Protokoll der Sitzung vom 12.12.2014

(Julian Barlen, SPD: Das ändert nichts daran, dass es keinen Regelungsbedarf gibt. Darauf zielt aber Ihr Antrag.)

und diese Lücke muss geschlossen werden. Das Mutterschaftsgesetz ist in dieser Form unvollständig,

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

ganz egal, ob danach Krankengeld bezahlt würde oder nicht. Aus der Praxis ist mir nicht bekannt, dass sich die Krankenkassen melden und sagen, wir wollen unbedingt Krankengeld zahlen.

(Julian Barlen, SPD: Dass Ihnen das nicht bekannt ist, darüber sollten Sie sich als Anwalt mal Gedanken machen.)

Weil ich mit Mandanten rede und weil ich mit Leuten rede, die davon betroffen sind, und weil ich nicht in irgendeinem Raumschiff lebe wie Sie.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Sie mögen sich ja irgendwie bei ihren Mitarbeitern erkundigt

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

und auf irgendwelchen Internetseiten gesurft haben,

(Stefan Köster, NPD: Typischer Geisterfahrer. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

ohne Ihre Wohnung jemals verlassen zu haben. Ich verlasse meine Wohnung hin und wieder mal.

(Julian Barlen, SPD: Landtagssitzung! Ja, offensichtlich. – Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Diese Lücke besteht. Es gibt Frauen, die dann gar nichts kriegen und die tatsächlich

(Heinz Müller, SPD: 38 Semester Jura und anderen dann Vorträge halten wollen.)

ohne Bezahlung sind,

(allgemeine Unruhe – Zurufe von Stefan Köster, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

ohne irgendeine Leistung. Es gibt übrigens auch noch mehr Lücken,

(Heinz Müller, SPD: Er hat auch noch zwölf Semester gebraucht, um den Hörsaal zu finden.)

zu Ihrer Information.

(Glocke der Vizepräsidentin)

Was auch passieren kann: Mir ist ein Fall bekannt, in dem ein Bürger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beantragt hat. Dann kam das Hartz-IV-Amt und hat gesagt, Sie sagen ja selber, Sie sind erwerbsunfähig, also kriegen Sie kein Hartz IV mehr, denn wir sind nicht für Leute zuständig, die erwerbsunfähig sind. Dann hat das Sozialamt gesagt, Sie kriegen aber auch bei uns kein Sozialgeld, weil es ja noch nicht bewiesen ist, dass Sie erwerbsunfähig sind. Die Rentenversicherung hat gesagt, wir brauchen aber noch Zeit. Dann hat er gar nichts gekriegt, gar nichts, weil alle es hin und her schoben, weil die Rechtslage hier eben auch unklar ist.

Solche Fälle können dann in der Tat zu solchen Tragödien, Beinahe-Tragödien wie in Greifswald führen, wo sich ein sogenannter Kunde des Jobcenters mit Benzin übergossen hat und von einer sehr tapferen Mitarbeiterin mit Mühe und Not davon abgehalten werden konnte, sich anzuzünden – weil es eben nicht so ist, wie Sie hier erzählen, nachdem Sie mal kurz ins Internet gesehen haben, dass es keine Regelungslücken gäbe.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

Die gibt es sehr wohl und die übertragen sich auch auf Zahlungslücken in der Realität und führen dann zur existenziellen Gefährdung. Unser Antrag würde dazu führen, dass zumindest die Regelungslücke geschlossen wird und es den Ämtern schwerer fällt, sich für unzuständig zu erklären.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/3508. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 6/3508 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei Zustimmung der Fraktion der NPD abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 28: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Grundsätze fairer Praktika auch in Mecklenburg-Vorpommern umsetzen, Drucksache 6/3499.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Grundsätze fairer Praktika auch in Mecklenburg-Vorpommern umsetzen – Drucksache 6/3499 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Foerster.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Land zahlt Praktikanten keinen Cent“, so lauteten die wenig schmeichelhaften

Schlagzeilen, die Anfang Oktober in mehreren regionalen Zeitungen des Landes zu lesen waren. Was war passiert? Eine Kleine Anfrage der Piraten im Landtag von Schleswig-Holstein hatte zutage gefördert, dass Hunderte Praktikantinnen und Praktikanten, die dort in den Ministerien und Landesbehörden gearbeitet haben, monatelang ohne Bezahlung beschäftigt wurden. Dieses Thema aufnehmend erfragten Journalisten die Situation hierzulande, wo es keineswegs besser läuft.

Die Kieler Landesregierung schreibt auf Ihrer Homepage, dass Schleswig-Holstein mithilfe von modernen Arbeitsplätzen und den Vorteilen der Arbeit im öffentlichen Dienst junge Leute als Fachkräfte von morgen gewinnen will, schließlich werde man künftig in einem härteren Wettbewerb um die junge Generation stehen. Dies dürfte ohne Weiteres auch hierzulande zutreffen. In beiden Ländern haben Praktikanten von den postulierten Vorteilen bislang jedoch wenig gespürt.

Ich selbst habe das Thema seit August 2012 immer wieder aufgerufen, und eine Anfrage des Kollegen Saalfeld hat jüngst ans Licht gebracht, dass allein im vergangenen Jahr 1.260 Praktikanten in Ministerien und Landesverwaltung beschäftigt wurden. Lediglich drei von ihnen erhielten eine monatliche Vergütung aus der Landeskasse, die zwischen 200 und 350 Euro lag. Fünf weitere erhielten je 255 Euro pro Monat, allerdings gesponsert von der Commerzbank.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Die durchschnittliche Dauer der nicht bezahlten Praktika lag bei 4,3 Wochen, wobei die Gesamtlänge zwischen 1 bis 2 Wochen bei Schülerpraktika und bis zu 4 Wochen bei den sonstigen Praktika variierte.

Beim Vergleich der Zahlen für Pflicht- und freiwillige Praktika fällt auf, dass Pflichtpraktika mit 1.020 Fällen im vergangenen Jahr eindeutig dominierten. In der Mehrzahl kommen also Schülerinnen und Schüler, Azubis und Studenten zum Einsatz, die ein Praktikum als Teil ihres Lehrausbildungs- oder Studienplans absolvieren, und seltener solche, die sich zur beruflichen Orientierung, zum Sammeln erster oder weiterer praktischer Erfahrungen selbst um ein Praktikum bemühen.

Schülerpraktika dienen unzweifelhaft einer ersten Orientierung. Deshalb steht die tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung nicht im Vordergrund. Folglich müssen wir auch nicht darüber streiten, ob solche Praktika nun entlohnt werden sollen oder nicht. Im Ihnen vorliegenden Antrag haben wir deshalb entsprechende Differenzierungen vorgenommen und sagen, eine Entschädigung soll dann gezahlt werden, wenn Praktika nicht weniger als vier Wochen dauern und nicht bereits auf einem anderem Weg eine Entlohnung erfolgt. Damit sind dann sowohl die Schülerpraktika ausgeschlossen, genauso wie die Fälle, wo jemand im Rahmen einer Berufsausbildung oder seines dualen Studiums bereits eine Ausbildungsvergütung erhält.

Es ist auch bekanntlich nicht das erste Mal, dass der Landtag sich mit der Frage von Praktika befasst. Im Juni 2013 ging es hier um sogenannte Scheinpraktika, also darum, dass fertig ausgebildete junge Leute – die sogenannte „Generation Praktikum“ – am Start ihres Berufslebens keinen Arbeitsvertrag bekommen, sondern sich stattdessen von Praktikum zu Praktikum hangeln.

Ab Januar 2015 soll diese Gruppe nun endlich den Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro bekommen. Im Übrigen sind die Regelungen dazu allerdings löchrig wie ein Schweizer Käse. Aufgrund der vom Gesetzgeber definierten Ausnahmen sind zum Beispiel alle Praktikanten ausgeschlossen, die ein Pflichtpraktikum während der Ausbildung oder des Studiums absolvieren. Ferner fallen alle freiwilligen Praktika, die begleitend zum Studium oder zur Ausbildung absolviert werden, nicht unter den Geltungsbereich des Gesetzes, sofern sie eine Frist von drei Monaten unterschreiten. Gleiches gilt auch für alle freiwilligen Praktika von bis zu drei Monaten, die zur Orientierung bei der Berufs- oder Studienwahl dienen. Anspruch auf den Mindestlohn haben dagegen Praktikanten, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein abgeschlossenes Studium verfügen oder die bereits einmal beim selben Arbeitgeber ein Praktikum absolviert haben.

Bei diesem Wirrwarr darf man jetzt schon gespannt sein,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wirrwarr, das trifft es.)

ob und wie die Durchsetzung der gesetzlichen Regelungen überhaupt sichergestellt werden kann. Vermutlich werden auch so einige Praktikanten die Mindestlohnhotlines vom Bundesarbeitsministerium oder des DGB anrufen beziehungsweise alternativ einen Fachanwalt für Arbeitsrecht konsultieren müssen, um sich beraten zu lassen. Und natürlich gibt es schon jetzt dubiose Angebote im Netz, die auf eine Umgehung der Mindestlohnnormen bei Praktika abzielen.

Problematisch ist aus meiner Sicht auch, dass nur die Praktikanten einen Anspruch auf schriftliche Niederlegung der Vertragsbedingungen haben, die unter den Geltungsbereich des gesetzlichen Mindestlohnes fallen. Nur bei ihnen müssen spätestens vor Beginn des Praktikums die Vertragsbedingungen zwingend unterschrieben ausgehändigt werden. Es ist also mitnichten so, dass der Bundesgesetzgeber hier nun alles geklärt hätte und sich keinerlei Handlungsbedarf oder Handlungsspielraum mehr für die Landespolitik ergibt.

Daher schlagen wir Ihnen mit dem heutigen Antrag vor, dass sich der Einsatz von Praktikanten in den Ministerien und den nachgeordneten Landesbehörden in den umrissenen Grenzen künftig an den Grundsätzen für ein faires Praktikum der DGB-Jugend orientieren soll. Diese zielen zum Beispiel darauf ab, dass Praktika möglichst ausgeschrieben werden. Praktikanten sollen während ihres Einsatzes von einer geeigneten Person betreut werden. Ihre Arbeit soll an einem geeigneten Arbeitsplatz erfolgen. Die vertraglichen Bedingungen sollen grundsätzlich festgehalten und am Ende des Einsatzes soll ein wohlwollendes Zeugnis ausgestellt werden. Zudem sollen Praktika angemessen vergütet und praktikumsbezogene Aufwendungen wie Fahrtkosten erstattet werden.

Was die Frage der fairen Vergütung für Praktika angeht, schlägt die DGB-Jugend vor, sich am BAföG-Höchstsatz zu orientieren. Dieser liegt aktuell je nach Ausbildungsstätte und Unterbringung, also noch bei den Eltern wohnend oder nicht, zwischen 216 und 670 Euro. Ja, da sagen wir auch, diese Forderung ist sehr ambitioniert und sei einem Jugendverband der Gewerkschaften auch zugestanden. Wir sind da etwas zurückhaltender und schlagen vor, in einem ersten Schritt jenen, die kein

Schülerpraktikum absolvieren, die keine Ausbildungsvergütung erhalten und die nicht unter den Geltungsbereich des gesetzlichen Mindestlohnes fallen, 300 Euro Praktikumsentschädigung zu zahlen. Deswegen steht im Antragstext auch, dass wir uns anlehnen wollen oder orientieren wollen an den Grundsätzen fairer Praktika. Auch dieser Wert, 300 Euro, ist nicht willkürlich gegriffen, sondern orientiert sich an der vom Bundesinnenministerium im November 2011 auf den Weg gebrachten, aktuell gültigen Praktikumsrichtlinie des Bundes, und er wird auch der Wirtschaft in den Fällen anempfohlen, wo der Mindestlohn nicht greift.

Eine Landesrichtlinie sollte dann allerdings die Schlupflöcher schließen, die auf Bundesebene immer wieder dazu geführt haben, dass sich Ministerien schlicht an der Zahlung der Praktikumsentschädigung vorbeimogeln, denn die Entschädigung dort ist nur für freiwillige Praktika verpflichtend, während sie für Pflichtpraktika, die in Studienordnungen geregelt sind, eine Kannbestimmung darstellt. Da mittlerweile aber viele Bachelor- und Masterstudienordnungen ein Praktikum vorsehen und da es den Studenten dabei so gut wie immer selbst überlassen ist, wo sie ein solches absolvieren, ist diese Unterscheidung höchst fragwürdig. Sie hat in Berlin auch dazu geführt, dass vermeintlich besonders pfiffige Ministerien einfach gar keine freiwilligen Praktika mehr angeboten haben – ein Effekt, den wir hierzulande natürlich nicht provozieren sollten.