Protokoll der Sitzung vom 12.12.2014

wenn im Einzelfall die Sicherheit der Betroffenen im Herkunftsland

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ausnutzen, das, was möglich ist.)

nicht gegeben ist.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Immer schön ausreden lassen, Frau Kollegin!)

Wenn aber nach Abschluss eines Asylverfahrens keine Zweifel bestehen, dass eine Rückführung in sichere Verhältnisse möglich ist, oder andere Umstände vorliegen, die eine Abschiebung ermöglichen, muss diese auch durchsetzbar sein. Wir sind uns sicher, dass Recht und Gesetz in der Flüchtlings- und Asylpolitik in unserem Land verantwortungsbewusst umgesetzt werden.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wir gehen ganz fest davon aus, dass trotz hoher Belastung an keiner Stelle die Menschlichkeit verlorengeht. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr gut. – Vincent Kokert, CDU: Das haben Sie sehr gut auf den Punkt gebracht, im Vergleich zu anderen.)

Vielen Dank, Frau Kaselitz.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Al-Sabty für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Frau Kaselitz, ich bedanke mich für Ihren Beitrag. Es hat alles gestimmt, was Sie gesagt haben, aber mit dem Thema hat es wirklich wenig zu tun.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Paragraf 60a des Aufenthaltsgesetzes hat mit seinen Punkten alles geregelt,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

das heißt auch das Verbot von Abschiebung – in Klammern: Duldung. Hätten sich unser Innenminister oder der Bundesinnenminister an diese Punkte gehalten, dann hätten wir auch einen Winterabschiebestopp. Das kann ich nicht verstehen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: An die Botschaft.)

Zu Ihrem Punkt über Herrn Kretschmann: Da bin ich gespannt, was meine Kollegin Frau Gajek nachher redet.

(Vincent Kokert, CDU: Ja, nichts!)

Es geht um alle Menschen, die aus den Balkanstaaten kommen, und dass diese Balkanstaaten als sichere Staaten eingestuft werden, ist ein blanker Fehler. Das darf man nicht machen.

(Stefan Köster, NPD: Das muss man machen.)

Sie alle wissen, dass die Menschen, die aus diesen Staaten kommen, Diskriminierungen und sozialen Benachteiligungen ausgesetzt sind.

(Zurufe von Michael Andrejewski, NPD, und Tino Müller, NPD)

Ich komme zu meiner Rede. Von seinem Inhalt her hätte der vorliegende Antrag heute eigentlich als erster Punkt auf die Tagesordnung gesetzt werden müssen, aber ich bedanke mich bei Ihnen, liebe Herren von der Koalition, dass Sie sich vorgestern Zeit genommen haben und dass nach langen Beratungsgesprächen und langer Auszeit der Dringlichkeit zugestimmt wurde. Dafür danke ich Ihnen. Und da ich ein optimistischer Mensch bin, hoffe ich heute, dass der Antrag mit großer Mehrheit verabschiedet wird. Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, gerade vor Weihnachten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Meine Fraktion stimmt dem vorliegenden Antrag zu. Nach Angaben des Flüchtlingsrates in MecklenburgVorpommern würde eine entsprechende Aussetzung der Abschiebungen einige Hunderte Ausreisepflichtige in Mecklenburg-Vorpommern betreffen. Die Antwort auf eine gemeinsame Kleine Anfrage, die ich mit meinen geschätzten Kolleginnen Barbara Borchardt und Jacqueline Bernhardt am 24. Oktober mit der Drucksachennummer 6/3315 gestellt habe, war: In der ersten Jahreshälfte wurden 128 Personen zur Abschiebung und Rückübernahme angemeldet. 2013 waren es 272, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Menschen kommen aus Serbien, Herzegowina, Mazedonien und den restlichen Balkanstaaten.

Sehr verehrte Damen und Herren, die Initiative für einen Winterabschiebestopp ging bekanntermaßen von Schleswig-Holstein aus. Dafür gebührt unserem Nachbar- und Partnerbundesland Schleswig-Holstein Respekt. Eine der ersten Maßnahmen der rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen unter Bodo Ramelow war, sich dieser Initiative anzuschließen.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

Dafür bin ich persönlich dankbar und hoffe, dass dieser Beschluss Schule in allen anderen Bundesländern macht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

14 Bundesländer, darunter Mecklenburg-Vorpommern, setzen ihre Abschiebepraxis auch in den kalten Wintermonaten fort. Dies ergab eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes. Ich will auf die Einzelinitiativen in den einzelnen Bundesländern nicht eingehen und sie nicht aufzählen. Es ergibt sich ein verwirrtes und kompli

ziertes Bild. Bei diesem Thema geht es aber nicht um parteipolitische Farbenlehre, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es geht um Menschen, es geht um Humanität.

Auf den mutigen Schritt des Landes Schleswig-Holstein folgte eine scharfe Antwort, ein Brandbrief von unserem Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Eine Kopie liegt sicher auch bei Herrn Caffier. Genau deshalb bedarf es des heutigen Antrages. Und genau deshalb habe ich vorgestern in einer Presseerklärung unseren Innenminister angesprochen. Ich habe ihn aufgefordert, im Rahmen der Innenministerkonferenz in Köln eine Position diesbezüglich zu beziehen.

Sehr verehrte Damen und Herren, ich bin kein Jurist. Nach meinem Verständnis kann auch ein Bundesinnenminister den Paragrafen 60a des Aufenthaltsgesetzes nicht außer Kraft setzen. Und wenn es auf dem Sondertreffen Mitte Oktober in Berlin eine Verabredung gab, Ermessenspielräume konsequent auszuschöpfen, um abzuschieben, dann ist der vorliegende Antrag wichtiger denn je.

Wenn es um Humanität geht, dann sollte sich die Politik nicht hinter der Verwaltung verstecken. Wenn es um Menschen geht, dann sollten wir nicht auf Ermessensspielräume vertrauen. Der Landtag sollte die Verantwortung übernehmen. Darauf zielt der vorliegende Antrag.

Eine abschließende Bemerkung: Dies ist heute die vorletzte Abstimmung des Landtages vor Weihnachten. „Winterabschiebestopp“ passt wirklich nicht zur Weihnachtszeit, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort ist ein technokratisches Wort. Vielleicht passen eher „Wintermärchen“ oder „Wintertraum“. Wir haben vor wenigen Wochen der Maueröffnung vor 25 Jahren gedacht. Begonnen hatte dies nicht zuletzt mit der Flucht vieler deutscher Mitbürgerinnen und Mitbürger in ausländische Botschaften.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Politische Flüchtlinge.)

Jeder hat die Worte des damaligen Außenministers Hans-Dietrich Genscher in den Ohren und die Bilder vor Augen: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise...“ – der Rest ging in einem Freudenjubel unter. Warum sage ich Ihnen das, liebe Kolleginnen und Kollegen? Eine solche Botschaft würde uns heute guttun, denn es geht um ausländische Menschen, die in Not sind, und es geht um Humanität. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Al-Sabty.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ringguth für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ – so steht es in Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes. „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ – das sind ganze vier Worte. Zusammen mit Artikel 1 der Genfer Flüchtlingskonvention ist das aber die Grundlage für das Asylrecht in Deutschland.

„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ – in diesen vier Worten steckt das Recht auf Schutz vor Gefahr und Verfolgung, das Recht auf einen Zufluchtsort, das Recht auf eine Unterkunft, auf ein Obdach. „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ – in diesen vier Worten steckt viel mehr. Es stecken auch die Mahnung und die Verantwortung dahinter, denn Deutschland hat diesen Satz in sein Grundgesetz geschrieben, weil im Dritten Reich Zigtausend Menschen in Deutschland politisch verfolgt und ermordet wurden. Damit hat sich Deutschland und damit haben sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes ganz klar dazu bekannt, dass jeder einzelne Mensch, der politisch verfolgt wird, einen absoluten Anspruch auf Schutz hat.

(Michael Andrejewski, NPD: Aber nicht die, die das vortäuschen.)

Deswegen wird auch in Deutschland ganz genau geprüft, ob dem Asylsuchenden ein solcher grundgesetzlich zugesicherter Anspruch auf Schutz zusteht. Deutsche Behörden prüfen, ob ein Asylbewerber in seinem Heimatland tatsächlich unter politischer Verfolgung leiden musste. Die Behörde muss ihre Entscheidung im Übrigen in jedem Einzelfall schriftlich begründen und nur, wenn es keine Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung gibt, hat der Asylsuchende auch keinen unmittelbaren Schutz- anspruch.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in der jetzigen Situation, wo die Not und die Verfolgung in einigen Ländern so groß sind, wo es um Vergewaltigung, Mord und Genozid geht und wo die Fratze des Krieges sozusagen bei jeder abendlichen Nachrichtensendung zu uns nach Hause in die Wohnzimmer kommt,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

da müssen wir doch die Hilfe auf die wirklich Schutzbedürftigen konzentrieren.

Bereits Mitte Oktober – das hat meine Kollegin Kaselitz schon gesagt – haben sich die Innenminister der Länder in Berlin getroffen und eine entsprechende Vereinbarung miteinander getroffen, die vorsieht, dass bestehende Ausreisepflichten konsequent umgesetzt werden müssen. Alle Innenminister – das waren alle, übrigens auch die aus den Landesregierungen mit GRÜNEN-Beteiligung – waren sich bei diesem Sondertreffen einig, dass bestehende Ausreisepflichten durchzusetzen sind, natürlich – und das will ich noch mal genauso klar sagen, wie es meine Kollegin Kaselitz getan hat – immer mit Ausnahme von allen Härtefällen,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

damit wirklich Schutzberechtigte schnell ihren Aufenthaltsstatus in Deutschland bekommen können,

(Michael Andrejewski, NPD: Jeder ist ein Härtefall.)