. Vielleicht können Sie heute auch mal zu dem Thema ausführen, wie sich die Landesregierung in ihrem Einflussbereich – ich denke da etwa an die Konferenz der Ministerinnen und Minister, der Senatorinnen und Senatoren für Jugend und Familie der Länder – einsetzt, um wirklich Handlungsbedarfe bei der Umsetzung und Verwirklichung der UN-Kinderrechtskonvention auch auf der Bundesebene darzustellen.

In diesem Rahmen möchte ich natürlich auch einmal positiv hervorheben, dass auf Antrag der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern auf der Tagesordnung des Bundesrates am 8. Juli 2011 „Kinderrechte im Grundgesetz verankern“ gefordert wurde. Nur, die damalige Bundesregierung hat am 19. Juli 2012 mitgeteilt, dass eine Grundgesetzänderung aus ihrer Sicht nicht erforderlich sei. Nicht nur, dass es damals möglich war, dass die Landesregierung diesen Antrag auf Antrag aller demokratischen Fraktionen hier im Landtag gestellt hat, sowohl von SPD, CDU und LINKE, wo ich denke, dass wir damals schon weiter waren, gemeinsam zu handeln. Nein, wir haben auch seit 2013 eine neue Bundesregierung mit einer Bundesministerin Manuela Schwesig, die die Verankerung der Kinderrechte stets als wichtig erachtet hat und sich auch hier im Landtag immer für die Verankerung ausgesprochen hat.

(Patrick Dahlemann, SPD: Vielen Dank für die Blumen.)

Nun ist es Zeit, Worten Taten folgen zu lassen. Insofern kann ich die Landesregierung nur auffordern, diese Initiative noch einmal zu ergreifen. Die entsprechende Aufforderung finden Sie in unserem Antrag.

Damit jedoch die Landesregierung auf den Wirkungsebenen auf Handlungsprobleme bei der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention aufmerksam machen könnte, wäre es diesbezüglich erst einmal notwendig, dass der Landesregierung die Lage der Kinder und Jugendlichen bekannt ist, um Handlungsbedarfe bei der Einhaltung der Mindeststandards der UN-Kinderrechtskonvention überhaupt zu kennen. Leider ist Mecklenburg-Vorpommern auch hier kein Vorzeigebeispiel. Als ich beispielsweise Anfang des Jahres Fragen nach der Kinderarmut an die Landesregierung gestellt habe, verwies sie nur darauf, dass sie die Daten nicht kenne. Und nicht nur das: Der Landesregierung bereitet es zu viel Verwaltungsaufwand, sich mit der Lage der Kinder und Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern auseinanderzusetzen.

(Heinz Müller, SPD: Ah, ah, ah!)

In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals da- ran erinnern, dass im Rahmen der Haushaltsberatun- gen 2012/2013 Paragraf 15 KJHG-Org M-V abgeschafft wurde, wo die Verpflichtung der Landesregierung gegenüber dem Landtag enthalten war, einmal in der Legislaturperiode ein ressortübergreifendes und partizipativ gestaltetes Kinder- und Jugendprogramm des Landes vorzulegen, und wo aufgrund von Bestandsaufnahmen pragmatische Vorstellungen zur Weiterentwicklung der Jugendhilfeinstrumente enthalten sein sollten. Damals wurde uns noch von Frau Ministerin Schwesig versprochen, über die Situation mündlich im Rahmen des Sozialausschusses zu berichten. Seit damals ist viel Zeit ins

Land gegangen und nichts ist passiert. Sie sehen, ich bin noch nicht einmal bei der Umsetzung der Kinderrechte in Mecklenburg-Vorpommern angekommen und es machen sich verschiedene Forderungen bezüglich Punkt I gegenüber der Landesregierung auf:

Erstens. Kinder müssen ihre Rechte kennen können. Nutzen Sie deshalb Ihre Möglichkeiten, um die Rechte weiter bekannt zu machen! Anregungen habe ich geliefert.

Zweitens. Setzen Sie sich mit der Situation der Kinder und Jugendlichen ernsthafter auseinander, damit Sie deren Lebenslage im Sinn der UN-Kinderrechtskon- vention verbessern können!

Drittens. Ergreifen Sie erneut die Initiative, auf Bundesebene Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern! Vielleicht, auch an die Koalitionsfraktionen gerichtet, könnten wir ähnlich wie in der 5. Legislaturperiode gemeinsam agieren.

Viertens. Lassen Sie uns gemeinsam die Rechte von Kindern und Jugendlichen stärken im Sinn von „Kinder haben Rechte!“.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Inneres und Sport in Vertretung für die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales. Bitte, Herr Minister.

(Vincent Kokert, CDU: Ei, jei, jei! Guten Morgen, Frau Ministerin!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Sie geben mir hier regelmäßig die Möglichkeit, die großen Anliegen der Landesregierung zu präsentieren.

(Heiterkeit und Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Schließlich wissen Sie, verehrte Damen und Herren der LINKEN, ganz genau...

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da muss er selber lachen.)

Tja, die Frau Präsidentin hat darauf aufmerksam gemacht, dass ich in Vertretung meiner Kollegin Schwesig spreche,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und insofern –

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hallo! – Zuruf aus dem Plenum: Man muss noch Ziele haben.)

ja, Sie haben mich ganz durcheinander gebracht heute früh mit den vielen Namen –, also in Vertretung meiner Kollegin Hesse.

Schließlich wissen Sie, sehr verehrte Damen und Herren der LINKEN, ganz genau, dass die Landesregierung an die hohen Güter „Kindeswohl“ und „Kinderschutz“ nicht erinnert werden müsste. Sie wissen auch, dass Ihr Antrag eigentlich nur das fordert, woran wir ohnehin arbeiten.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Jetzt fehlt nur noch: „Das liegt mir am Herzen.“)

Albert Einstein hat einmal gesagt: „Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“ In dieser Aussage schwingt natürlich eine ganze Menge Pathos mit, aber sie macht deutlich, an wem unsere Zukunft hängt, nämlich an denen, für die wir jetzt und heute Verantwortung tragen. Die UN-Kinderrechtskonvention ist die ausführliche Version dieses Ausspruchs. Sie ist eine Art Lebensversicherung für uns alle und seit 25 Jahren nun Standard für politisches Handeln rund um den Globus. Artikel 3 des „Übereinkommens über die Rechte des Kindes“, so der eigentliche Titel, erklärt das Kindeswohl für vorrangig in allen Belangen, von denen Kinder in irgendeiner Form berührt sind, und das ist praktisch in allen gesellschaftlichen Bereichen der Fall.

In Mecklenburg-Vorpommern sind Kinderrechte seit 2006 Teil der Landesverfassung.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)