Protokoll der Sitzung vom 12.03.2015

An dieser Stelle ist dann sicherlich zu hinterfragen, was wir bereit sind zu bezahlen beziehungsweise was wir uns finanziell leisten können.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich finde, auch das gehört zur Debatte dazu, wenn wir über Boden reden,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau, das sehe ich auch so.)

nämlich, dass wir ganz konkret hinterfragen, was wir an dieser Stelle tun.

Zum Bodenschutzprogramm ist hier einiges ausgeführt worden, auch das spare ich mir. Wir haben hier Anträge, wir haben zuallererst den Antrag auf Überweisung von Professor Tack.

Herr Professor Tack, wir haben hier in unserem Antrag stehen, bis zum 31. Dezember. Wenn das Haus früher fertig ist, können wir das jederzeit früher machen. Insofern glaube ich nicht, dass wir hier eine Überweisung machen müssen. Es soll ja in den Agrarausschuss, aber eben mit dem Datum 31. Dezember. Das Haus hat hier gesagt, dass sie vielleicht früher fertig sind, schauen wir mal. Das ist das Erste.

Das Zweite ist, ein früheres Datum ist von den GRÜNEN genannt worden. Wir drängeln auch, Frau Dr. Karlowski, es hat ja auch mit diesem Antrag zu tun, aber wir sollten

uns nicht in einen Wettbewerb um den intensivsten Drängler begeben. Ich glaube, Sorgfalt geht vor Geschwindigkeit, daher werden wir Ihren Änderungsantrag ablehnen.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Besten Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es ist nie zu spät, daran zu glauben, dass sich auch eine Regierungskoalition aus SPD und CDU zu vernünftigen Anträgen durchringen kann.

(Zurufe vonseiten der Fraktion der SPD: Oh! – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Das dachten wir, als wir die Überschrift des Antrages gelesen haben,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

doch wenige Zeilen später war unsere aufkommende Euphorie dann doch wieder ganz schnell verflogen,

(Heinz Müller, SPD: Hat Sie die Keule der Realität ereilt?)

denn mehr als einen Schaufensterantrag haben Sie doch hier nicht vorgelegt. Gerade mal zwei magere Punkte legen Sie zum Thema Bodenschutz vor. Abgesehen von den Reden, die wir jetzt gehört haben, konzentrieren wir uns doch hier in der Abstimmung auf den Antrag, und da sehe ich nicht die Substanz, dass wir dem zustimmen könnten.

Die Ziffer 1 in dem Antrag beschränkt sich darauf, etwas festzustellen, was schon jede Schülerin und jeder Schüler ab der Klasse 7 im Geografieunterricht lernt. Herr Tack hat auch darauf hingewiesen. Glauben Sie denn wirklich, dass Sie mit solchen Anträgen den notwendigen Aufgaben zum Schutz des Bodens gerecht werden? Es war zwar spannend, Herrn Krüger hier zuzuhören,

(Heinz Müller, SPD: Das ist immer spannend bei Thomas Krüger.)

welchen Themenstrauß er jetzt hier aufgemacht hat zu vielen, vielen agrarpolitischen Themen,

(Thomas Krüger, SPD: Die alle mit Boden zu tun haben.)

die indirekt oft auch im Zusammenhang stehen mit Boden, aber doch sehr wenig im Zusammenhang mit diesem Antrag.

(Stefanie Drese, SPD: Direkt. – Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Und wir waren auch sehr erstaunt, einen Bodenantrag jetzt hier zu lesen. Wir haben doch vor zwei Jahren, im

Juni 2013, als BÜNDNIS 90/GRÜNE-Fraktion selbst einen ziemlich weitgehenden Antrag vorgelegt.

(Heinz Müller, SPD: Aber nach zwei Jahren dürfen wir das dann vielleicht auch.)

Der wurde von Ihnen dann vermutlich reflexartig abgelehnt. Doch offenbar kommen Sie selbst im UNO-Jahr des Bodens nicht mehr um das Thema drum herum. Vielleicht wollen Sie einfach nur den Schein wahren und so tun, als ob Ihnen das Thema Bodenschutz tatsächlich wichtig wäre. Die Reden geben einen anderen Eindruck als der Antrag. Wenn ich die Reden höre, dann denke ich, es ist ernst gemeint. Der Antrag spricht eine andere Sprache.

In der damaligen Debatte um unseren Antrag „Bodenschutz in der Landwirtschaft verbessern“ auf der Drucksache 6/1960 warfen Sie uns vor, werte Kollegin Schlupp – ich sehe sie jetzt gerade nicht –, unser Antrag lasse nicht erkennen, worin denn der Neuwert oder die qualifizierte Weiterentwicklung zu dem bisherigen Arbeitsstand zu sehen sei. Wo aber bitte schön ist Ihr Mehrwert in der Debatte, wenn Sie mit Punkt 2 Ihres Antrages statt einer konkreten Maßnahme einen Bericht zum Bodenschutzprogramm erbitten?

Sie wissen doch, dass sich im Rahmen des Bodenschutzprogramms die von Ihnen gestellte Landesregierung selbst verpflichtet hatte, im letzten Jahr, 2014, die Phase 2 des Bodenschutzprogramms abzuschließen. Phase 2 sollte durch die Vorlage des Bodenzustandsberichts des Landes abgeschlossen werden. Bis heute warten wir immer noch vergeblich auf das Werk. Jetzt wurde erneut angekündigt, dass es Mitte des Jahres als Ziel angestrebt wird. Lassen wir uns überraschen!

Und Sie wollen mit Ihrem heutigen Antrag nichts anderes, als der Landesregierung noch mal mehr Zeit zu verschaffen und sie irgendwann gegen Ende des Jahres im Agrarausschuss berichten zu lassen?! Wenn das alles ist, was Sie zum Thema Bodenschutz von der von Ihnen gestellten Landesregierung erwarten, dann wundert mich nicht, dass wir beim Thema Bodenschutz so dermaßen auf der Stelle treten.

(Vincent Kokert, CDU: Sie malen einfach zu grün, Frau Dr. Karlowski.)

Es ist für uns ein Armutszeugnis, wenn die Vorgängerregierung aus PDS und SPD bereits im Jahre 2002 ein Landesbodenschutzprogramm startet und wir 13 Jahre später dann immer noch keinen Maßnahmenplan für den Schutz des Bodens haben. Das zeigt doch ganz klar, dass hier im Land ohne den Druck von EU-Richtlinien kaum etwas aus eigener Kraft läuft. Wahrscheinlich stünden wir auch beim Schutz der biologischen Vielfalt und der Gewässer noch weit schlechter da, wenn es nicht die FFH- und die EU-Wasserrahmenrichtlinie gäbe. Die längst überfällige Verabschiedung einer EU-Boden- rahmenrichtlinie haben CDU und SPD in ihrer Regierungsverantwortung auf Bundesebene bisher abgelehnt. Angeblich, so lautet bisher ihre Begründung, ist der Bodenschutz in Deutschland bereits hervorragend rechtlich gesichert. Doch wenn dies so wäre, dann frage ich Sie, wo Sie aktuell denn die Umsetzungsdefizite im Bodenschutz sehen und warum Sie sie nicht in Ihrer Regierungsverantwortung abgestellt haben.

Es gibt allerdings zum Thema Bodenentwicklung et- was, das sollte uns alle alarmieren. So stellte der europäische Forschungsverbund CARBOEUROPE bereits 2011 fest, dass an neun von zehn untersuchten landwirtschaftlich genutzten Standorten die Böden pro Jahr 950 Kilogramm Humus verlieren. Also fast überall verlieren sie fast 1.000 Kilogramm Humus im Jahr auf einen Hektar gerechnet, und das, obwohl die Standorte nach der viel gepriesenen, guten fachlichen Praxis bewirtschaftet und gedüngt werden. Schauen Sie nach in der Veröffentlichung dazu, die ich Ihnen gern gebe.

Nicht nur aus Sicht der Bodenfruchtbarkeit, sondern auch aus der Perspektive des Klimaschutzes müssen wir den Humusgehalt der Böden wieder stärker in den Fokus rücken. Bei entsprechender Bearbeitung der Ackerböden sind diese enorme Humusspeicher und auch Kohlenstoffspeicher und damit CO2-Speicher.

(Thomas Krüger, SPD: Aber das haben wir doch ausgeführt.)

Und während wir Milliarden in die wenig ergiebige Er- forschung der Kernfusion investieren, wissen wir gleichzeitig immer noch viel zu wenig über die Humusbilanz unserer landwirtschaftlich genutzten Böden, den Lebensraum, aus dem wir unsere Nahrung beziehen. Erst seit 2011 führt das Thünen-Institut für Agrarklimaschutz eine deutschlandweite Bodenzustandserhebung durch und noch immer liegen keine ausgewerteten Ergebnisse dazu vor. Aus anderen Forschungsarbeiten wissen wir aber, der Ökolandbau trägt in stärkerem Umfang zur Humusbildung bei als die konventionelle Landwirtschaft.

(Vincent Kokert, CDU: Das Argument überrascht mich jetzt. Damit hätte ich nicht gerechnet.)

Auch ist Grünland bei richtiger Bewirtschaftung ein enorm guter CO2-Speicher. Weltweit sind es 588 Milliarden Tonnen, die das Grünland speichert, und somit fünfmal mehr als das Ackerland. Es liegt damit auf Platz 2 direkt nach den Feuchtgebieten und den Mooren.

(Vincent Kokert, CDU: Die schon wieder!)

Um Kohlenstoffverluste zu stoppen, sind gute Bewirtschaftungspraktiken essenziell. Das Vermeiden von Verdichtungen und die Pflege der mikrobiellen Biomasse seien hier ganz explizit zu nennen.

(Thomas Krüger, SPD: Pfluglose Bearbeitung, gerade ausgeführt.)

So kann der Oberboden weiterhin als enorme Senke für organischen Kohlenstoff dienen und helfen, dass sich unsere Atmosphäre nicht weiter erwärmt.

Wie bereits eingangs erwähnt, auch die hiesige Lan- desregierung hinkt mit dem angekündigten Bodenzustandsbericht weit hinterher. Wie sollte es auch anders sein, wurde doch die Fachabteilung Geologie und Bodenkunde

(Vincent Kokert, CDU: Das ist kein Wunder, wenn Sie der Regierung Beine stellen, dass sie dann hinterher hinkt.)

des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie fast bis zur Unkenntlichkeit zusammengeschrumpft.

(Zuruf von Thomas Krüger, SPD)

Es gibt kaum einen Fachbereich des Landesamtes, der trotz engagierter Arbeit der verbliebenen Mitarbeiter aufgrund des geringen Materials und der geringen Mittelausstattung in den letzten zehn Jahren so wenig sichtbar wurde wie der Bereich Bodenschutz. Jene Publikationen, die einst das Bodenschutzprogramm unter der PDSSPD-Regierung dieses Landes einläuteten, sind inzwischen über zehn Jahre alt. Das ist zum Beispiel die Abteilung über die Bodenerosion landwirtschaftlich genutzter Flächen und über das Maß an Schadverdichtung. Für ein Landwirtschaftsland wie Mecklenburg-Vorpommern ist das hochnotpeinlich und zeigt, wie gering doch tatsächlich der Stellenwert des Bodenschutzes im Lande ist. Nicht mal der Antrag wird jetzt überwiesen werden in den Ausschuss, wo er hingehörte.

Jetzt ein Zitat: „,Boden wird als schützenswerte Ressource nur wenig wahrgenommen‘, bedauerte der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz, Dr. Till Backhaus“ in einer Pressemitteilung vom 10. September 2013.