Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

(Stefan Köster, NPD: Das entscheiden Sie?!)

Es geht immerhin, …

(Udo Pastörs, NPD: Das entscheiden nicht Sie! Das entscheiden wir, was wir sagen!)

Herr Pastörs, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.

(Udo Pastörs, NPD: Das können Sie machen.)

… es geht hier immerhin darum, dass Menschen ihr Leben verloren haben, ermordet wurden vom NSU,

(Stefan Köster, NPD: Vielleicht vom Verfassungsschutz und seinen Mitarbeitern!)

vom NSU.

(Heinz Müller, SPD: He, das kann doch wohl nicht wahr sein! – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und es ist nicht angemessen, das lächerlich zu machen und hier ins Lächerliche zu ziehen.

(Stefan Köster, NPD: Ist schon ein Urteil gesprochen worden? Ist ein Urteil gesprochen worden?)

Es geht hier nicht darum,

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

und ich habe auch keine Lust, Herr Köster, mich mit Ihnen in einen Dialog darüber zu begeben. Es geht um Ihr Verhalten, und das ist nicht angemessen in dem Hohen Hause.

(Stefan Köster, NPD: Und das entscheiden Sie?! – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Das entscheide ich und ich erteile Ihnen jetzt einen Ordnungsruf dafür.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Julian Barlen für die Fraktion der SPD.

(Udo Pastörs, NPD: Der Storch kommt.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Innenminister Caffier, zunächst möchte ich mich selbstverständlich seitens der SPD-Landtagsfraktion für die Unterrichtung bedanken. Der Innenminister erfüllt damit natürlich einerseits den Auftrag des Landtages aus dem Entschließungsantrag aller demokratischen Fraktionen von Ende 2013, andererseits bietet ein solcher schriftlicher Bericht, und darum geht es uns jetzt im Folgenden ja, viel besser die Möglichkeit, die landesspezifische Relevanz der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsaus- schusses und die bisher eingeleiteten Reformmaßnahmen im Bereich der Polizei, im Bereich der Justiz, im Bereich des Verfassungsschutzes hier im Landtag deutlich strukturierter zu beraten und zu diskutieren.

Und ich gehe, meine Damen und Herren, auch das möchte ich vorwegsagen, ganz im Sinne unserer Vereinbarung davon aus, dass von nun an und weiterhin eine sehr offene und eine sehr partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium und dem Landtag die Regel sein wird. Das beinhaltet natürlich auch die Bereitschaft des Innenministers, von sich aus und auch weiterhin ohne Aufforderung zum Beispiel im Innenausschuss zu berichten. Das wird in der Unterrichtung, also im vorliegenden Bericht ja auch noch mal explizit hervorgehoben.

Meine Damen und Herren, ich darf noch mal in Erinnerung rufen: Die Tatsache, dass es den deutschen Sicherheits- und Ermittlungsbehörden über Jahre nicht gelungen ist, die rechtsterroristische Mord- und Überfallserie des sogenannten NSU früher zu erkennen und zu stoppen, hat zehn Menschen das Leben gekostet und insbesondere bei den Angehörigen und Opfern das Vertrauen in unseren Rechtsstaat zerstört. Bei allen Maßnahmen, über die wir im Folgenden und dann natürlich auch im Ausschuss sprechen werden, geht es daher darum, die Sicherheits- und Ermittlungsbehörden dergestalt zu reformieren, dass sich diese beispiellose Serie in Deutschland nicht wiederholen kann, und zwar, überall zu reformieren und in den Blick zu nehmen, auch dort, wo gegebenenfalls keine NSU-Straftaten stattgefunden haben, und ganz besonders natürlich dort, wo es NSUMorde und wo es andere Straftaten, wie beispielsweise Banküberfälle, gab – also auch hier bei uns in Mecklenburg-Vorpommern.

Und über allen konkreten und zahlreichen Einzelmaßnahmen – der Bericht geht darauf in Teilen ein, der Innenminister hat dazu soeben gesprochen –, also über allen konkreten und zahlreichen Einzelmaßnahmen im gesetzlichen und im untergesetzlichen Bereich steht – und darüber waren wir uns ja in vorangegangenen Debatten hier im Landtag auch im Großen und Ganzen erfreulich einig – ein fortlaufender Mentalitätswandel im Bereich der Polizei, der Justiz und des Verfassungsschutzes.

Es geht also im Kern um die Haltung zum Vorhanden- sein rechtsextremer und rassistischer Kriminalität und Gewalt in unserer deutschen Gesellschaft und es geht um die unnachgiebige gemeinsame Bekämpfung derselben.

(Heinz Müller, SPD: Genau so.)

Das ist Kern aller Analysen und Maßnahmen, über die wir mit Blick auf den Bericht heute und in Zukunft sprechen. Deshalb erlaube ich mir zu Beginn meiner Ausführungen einen ganz grundsätzlichen Hinweis, den ich für wesentlich halte, auch mit Blick auf die Ausführungen von Herrn Innenminister Caffier. Ich bin der Meinung, da passen Form und Inhalt nicht ganz zusammen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Wenn wir den Bericht, den das Innenministerium vorgelegt hat, einmal aufschlagen und auf Seite 4 schauen, dort findet sich in der Unterrichtung der Punkt 2: „Stand des Reformprozesses“. Dort wird die Motivationslage dargelegt, warum wir uns mit der Frage beschäftigen, wie wir die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundes umsetzen wollen. Mein Eindruck ist, dort bricht es ein klein wenig aus den Verfassern heraus. Aus dem 1.400 Seiten starken Bericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Bundestag werden zur Herleitung der Motivation für alle Reformen in diesem Bereich in Mecklenburg-Vorpommern ausgerechnet und vor allen Dingen einzig und allein die beiden schmalen Absätze zur –

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

ich zitiere jetzt aus der Unterrichtung – „Grundlage des Reformprozesses“ erklärt, also die beiden Absätze, die feststellen, dass keine Behörde am NSU beteiligt war, ihn unterstützte oder billigte,

(Heiterkeit und Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und zusätzlich eine Passage, „dass vor dem 4. November 2011“ keine „Behörde Kenntnis“ vom NSU hatte oder geholfen hätte, dass das Terrortrio sich der Strafverfolgung entziehen konnte.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Meine Damen und Herren, es tut mir wirklich leid, ausgerechnet diese beiden Textstellen zur Grundlage der Analyse und Verbesserung der Arbeit der Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden zu machen, ist in meinen Augen wohl der lebendigste Beweis dafür, dass ein Mentalitätswandel dringend erforderlich ist.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte mir gewünscht, dass bei der Herleitung der sachlichen Motivlage für den Bericht vor allem auf den massiven Schaden durch den NSU für unsere Gesellschaft und für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung abgestellt wird.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Bedarf es dieses Hinweises? Das verstehe ich nicht.)

Und ich hätte mir gewünscht, dass man sich vor diesem Hintergrund in diesem Absatz …

Ich sage ja, Form und Inhalt passen nicht zusammen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir reden über die Unterrichtung der Landesregierung und die habe ich in Textform ausgewertet.

Ich hätte mir gewünscht, dass man sich vor diesem Hintergrund zur Notwendigkeit einer selbstkritischen Überprüfung der Funktionsfähigkeit unserer Sicherheitsbehörden bekennt, und nicht vor dem Hintergrund, dass keiner was wusste und keiner beteiligt war. Das ist die logische Ausgangsvoraussetzung.

Die Gefahren des Rechtsextremismus – und das sagt der Untersuchungsausschuss des Bundes –, die Gefahren des Rechtsextremismus wurden auf allen Ebenen und über die gesamte Zeit hinweg verkannt und verharmlost. Es gab strukturelle rassistische Vorurteile als wesentliche Ursache für die fehlende Offenheit in der Ermittlung. Abschottung, Konkurrenzdenken und fehlende Eigeninitiative haben die länderübergreifenden Ermittlungen oftmals behindert. V-Leute wurden schlecht ausgewählt und zusätzlich unprofessionell geführt.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Diese Erkenntnisse – da waren wir auch schon mal weiter, schon vor dem Bericht, da waren wir weiter, deshalb bitte ich auch, da nicht so ungläubig zu gucken –, diese Erkenntnisse sind doch die treibende Kraft für alle Reformen. Darum geht es, und dieser Geist – tut mir leid – entströmt der Unterrichtung viel zu wenig, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr richtig.)

Ich möchte der folgenden umfänglichen Befassung auch in den Ausschüssen nicht komplett vorgreifen – das ist auch nicht möglich bei der Vielzahl an Ein- zelmaßnahmen –, gleichwohl erlaube ich mir einige ausgewählte Bemerkungen zu den Ausführungen der Unterrichtung in den Bereichen Polizei, Justiz und Verfassungsschutz.

Im Bereich der Polizei enthält der Bericht – das muss ich ganz klar an dieser Stelle sagen – sehr viele, sehr richtige Ansätze, sehr viele richtige Ansätze bei der besseren Datenabfrage, bei der Evaluation der Ermittlungsansätze, bei den Cold-Case-Units, bei der regelmäßigen Überprüfung der offenen Haftbefehle, bei der Überprüfung von Altfällen, beim angesprochenen polizeilichen Informations- und Analyseverbund bis hin zum Zugang zu Angeboten des Opferschutzes und vieles mehr.

Meine Damen und Herren, beim Opferschutz überzeugt mich übrigens der einschränkende Hinweis auf die Unübersichtlichkeit bei der Vielzahl an Angeboten nicht. Die beschriebene Herausforderung für die Landespolizei, Opfer von rechtsextremer und fremdenfeindlicher Gewalt an eine geeignete Einrichtung zu vermitteln, existiert meines Erachtens nur scheinbar. Da müssen wir uns, auch wenn es darum geht, wie wir diese Maßnahmen anschließend operationalisieren, einfach vor Augen halten: Je besser Polizei und Opferberatung in den Kommunen kooperieren, desto weniger Probleme gibt es, das richtige Angebot gleich im Kopf zu haben, und desto mehr wird der Opferschutz auch – wie heute ja schon – als wertvolle Unterstützung der polizeilichen Arbeit wahrgenommen.

Meine Damen und Herren, in der Praxis muss sich insgesamt bei der Ermittlungsarbeit zeigen, wie die, Zitat, „erhöhte Sensibilisierung sämtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ermittlungsdienststellen“ tatsächlich umgesetzt wird und sich bewährt. Vor allem die Verankerung dieser in meinen Augen wesentlichen Inhalte in der Aus- und Fortbildung ist hierbei elementar. Und hier möchte ich, meine Damen und Herren, auch wirklich inständig darum bitten, dass wir uns nicht zu schnell zufriedengeben.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)