Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

Das war der Anlass für uns, dieses noch mal hier auf die Tagesordnung zu bringen. Sie schnabbeln von morgens bis abends, Sie reden um den heißen Brei herum,

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

aber wenn es darum geht, die Infrastruktur im Lande zu erhalten,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

dann kommt von Ihnen nichts.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD)

Und wir sind dafür da.

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Sie machen bitte, bitte, liebe Bundesregierung, unterstütze uns da. Fordern Sie doch endlich mal! Sie müssen da wesentlich klarere Worte treffen!

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Stefanie Drese, SPD: Stampfen Sie doch mit dem Fuß! – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Sie müssen auch mal darstellen, dass Ihre SPDGenossen auf Bundesebene die Länder am langen Arm verhungern lassen.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD)

Und das haben wir hier mit dieser Aussprache noch mal deutlich gemacht.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Die SPD steht für Infrastrukturabbau,

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

die NPD für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf, meine Kolleginnen und Kollegen, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 20: Das ist die Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Warnschussarrest hinterfragen.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Warnschussarrest hinterfragen – Drucksache 6/3497 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor fast zwei Jahren wurde in Deutschland der Warnschussarrest für jugendliche Straftäter eingeführt. Er sieht vor, dass neben einer Bewährungsstrafe auch ein Arrest von maximal vier Wochen verhängt werden kann. Es ist kein Geheimnis, dass sich meine Fraktion zur Einführung dieses neuen Instrumentes ablehnend verhalten hat – aber nicht nur wir, wenn man sich die Bundestagsdebatte und das Abstimmungsergebnis bei der Einführung genau ansieht. Die SPDBundestagesfraktion stimmte gegen die Einführung des Warnschussarrestes. Ob, und in welchem Maße sich das neue Instrument bewährt hat, steht im Mittelpunkt unseres Antrages.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich etwas zum Warnschussarrest selbst sagen: Das Jugendgerichtsgesetz sieht sogenannte Zuchtmittel im Strafrecht vor. Bei den Zuchtmitteln gibt es Verwarnungen, Auflagen und auch den Jugendarrest. Jugendstrafen sind Freiheitsentziehungen, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden können. Beim Warnschussarrest kombiniert man beides und verhängt neben der zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe noch einen Jugendarrest. So weit, so gut. Sieht man genauer hin, könnte man zu der Erkenntnis kommen, dass der Gesetzgeber der Meinung war, dass offenbar die Bewährungsstrafen nicht die gewünschten Erfolge bringen, sonst würde man ja nicht einen Jugendarrest damit kombinieren.

Es bestand also die Hoffnung, dass die jugendlichen Straftäter die Konsequenzen ihres Handelns ernster nehmen und somit nicht wieder rückfällig werden. Andererseits gibt es beim Jugendarrest statistisch eine Rückfallquote von bis zu 70 Prozent. Das ist kein gutes Zeugnis. Oder anders ausgedrückt: Auch der Jugendarrest hat sich deutlich als ineffizient erwiesen. Der Gedanke hinter dem Warnschussarrest ist scheinbar der, dass man zwei schlechte Sachen kombinieren möchte, um eine gute Sache zu erhalten. Werte Kolleginnen und Kollegen, das funktioniert so aber nicht.

Was ist die Idee hinter dem Warnschussarrest? Aus Sicht des Gesetzgebers wohl folgende: Man will jugendlichen Straftätern das Unrecht und die Konsequenzen eines Fehlverhaltens nachdrücklich verdeutlichen, weil – so die Auffassung – Betroffene eine bloße Bewährungsstrafe einfach als Freispruch empfinden. Der Arrest soll den jugendlichen Straftäter wachrütteln und ihm die Konsequenzen seines Handelns vor Augen führen. Außerdem

soll er aus seinem schädlichen Umfeld herausgenommen und durch die Betreuer im Strafvollzug erzogen werden.

Nun ja, Kriminologen zweifeln daran und stellen sogar die These auf, dass der Warnschussarrest sich schädlich auf die Entwicklung der Jugendlichen auswirke. Auch in den entsprechenden Bundestagesdebatten wurde darauf hingewiesen. Ich zitiere den SPD-Bundestagsabgeord- neten Burkhard Lischka, der in der Bundestagsdebatte dazu sagte: „Wer Jugendliche für ein paar Wochen mit Kriminellen zusammensperrt, produziert keine rechtschaffenen Bürger, sondern fördert nur kriminelle Karrieren.“ Zitatende. Oder anders ausgedrückt: Was sie noch nicht können, lernen sie dort.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Was könnten also die tatsächlichen Gründe für den Warnschussarrest sein? Da fallen mir eigentlich nur zwei Sachen ein:

Erstens die populistische Forderung nach härteren Strafen – sehr populär in gewissen Kreisen. Es wird aber immer eins vergessen: Im Jugendstrafrecht geht es nicht um die Härte einer Strafe, sondern die Wirksamkeit einer Sanktion. Den Nachweis der Wirksamkeit ist der Warnschussarrest bisher jedoch schuldig geblieben.

Zweitens ist es überall eine Geldfrage. Wie in allen Bundesländern ist die Jugendkriminalität auch in unserem Land deutlich gesunken. Das ist einer der wenigen positiven Effekte des demografischen Wandels. Wir haben immer weniger Jugendliche im Land – weniger Jugendliche bedeutet eben auch: weniger Jugendstraftaten. Das macht sich auch deutlich an der Auslastung unserer Jugendstrafanstalt in Neustrelitz bemerkbar. Man hat dort freie Kapazitäten, die man besser nutzen könnte.

Und nun ist die Frage: Was macht man mit Jugendlichen, die eine Bewährungsstrafe erhalten und wo diese nicht ausreichend erscheint? Nimmt man Geld in die Hand für effektive Mittel wie Täter-Opfer-Ausgleich, Trainingskurse oder Antiaggressionskurse oder nutzt man einfach freie Kapazitäten in Neustrelitz?

Kostengünstiger, aber ungleich ineffizienter ist die zweite Variante. Offenbar gibt man dieser den Vorzug. Notwendig ist es nicht. Es gibt die verschiedensten Sanktionsmöglichkeiten von gemeinnütziger Arbeit über Geldauflagen bis hin zu Kontaktverboten, alles auch nach Belieben kombinierbar, zur Not auch mit Jugendarrest. Die vorhandenen Möglichkeiten sind fast unendlich. Fruchtet das alles nicht, kommt es letztlich zu einer Jugendstrafe. Wozu also der Warnschussarrest? Der Sinn erschließt sich nicht.

Kommen wir aber nun zum Kern unseres Antrages, der Evaluation des Warnschussarrestes. Schaut man sich die bundesweiten Vollstreckungen des Warnschussarrestes an, nehmen sich diese mit nur 416 Fällen für das erste Jahr doch eher bescheiden aus. In MecklenburgVorpommern waren es bis Mai 2014 nur 26 Vollstreckungsaufträge.

Warum ist das so? Offenbar sind die Richter in der Praxis von diesem Instrument doch nicht so richtig überzeugt. Ja, der Pressesprecher des Richterbundes MecklenburgVorpommern, Dirk Simon, hat sich vor einigen Tagen dazu anders geäußert. Er sagt, dass er die Regelung

zum Warnschussarrest begrüße. Andere Richtervereinigungen sehen das anders. Nicht umsonst ist der Warnschussarrest in Bremen noch gar nicht eingesetzt worden.

Überhaupt muss man fragen, warum man etwas gutheißt und dann trotzdem nicht einsetzt. Pressesprecher Simon meinte dazu, dass der Warnschussarrest keinen Sinn mehr macht, wenn die Jugendlichen bereits im Vollzug waren. Das ist natürlich richtig. Dafür war der Warnschussarrest auch nie gedacht. Weiterhin sagt Herr Simon, dass der kurzzeitige Arrest besser sei, als Ersttäter gleich einzusperren. Auch das ist natürlich richtig. Allerdings erweckt das den Eindruck, der Warnschussarrest sei als Alternative für die Jugendstrafe ohne Bewährung geschaffen worden. Das ist falsch. Er soll neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe verhängt werden. Damit ist er lediglich die Alternative zu Weisungen und Auflagen, nicht zum Vollzug. Ich denke, das muss hier klargestellt werden.

Auch Bayern ist als Vorreiter in Sachen Warnschussarrest mit 92 Vollstreckungen nicht gerade übereifrig. Das liegt auch daran, dass der Warnschussarrest schon in der Theorie nur dann Sinn machen würde, wenn die Jugendlichen wirklich intensiv betreut werden würden. In Bayern gibt es dazu ein Konzept, wonach hierfür die Bereitstellung zusätzlichen Personals erforderlich wäre. Das wollte man dann doch nicht bereitstellen. Am Ende frage ich mich, wo denn da der Unterschied zum normalen Strafvollzug ist.

Ihnen wird sicher auch aufgefallen sein, dass wir mit diesem Antrag lediglich eine Evaluierung des Warnschussarrestes fordern. Im Sommer hatte ich eine Kleine Anfrage gestellt, in der ich wissen wollte, wie oft der Warnschussarrest bereits verhängt wurde und wie es denn um die Rückfallquote bestellt ist – nachzulesen auf Drucksache 6/3013. Zur bescheidenen Anzahl verhängter Warnschussarreste habe ich eben schon etwas gesagt. Auf die Frage nach der Rückfallquote gab man mir die Antwort, dass diese nicht statistisch erfasst werde.

Ja, meine Damen und Herren, dann wird es doch endlich Zeit dafür. Der Warnschussarrest wurde eingeführt, um Jugendliche von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, als Abschreckung. Er soll also das Rückfallrisiko senken. Dann ist es doch auch sinnvoll, zu gucken, wie hoch denn die Rückfallquote beim Warnschussarrest ist. Da wird ein Gesetz geändert und die Freiheitsentziehung erleichtert mit der haltlosen Behauptung, die Rückfallquote werde verringert, und wenn man nach einem Jahr nachfragt, wie sehr sich das verringert hat, sagt man uns, das habe man sich gar nicht angeguckt.

Meine Damen und Herren, wenn man strafrechtliche Verschärfungen vornimmt, um ein konkretes Ziel zu erreichen, ist es mehr als sinnvoll und gerechtfertigt, dass man diese Verschärfung auch auf ihre Wirksamkeit hin prüft. Ich bin auf die Gründe gespannt, warum man das nicht tut. Der enorme Verwaltungsaufwand wird es ja nicht sein. Es sollte doch möglich sein festzustellen, ob 26 Jugendliche erneut straffällig geworden sind.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich denke, in Anbetracht der Bedeutung von Freiheitsstrafen, eines effektiven Jugendstrafrechtes und der Entwicklung unserer Jugendlichen sind wir es uns schuldig, den Warnschussarrest einmal zu hinterfragen. Wir sollten alles

dazu tun, dass wir gemeinsam Handlungsstrategien erarbeiten und hinterfragen, ob der Warnschussarrest zur Reduzierung der Jugendkriminalität geeignet ist oder nicht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Justizministerin Frau Kuder.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also ich muss schon sagen, ich finde Ihren Antrag – ich sage es mal höflich – bemerkenswert.

(Heinz Müller, SPD: Das ist richtig.)